Verlag: Suhrkamp, 1996, als eBook: Oktober 2018
Kurzbeschreibung:
Und spätestens hier, kurz nach der Überquerung der Grenze zur »Republika Srpska« von Bosnien, hörten wir drei Männer im Auto auf, unsere serbische Wintergeschichte frühsommerlich zu wiederholen; hörten überhaupt auf, die Personen einer bereits geschehenen und aufgeschriebenen Geschichte zu sein; und spätestens nach dem folgenden Abend, der Nacht und dem folgenden Tag in ViSegrad schien es dann nötig, oder nützlich, zu unserer Wintergeschichte diesen Nachtrag oder Zusatz zu machen.
Über den Autor:
Peter Handke, geb. am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten). Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht er das Gymnasium in Tanzenberg und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im März 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen, erscheint sein erster Roman Die Hornissen. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks Publikumsbeschimpfung in Frankfurt in der Regie von Claus Peymann. Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfasst. Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen. Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen geehrt. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen (auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten) erklärte er selbst 2007 mit den Worten 'Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen.'
Mein Eindruck:
Nachdem Peter Handke letzten Monat den Literaturnobelpreis gewonnen hatte, ist es zu einem Wiederaufflammen der alten Serbienkontroverse und
um Handkes proserbische Position gekommen.
Bei Buechereule wurde diese Diskussion schon vor Jahren überwiegend sachlich geführt, die ich jetzt auch nicht wieder aufrühren will.
Besondere Verantwortung? Mal wieder Handke...
Was jetzt aber in den letzten Wochen in den Zeitungen und sozialen Medien abgezogen wurde, war ein enormer Shitstorm, bei dem anscheinend jeder mitreden wollte.
Kennen die wirklich alle die betreffenden Handke-Texte?
Fast erscheint es mir, dass die Debattierenden das Ganze genießen.
Ich habe Handke zugegebenerweise auch jahrelang nicht gelesen, wegen seiner einseitigen Parteinahme für Serbien.
Ich halte es jedoch für sinnvoll, Handkes Jugoslawien-Bücher auch mal zu lesen, um seine Meinung einzuschätzen, bevor man sich der einen oder anderen überzogenen Haltung anschließt.
Von den ca. 5 Handke-Jugoslawienbücher kannte ich nur “Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien”, in der er in erster Linie medienkritisch gegen die einseitige westliche Berichterstattung wettert. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht.
(Der damalige Vorabdruck des Buches ist hier nachzulesen: https://www.sueddeutsche.de/ku…ge-reisebericht-1.4647433)
Das Buch habe ich schon vor längeren gelesen.
Jetzt habe ich “Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise” von 1996 gelesen, das praktisch die Fortsetzung ist.
Der sommerliche Nachtrag setzt 6 Monate später ein und führt Handke nach Ende des Bosnienkrieges mit seinen 2 Reisebegleitern nach Serbien und in die bosnisch-serbische Grenzregion bis nach Srebenica. Eine teilweise beschwerliche Reise.
Zunächst fällt mir auf, dass es wirklich eine ausgezeichnete Reiseliteratur ist, sprachlich hervorragend, die zum einen landschaftliche Eindrücke vermittelt, aber auch Handke Gemütslage. Er ist angespannt, das Thema Jugoslawien und Bosnienkrieg beherrscht ihn ganz und gar.
Das über dieses Thema geschrieben wird, halte ich erst mal für sinnvoll.
Die Reise wird eindrücklich beschrieben. Es sind Bezüge zu dem jugoslawischen Schriftsteller Ivo Andric vorhanden.
Es kommt erst spät im Buch, an ein paar, eigentlich wenigen Stellen, zu den kontroversen Äußerungen, Handkes Unterstellung, die Massaker an die Bosniaken wären übertrieben, teilweise inszeniert. Paranoid! Und erwiesenermaßen falsch! Diese Passagen sind aus heutiger Sicht nicht angenehm zu lesen, jedoch ist es deutlich eine Einzelmeinung.
Die Beschreibungen der kriegsversehrten Gegenden sind beklemmend.
Das Handke dann schreibt “es gab in der Landschaft von S. auch Tausende serbische Opfer - in der Regel blindlings dem anderen Opfervolk zugeschrieben” ist natürlich absurde Verzerrung.
Handkes Verbohrtheit ist tragisch, er bestand in der Frage des Genozids auf den Zusatz “mutmaßlich”.
Es bleibt dennoch ein Erstaunen, dass Handkes deutlich einseitige und subjektive Meinung nicht ausgehalten werden konnte.
Abschließend empfinde ich es so: Neben den kontroversen Abschnitten ist der sommerlicher Nachtrag ein intensiver Reisebericht.
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ASIN/ISBN: 3518408445 |