Umkämpfte Zone - Ines Geipel

  • Produktinformation (Amazon):

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    • Gebundene Ausgabe: 377 Seiten
    • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 4. Druckaufl. (17. März 2019)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 3608963723
    • ISBN-13: 978-3608963724
    • ASIN: B07LB7FZH5


    Kurzbeschreibung (Verlag):

    Woher kommt die große Wut im Osten?

    Fremdenfeindlichkeit und Hass auf »den Staat«: Verlieren wir den Osten Deutschlands? Das Buch sucht Antworten auf das Warum der Radikalisierung, ohne die aktuell bestimmende Opfererzählung nach 1989 zu bedienen. Es erzählt von den Schweigegeboten nach dem Ende der NS-Zeit, der Geschichtsklitterung der DDR und den politischen Umschreibungen nach der deutschen Einheit. Verdrängung und Verleugnung prägen die Gesellschaft bis ins Private hinein, wie die Autorin mit der eigenen Familiengeschichte eindrucksvoll erzählt.

    »Ein wirklich grandioses Buch. Kein Wort zu viel und jeder einzelne Satz ein Volltreffer. Eins der wichtigsten Bücher des Jahres.«

    Markus Lanz, ZDF – Markus Lanz, 26.02 und 11.04.2019

    Seit 2015 haben sich die politischen Koordinaten unseres Landes stark verändert – insbesondere im Osten Deutschlands. Was hat die breite Zustimmung zu Pegida, AfD und rechtsextremem Gedankengut möglich gemacht? Ines Geipel folgt den politischen Mythenbildungen des neu gegründeten DDR-Staates, seinen Schweigegeboten, Lügen und seinem Angstsystem, das alles ideologisch Unpassende harsch attackierte. Seriöse Vergangenheitsbewältigung konnte unter diesen Umständen nicht stattfinden. Vielmehr wurde eine gezielte Vergessenspolitik wirksam, die sich auch in den Familien spiegelte – paradigmatisch sichtbar in der Familiengeschichte der Autorin. Gemeinsam mit ihrem Bruder, den sie in seinen letzten Lebenswochen begleitete, steigt Ines Geipel in die »Krypta der Familie« hinab.

    Verdrängtes und Verleugnetes in der Familie korrespondiert mit dem kollektiven Gedächtnisverlust. Die Spuren führen zu unserer nationalen Krise in Deutschland.

    Zur Autorin (Verlag):

    Ines Geipel, geboren 1960, ist Schriftstellerin und Professorin für Verssprache an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. Die ehemalige Weltklasse-Sprinterin floh 1989 nach ihrem Germanistik-Studium aus Jena nach Westdeutschland und studierte in Darmstadt Philosophie und Soziologie.

    2000 war sie Nebenklägerin im Prozess gegen die Drahtzieher des DDR-Zwangsdopings. Ihr Buch »Verlorene Spiele« (2001) hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Bundesregierung einen Entschädigungs-Fonds für DDR-Dopinggeschädigte einrichtete. 2005 gab Ines Geipel ihren Staffelweltrekord zurück, weil er unter unfreiwilliger Einbindung ins DDR-Zwangsdoping zustande gekommen war.

    Ines Geipel hat neben Doping auch vielfach zu anderen gesellschaftlichen Themen wie Amok, der Geschichte des Ostens und auch zu Nachwendethemen publiziert.

    Meine Meinung:

    Ines Geipel erzählt in diesem Buch eigentlich drei Dinge: Die Geschichte des Todes ihres Bruders, die Familiengeschichte der Geipels und warum es in Ostdeutschland immer wieder zu rechtsextremen Ausfällen kommt.

    Ich muss sagen, ich bin mit diesem Buch nicht wirklich warm geworden. An sich ist das Thema ja nicht uninteressant, ich finde es aber vermessen, die Gründe für ein gesellschaftspolitisches Problem in einer Familiengeschichte zu suchen.

    Das Buch ließ sich recht gemischt lesen. Wenn von der Familie erzählt wird, geht es gut, auch wenn die Wortwahl und der Schreibstil etwas sehr intellektuell rüberkommen. Als wäre es nötig sich besonders gewählt auszudrücken, um sich von der Masse abzuheben. Das fällt besonders da auf, wo sie von den letzten Wochen mit Ihrem Bruder erzählt. Irgendwie habe ich dadurch nicht so richtig mit den Betroffenen warm werden können.

    Wenn es dann in die Erklärungsansätze ging, bin ich großteils zum Überfliegen übergegangen. Die Dichte an Fremdwörtern und der teilweise eher komplizierte Satzbau machen es nicht einfach der Autorin zu folgen.


    Insgesamt hat mich das Buch eher enttäuscht, die Mischung aus einer Familiengeschichte und einem Sachbuch hat für mich nicht zusammengepasst.

    Von mir daher keine Leseempfehlung.

    2 von 10 Punkte


  • Ich kann streifis überwiegend negative Beurteilung dieses Buches nicht teilen.

