Im Eissturm der Amsel - Kerstin Groeper

  • Wahrscheinlich kannten die Weißen diese Art des Süßens nicht. Überhaupt waren sie wie kleine Kinder, denen man erst die Geschenke der Natur zeigen musste. Alles, was sie wussten, was das Töten ... aber nicht, wo man das Leben fand.“ (S. 141)


    ASIN/ISBN: 394148575X

    562 Seiten, 1 Landkarte, Klappenbroschur

    Verlag: TraumFänger Verlag, Hohentann 2020

    ISBN-10: 3-941485-75-X

    ISBN-13: 978-3-941485-75-4



    Zum Inhalt (eigene Angabe)

    Pierre DuMont ist ein Trapper, der für die Missouri Fur Company im Yellowstone-Gebiet tätig ist. Hier trotzen sie nicht nur den Gefahren der Natur, sondern auch feindlichen Indianern. Um nicht immer alleine zu sein, und sich das Wohlwollen der Mandan zu sichern, heiratet er eine Mandan, nämlich Mato-wea.

    In einer ganz anderen Gegend wächst Wambli-luta zum Krieger heran, der Mato-wea bei einem Angriff auf deren Dorf schon einmal getroffen hat.

    Schwierig wird die Situation, als am Horizont der Krieg zwischen Briten und Amerikanern aufscheint, in den jede Seite die Indianerstämme zu seinen Gunsten hineinziehen will. Als DuMonts Fort von den Blackfeet überfallen wird, beginnt die Lage zu eskalieren. Die Wege von Pierre, Mato-wea und Wambli-luta beginnen, sich schicksalhaft zu kreuzen.



    Über die Autorin


    Kerstin Groeper wurde in Berlin geboren und lebte einige Zeit in Kanada; sie spricht Lakota. Über Indianer schreibt sie Artikel für verschiedene Zeitschriften sowie Bücher. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in der Nähe von München.




    Meine Meinung


    Das Buch macht mir eine Rezension nicht leicht, möchte ich doch so begeistert schreiben, wie ich es zu den früher gelesenen Büchern der Autorin tat, kann es hier jedoch leider, leider nicht. „Absolut empfehlenswert. Absolut lesenswert. Unbedingt lesen.“, lautete mein Fazit zu einigen derselben. Für die hier erzählte Geschichte selbst würde ich ein gleiches Prädikat verleihen, die reiht sich nahtlos an die Reihe der älteren Werke der Autorin an. Aber herstellerisch wie stilistisch fällt das Buch deutlich ab.


    Um mit Ersterem, dem Herstellerischen, zu beginnen. Ein, zwei Satzfehler kommen auch in den besten Büchern vor. Ein Mal ein Wort vergessen oder vertauscht, gut, auch das kann passieren. Aber dauernd? Ich kann mich nicht entsinnen, je ein Buch gelesen zu haben, das dermaßen viele Satzfehler - bis hin zu fehlenden und/oder falschen Wörtern - enthält wie dieses. Ein Korrekturlesen scheint nicht stattgefunden zu haben, anders kann ich mir das nicht erklären. Ein fehlender Buchstabe kann sinnverändernd sein, beispielsweise liest man auf Seite 109 das Wort „Freude“ - aber gemeint ist „Freunde“. Das ist aus dem Zusammenhang beim Lesen leicht ersichtlich. Schwieriger wird es bald darauf auf Seite 113, als es da heißt: „Er achtete er seine Vision, (...)“ Es dauerte einen Moment, bis mir klar war, daß das „er“ nicht ein falsches Wort war, sondern ersatzlos gestrichen werden muß. „Er achtete seine Vision, (...)“ ist gemeint. Ob vertauschte oder fehlende Buchstaben, falsche Zeiten oder ganze Wörter - die Lesefreude wurde merklich getrübt. Schade, das kenne ich von anderen Büchern des Verlages ganz anders.


    Irgendwann kapituliert, und damit komme ich zu dem oben angesprochenen Stilistischen, habe ich bei den Namen, Stammes- und Ortsbezeichnungen. Wie in ihren früheren Büchern, hat die Autorin auch in diesem weitgehend originale indianische Bezeichnungen verwendet. Aber waren die im „Scharlachroten Pfad“, „Im fahlen Licht des Mondes“ oder auch in „Die Feder folgt dem Wind“ konstant durchgehend, so daß mir diese trotz der Fremdartigkeit keine großen Probleme bereiteten, so hatte ich hier immense Schwierigkeiten. Tituwan - Hunkpapa - Lakota - erst durch diesen (englischsprachigen) Artikel ist mir der Zusammenhang deutlich geworden. Ich hatte das Gefühl, daß manche Stämme mit drei oder gar vier verschiedenen Namen im Verlauf des Buches auftauchen. Von den mir völlig fremden indiananischen Bezeichnungen für Berge und Flüsse ganz zu schweigen. Nach einiger Zeit habe ich resigniert und aus dem Zusammenhang geschlossen, wer oder was gerade gemeint war.


