Paradise City - Zoë Beck

  • Paradise City

    Zoë Beck

    Suhrkamp

    ISBN: 3518470558

    280 Seiten, 16 Euro


    Amazon über die Autorin: Zoë Beck, geboren 1975. Schule und Studium in Deutschland und England. Schriftstellerin, Übersetzerin (u. a. Sally Rooney, Denise Mina, Amanda Lee Koe), Verlegerin (CulturBooks), Synchronregisseurin für Film und Fernsehen. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Zoë Beck zählt zu den wichtigsten deutschen Krimiautor*innen und wurde mit zahlreichen Preisen, unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis, dem Radio-Bremen-Krimipreis und dem Deutschen Krimipreis, ausgezeichnet.




    Deutschland in einer fernen Zukunft – die Küsten überschwemmt, die Temperaturen sind gestiegen, die Menschen leben in Megacitys und werden durch eine Art Ökodiktatur komplett überwacht. Trotzdem fühlen sie sich frei, denn sie sind gesund, das System KOS, das alle ihre Vitalwerte permanent überwacht, verhindert oder heilt schlimme Krankheiten und niemanden scheint es zu stören, dass es allgegenwärtig in den Alltag der Menschen eingreift.


    Liina, eine journalistische Rechercheurin wird von ihrem Chef in die Pampa geschickt, um einen vermeintlich unwichtigen Zwischenfall zu untersuchen, doch das Ganze entpuppt sich als riesiger Skandal, der dazu geeignet ist, das Staatsgefüge und alle, die damit zu tun haben, in Frage zu stellen. Sehr schnell begreift Liina, dass hier viele Leben in Gefahr sind, doch wo sind die Schuldigen und warum sterben plötzlich Kollegen an tragischen Unfällen?


    Als Thriller würde ich dieses Buch nicht unbedingt bezeichnen, es ist eher eine Art Zukunftsvision, die aufzeichnet, was passieren könnte, wenn sich ein Staat für den gläsernen Menschen entscheidet. Die Idee zur Gesellschaft, in der Liina lebt, könnte aus einem Think-Tank stammen, der sich mit der Entwicklung politischer und ökonomischer Strukturen beschäftigt.

    Der Entwurf ist interessant, doch die Story wirkt teilweise etwas zu konstruiert und das lässt die handelnden Figuren ein wenig hölzern agieren. Grund dafür können die vielen Einschübe sein, in denen die gegenwärtige „Zukunft“ erklärt wird. Liina müsste ja eigentlich als Kind ihrer Gesellschaft vieles als selbstverständlich hinnehmen, doch das passiert nicht und oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, sie würde nur existieren, um die vielen Veränderungen, die sich im Vergleich zur heutigen Zeit ergeben haben, zu erklären. Die Handlung an sich, zieht sich erst etwas um dann plötzlich zu einem, meiner Meinung nach, zu schnellen Ende zu kommen.


    Ich habe das Buch mit Interesse gelesen, die aufgezeigte Zukunft ist nicht komplett undenkbar, spinnt man die aktuellen technischen und klimatischen Entwicklungen weiter, doch die Figuren und die Story konnten mich letztlich nicht wirklich überzeugen und hielten mich bei Lesen auf Distanz. Lässt man die eingeflochtene Handlung weg, so bleiben zumindest interessante Gedanken über die Welt in der wir zukünftig leben möchten…

  • Ich sehe es ähnlich wie Eskalina : interessante Idee, aber die Umsetzung ...


    Angepriesen wird Paradise City als Zukunfts-Thriller in Deutschland, was mich sehr angesprochen hat. Es wird dabei ein realistisches und vorstellbares nahes Zukunftsszenario entworfen – überschwemmte Küste, riesige Megacitys, verödetes Hinterland und Smartcases als unentbehrliches Kommunikations- und Hilfsmittel bei allen Fragen des Lebens. Dabei wirft das Buch richtige und wichtige Fragen auf: Was sind wir bereit für unsere Gesundheit zu tun, welche Einschränkungen nehmen wir dabei hin? Was ist uns überhaupt unsere Freiheit wert? Wo beginnt menschenwertes Leben und wer entscheidet darüber? …


    Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Einschränkungen haben diese Fragestellungen ungewollt einen sehr aktuellen Bezug bekommen, der über viele dieser Fragen nochmal ganz anders und viel intensiver nachdenken lässt.


    Die Umsetzung dieser interessanten und wichtigen Fragen hat mir allerdings größtenteils nicht gefallen. Die Handlung ist mir zu unstrukturiert, sie springt hin und her, so dass ich den roten Faden einige Male verloren habe. Zunächst passiert lange nichts bzw. wenig, bevor im zweiten Teil die notwendigen Puzzlestücke im Eiltempo gefunden werden. Dabei spielt der Zufall eine viel zu große Rolle, da war für mich vieles nicht nachvollziehbar oder unglaubwürdig. Überhaupt der Zufall – ich fand die mehreren, unterschiedlichen Ebenen, in denen Hauptperson Liina in den Fall verstrickt ist, zu dick aufgetragen. Spannung kam bei mir fast keine auf. Anfangs wurde die Handlung ständig durch Rückblenden auf Liinas Leben unterbrochen, später wurde jede Situation, bei der es spannend hätte werden können, viel zu schnell abgehandelt.


    Diese Fokussierung auf Liina hat mich sowieso genervt. Sie ist zwar als Reporterin auf der Wahrheitssuche die Hauptperson des Buches, aber bei einem Thriller erwarte ich Handlung und keine Familiengeschichte. Weder sie noch die anderen Personen konnten mich überzeugen, sie waren für mich zu steril und zu oberflächlich dargestellt.


    Positiv erwähnen möchte ich aber die genderneutrale Darstellung der Charaktere. Zwar wurde noch viel zu viel zu der auftauchenden geschlechtsneutralen Person erklärt und ausschließlich weibliche Ärztinnen mit männlichen Helfern sind zu überzogen, um natürlich zu wirken, aber es geht eindeutig in die richtige Richtung. Er wäre wünschenswert, wenn die Vielfalt von Menschen irgendwann ganz selbstverständlich in Büchern wird, wie hier die Homosexualität einer Protagonistin.


    Fazit: Interessante Grundidee, aber die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen. Da wirkte vieles zu bemüht und zu konstruiert, außerdem fehlte mir die Spannung. Weil es gut und flüssig zu lesen war, habe ich mich für immerhin fünf von zehn Eulenpunkten entschieden.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

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