    Für mich war es ein ganz wichtiges Leseerlebnis, das mir einen Einblick in viele bisher unbekannte tiefere Gründe für die teils aus westlicher Sicht nicht recht erklärbaren Befindlichkeiten der Menschen in den "neuen" Bundesländern verschafft hat. Ines Geipel, offenbar eine überaus kluge und scharfsichtige Frau, nutzt ihre Familiengeschichte geschickt, um von den Schweigegeboten nach dem Ende der NS-Zeit und der Geschichtsklitterung der DDR zu erzählen, vor allem aber, um die dortige jahrzehntelange Verdrängung und Verleugnung der deutschen Zeitgeschichte aufzudecken, die noch heute bis tief ins Private hineinwirkt und schlüssige Erklärungsansätze für die oft bizarren politischen Entwicklungen (inclusive der wachsenden Sehnsucht nach starker Führung bis hin zu faschistischen Tendenzen) liefert.


    Von mir eine klare Leseempfehlung.

  • Ines Geipel gibt in dem Buch „Umkämpfte Zone“ einen Einblick in ihre Familie und deren Verstrickung in zwei unterschiedliche diktatorische Systeme. Dem Lebensalter geschuldet war der Großvater in die Nazizeit und der Vater in die DDR-Diktatur verstrickt. Bei beiden Männern führten diese Erfahrungen auch zu intensiven Einflüssen auf das familiäre Umfeld. In gewisser Weise dürfte diese Historie auf viele ostdeutsche Familien zutreffen.


    Ein weiterer Aspekt des Buches ist die Beziehung zwischen der Autorin und ihrem Bruder, der leider vergleichsweise früh aufgrund eines Hirntumors verstarb. Von der Thematik versprach dieses Buch sehr interessant zu werden. Leider wählte Ines Geipel mitunter eine Sprache, die weit entfernt von einer Erzählung war und die es mir recht schwierig machte, einen emotionalen Bezug zu dem Buch aufzubauen. Die eigentliche Erzählung schimmert oftmals nur durch, wird jedoch meistens mit dem Schleier vieler rhetorischer Stilmittel wie Fragen, Aufzählungen von Synonymen und Vergleichen arg verdeckt. Insgesamt wirkt das Buch dadurch leider auch etwas aufgebläht und der Erkenntnisgewinn bleibt gering.


    Schade, dabei hatte ich mich zuvor sehr auf das Buch gefreut und vorher auch viel Gutes darüber gehört. Von mir gibt es nur 4 Pünktchen.

  • @ xexos: Natürlich ist es "weit entfernt von einer Erzählung ", denn es ist ja auch keine und soll das auch nicht sein. Der Aufbau eines "emotionalen Bezugs" ist daher kaum ein adäquater Zugang zu einem solchen Werk, das vielmehr ein sehr scharfsinniges, analytisches Buch über die DDR und ihre Menschen ist, festgemacht an der eigenen Familiengeschichte der Autorin.

    Ich hatte, notabene, einen ganz erheblichen Erkenntnisgewinn über die Hintergründe und Ursachen dessen, was sich derzeit im deutschen Osten offenbart!

    Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind ... :lache:wave

  • Dieter Neumann Ich war eben selbst ein wenig erstaunt über meinen Text, den ich vor ca. einem Jahr schrieb. So ganz frisch sind meine Erinnerungen an das Buch nicht mehr, weiß aber noch, dass ich mir da ein paar Formulierungen rausquetschen musste. Und das, gerade weil für mich der Erkenntnisgewinn nicht so besonders groß war. Vielleicht waren aber meine Erwartungen nicht passend?

  • Bei mir haben wohl auch Erwartungen und das eigentliche Buch nicht zusammengepasst. Ich hatte mir gerade in den familären Teilen mehr erwartet, das ist bei mir so nicht wirklich angekommen. Ich bin auf irgendeienr anderen Plattform im übrigen dafür angegangen worden, dass ich den Schreibstil bemängelt habe. Ich hätte wohl nicht erkannt, warum die Autorin so formuliert hat. Sprich, ich wär zu doof für das Buch :-)

  • Ich bin auf irgendeienr anderen Plattform im übrigen dafür angegangen worden, dass ich den Schreibstil bemängelt habe. Ich hätte wohl nicht erkannt, warum die Autorin so formuliert hat. Sprich, ich wär zu doof für das Buch :-)

    Dazu lässt sich erstens sagen, dass Ines Geipel, vor allem aber ihre Lektorin, gut beraten gewesen wären, die doch deutlich erkennbaren Redundanzen im letzten Viertel des Buches auszumerzen, Hier wird einfach zu oft mit nur wenig anderen Worten dasselbe gesagt wie schon vorher. Wie bei vielen eigentlich richtig guten Büchern wäre auch hier eine Kürzung um etwa 50 Seiten vorteilhaft gewesen. Das ändert zwar nichts daran, dass es ein wichtiges Buch ist, aber es kann durchaus sein, dass die Redundanzen ein gewisses Unbehagen bei Lesern auslösen und damit einen dem Buch grundsätzlich nicht angemessenen Widerwillen erzeugen.