    Die Autorin will mit solchen Namensgebungen vermutlich Gefühl und Nähe für die indianischen Stämme vermitteln, bei mir erreichte sie damit das Gegenteil: Distanz bis Unverständnis. Für Insider mögen die Begriffe eindeutig sein; will sie jedoch Zielgruppen über den Tellerrand hinaus erreichen (und davon gehe ich aus), wird ihr das so nicht gelingen. Zumindest ein ausführliches Glossar wäre vonnöten, und ebenfalls eine Landkarte mit allen vorkommenden Orten, Forts und Flüssen - einschließlich der im Roman verwendeten indianischen Bezeichnungen dafür.


    Es mag möglicherweise ungünstig sein, dieses Buch direkt - quasi als Kontrast - nach Tolstois „Krieg und Frieden“ zu lesen, obwohl handlungsmäßig beide Romane in ungefähr dem gleichen Zeitraum, allerdings auf verschiedenen Kontinenten, angesiedelt sind. Wobei der Kontrast auch von den Lebensumständen nicht größer sein könnte - seltsam, wie grundverschieden zu gleicher Zeit die Lebensbedingungen in verschiedenen Gegenden der Welt sein können. Insofern muß ich Kerstin Groeper einen gewissen Bonus zugestehen, wenn ich das Gefühl hatte, daß das Buch - so kam es mir beim Lesen in den Sinn - streckenweise „seelenlos“ erzählt wird, irgendwie fehlte mir der Charme ihrer früheren Bücher, es erschien mir eher in einer nüchternen Erzählweise geschrieben, was für mich die oben erwähnte Distanz erhöhte und nur selten zu einer emotionalen Nähe zu den Figuren führte.


    Das, und hiermit komme ich zum Inhaltlichen, wiederum ist in manchen Szenen vielleicht gar nicht so schlecht, denn die Autorin schont weder ihre Figuren noch die Leser. Es waren harte Zeiten; verfeindete Stämme führten immer wieder Kriegszüge gegeneinander, und inmitten die immer weiter nach Westen vordringenden Weißen, welche auf die Bedürfnisse der Indianer meist wenig Rücksicht nahmen. An etlichen Stellen kommt im Roman die Einstellung der Weißen gegenüber den „Heiden“ sehr deutlich zum Ausdruck. Hier wird der sogenannte „Wilde Westen“ nicht romantisiert, sondern (jetzt positiv verstanden) nüchtern so beschrieben, wie er war. Wenngleich die Autorin im Nachwort zu verstehen gibt, daß sie ob der heute vielfach sehr anderen Sichtweise manches nicht so hart beschreiben konnte, wie es seinerzeit wirklich war. Leben und Sterben gehörte nunmal dazu, man dachte nicht so viel darüber nach, wie wir Heutigen das gewohnt sind. „Die Zeiten haben sich eben geändert und damit auch, was wir als moralisch oder unmoralisch empfinden“, schreibt die Autorin im Nachwort (vgl. S. 561).


    Der Trapper Pierre DuMont, die Mandan Mato-wea und der Hunkpapa Wambli-luta sind die Handlungsträger, die exemplarisch für ihre Völker stehen, deren Lebensstränge sich mehr und mehr verknüpfen und uns damit von der Zeit kurz nach der Expedition von Clark und Lewis berichten. Wer die Autorin kennt weiß, daß sie ihre Bücher akribisch recherchiert. Wer sich also trotz der oben kritisierten Mängel auf die Geschichte einläßt, wird mit einer Erzählung vom Beginn des 19. Jahrhunderts belohnt, die vom harten Leben der Trapper wie der Indianer, von deren Denken und Handeln, von Freud und Leid und vom am Horizont bereits heraufziehenden Untergang der indigenen Stämme erzählt. Bar von jeglichem Glanz und Gloria erwachen diese Jahre vor dem geistigen Auge des Lesers zum Leben.


    „Die weißen Siedler wollen, was rechtmäßig jemand anderem gehört, und sie sind zahlenmäßig überlegen und haben die überlegenen Waffen.“, wird der Halbcheyenne Zeke Monroe nach dem Massaker am Sand Creek zu seinen Kindern sagen, als diese ihn nach dem Grund für das Massaker fragen (vgl. Rosanne Bittner „Climb the Highest Mountain“ (Savage Destiny 5, S. 139, eigene Übersetzung). Zwar sind wir in diesem Buch hier von jenem Ereignis noch einige Jahrzehnte entfernt, doch diese Einstellung scheint bereits durch, bestimmt das Denken und Handeln vieler Weißer, geht quasi in die DNA der (weißen) Amerikaner ein und wirkt bis heute. Es ist eigentlich traurig zu sehen, wie schon relativ kurz nach der Unabhängigkeit der USA eine solche Haltung handlungsbestimmend wurde.



    Mein Fazit


    Trotz herstellerischer Mängel und der (für mich) problematischen Namensgebung ein guter Roman über die Frühzeit der Trapper am Missouri, die seinerzeit dort lebenden Indianerstämme sowie den Krieg zwischen den USA und den Briten. Keine romantische Verklärung, sondern harte Realität in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts, sehr gute Verknüpfung von Fakt und Fiktion - trotz allem (s. o.), wie alle Bücher der Autorin, lesenswert.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")