    Zweitens kommt es durchaus vor, dass LeserInnen dem intellektuellen Niveau eines Buches (oder seines Autors / seiner Autorin) nicht folgen können und das Buch daher nicht leiden mögen. In diesem Falle jedoch ist festzuhalten, dass du, streifi, zweifellos nicht "zu doof für das Buch" bist, sondern schlicht eine andere Vorstellung von dem hattest, was drinstünde, als du es in die Hand genommen hast. Das passiert täglich viele Male und hat mit Leserintelligenz in den meisten Fällen sehr viel weniger zu tun als mit der Unfähigkeit von Verlagen, durch saubere Öffentlichkeitsarbeit (Klappentexte, Posts, Trailer etc.) eine klare Vorstellung von dem zu vermitteln, was sie verkaufen wollen. In diesem Falle finde ich kaum irgendwo - und beim Verlag schon gar nicht- einen klaren Hinweis darauf, dass es sich hier um ein (populär)wissenschaftliches Werk handelt, einen allerdings stark individuell gefärbten Versuch, die gesellschaftlichen Defizite der DDR-Bevölkerung aufzuarbeiten - und zwar eben NICHT als Roman, was viele denken, die das Buch kaufen.

  • Ich denke auch dass mit dem Klappentext einfach die falsche Erwartung geweckt wird.

    Bis zum letzten Viertel bin ich gar nicht mehr gekommen, da hat mir das ganze schon gereicht. Am meisten hat mich tatsächlich der gestelzte Sprachstil in den Teilen mit dem Bruder gestört. Irgendwie kam mir das einfach unnatürlich vor, dass Geschwister so miteinander sprechen. Vielleicht war es in der Familie ja auch tatsächlich so, aber für mich war das einfach unpassend.


    Ich habe einiges mitgenommen aus dem Buch, vor allem aus dem Sachbuchanteil. Von daher gebe ich Dir recht Dieter Neumann , das Buch ist durchaus wichtig. Nur leider für mich nicht gut genug verpackt. Ich fand die Informationen zum Rechtsextremismus in der DDR sehr interessant und das meiste war auch durchaus neu für mich.


    Ich habe letzens Inges Krieg von Svenja O'Donnell gelesen, da fand ich den Mix aus Familiengeschichte und sachlichen Informationen sehr ansprechend. Da hatte ich tatsächlich mehr ein Sachbuch erwartet und bin dann ob des Schreibstils positiv überrascht worden. Und ich habe auch noch einiges dazugelernt. So geht's also auch.


    Aber es ist ja in Ordnung das ein Buch dem einen gefällt und dem anderen nicht. Ich hoffe aus meinen Eindruck ist klar geworden, dass es halt für mich nicht funktioniert hat. Und ich es deshalb nicht empfehle, nicht weil es ein schlechtes Buch ist. Sondern weil es für mich nicht funktioniert.

  • Ich kann streifis überwiegend negative Beurteilung dieses Buches nicht teilen.

    Für mich war es ein ganz wichtiges Leseerlebnis, das mir einen Einblick in viele bisher unbekannte tiefere Gründe für die teils aus westlicher Sicht nicht recht erklärbaren Befindlichkeiten der Menschen in den "neuen" Bundesländern verschafft hat. Ines Geipel, offenbar eine überaus kluge und scharfsichtige Frau, nutzt ihre Familiengeschichte geschickt, um von den Schweigegeboten nach dem Ende der NS-Zeit und der Geschichtsklitterung der DDR zu erzählen, vor allem aber, um die dortige jahrzehntelange Verdrängung und Verleugnung der deutschen Zeitgeschichte aufzudecken, die noch heute bis tief ins Private hineinwirkt und schlüssige Erklärungsansätze für die oft bizarren politischen Entwicklungen (inclusive der wachsenden Sehnsucht nach starker Führung bis hin zu faschistischen Tendenzen) liefert.


    Von mir eine klare Leseempfehlung.

    Als jemand, der aus dem Osten stammt, im Westen wohnt und wöchentlich in den Osten pendelt, hätte ich zu dem fett markierten Text viel zu schreiben und meine Analyse würde nur wenigen gefallen. Nationalsozialistische Tendenzen gibt es nicht nur in (Ost-)Deutschland, sondern in Europa und allen weiteren Erdteilen zuhauf, sogar in unserem gemeinsamen Bundesland Schleswig-Holstein sind sie unübersehbar, was mich zuweilen fassungslos macht.

    Um es kurz zu machen: Nicht die Himmelsrichtung, sondern (mangelnde) Bildung ist für das Phänomen verantwortlich.

    Die Thematik ist komplex und der Buchempfehlung wäre ich gern gefolgt, wenn ich nicht in der Vergangenheit zu Empfehlungen, die sich mit dem DDR-Vergangenheit auseinandersetzen, herbe Enttäuschungen erlebt hätte.