Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht

  • Hallo zusammen,

    ist es noch möglich einzusteigen? Ich habe vorhin schonmal im anderen Forumsbeitrag reingeschrieben und dann gemerkt, dass es nicht der aktuelle war. 😊

    Ich bin seit gestern Mitglied im Forum und habe einige Romane von Beauvoir hier. Werde sicher etwas Zeit benötigen, um den Stand aufzuholen, würde mich jedoch sehr freuen, wenn ich hier mitlesen und schreiben könnte.

    Viele Grüße

    Mona

  • :wave Hallo Mona2020  :welcome


    Von mir aus kannst Du hier gerne mitdiskutieren. Kopier Dir einfach die Beiträge, auf die Du Dich beziehen willst oder gehe chronologisch mit unseren Textbezügen durch.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Willkommen, mona 2020: Wir freuen uns, wenn du hier mitliest, denn wir sind ja nur ganz wenige. In dieser Woche machen wir ein wenig Pause, was dir schonmal etwas Leseatem verschaffen kann. Abgesehen davon finde ich @Tante Lis Vorschlag mit der Kopiererei gut, dann weiß man immer, worauf du dich beziehst. Viel Spaß kann man bei der Lektüre nicht unbedingt wünschen, aber sie öffnet einem auf fast schmerzhafte Weise die Augen für vieles, was man häufig einfach so hingenommen und nicht hinterfragt hat.

  • Uff, bis auf das abschließende Unterkapitel habe ich jetzt den "Mythos" hinter mir. Das war vielleicht ein Quark:

    Seitenweise direkte und indirekte Zitate von Henri de Montherlant, D.H. Lawrence, Paul Claudel, André Breton und Stendhal.

    Besonders bei Montherlant musste man echt an sich halten! Der Schriftsteller ist heute erfreulicherweise wohl ziemlich vergessen, schrieb aber in der Mitte des letzten Jahrhunderts Dramen und Romane, in denen Frauen aufs Schlimmste verunglimpft wurden. Der Herr hatte wohl ein großes Problem mit seinem Ego, und um dieses aufzuwerten, beschloss er, Frauen massiv herabzusetzen, um sich oder seine Protagonisten auf dieser Sklaven- und Ekelfolie dann um so besser darzustellen.

    D.H. Lawrence dagegen erhöhte das Körperlich-Erotische der Frau und wollte, dass der Mann seinem phallischen Prinzip folgte und seinen Strom mit ihrem Strom der Sexualität zusammenführte, der zwar genauso stark war wie seiner, aber das war dann auch das Einzige, wozu die Frau in der Lage war und sich erfüllte. Bei Claudel, dem frommen Katholiken, wiederum verkörpert die Frau das Göttliche und ist dienende Magd des Herrn. In dieser Funktion kann sie wieder den Mann Gott und seiner Erfüllung näher bringen, sich selbst aber nicht. André Breton, der Theoretiker und einer der größten Dichter des Surrealismus, liebte die Frauen und setzte ihnen in seinen Gedichten viele Denkmäler. Die Frauen verkörperten für ihn die Natur und nur über die Frau kann der Mann seine Transzendenz vollenden.
    Stendhal dagegen schätzt Beauvoir hoch, wie überhaupt die Reihenfolge der Schriftsteller in diesem Kapitel vom Schlimmsten bis zum Besten angeordnet ist. Stendhal als einziger sieht die Frau nicht als das Andere, das nur immanent ist. Sie ist bei ihm frei und kann sich außer sich setzen und ihre Transzendenz vollenden, allerdings nur in der Liebe zu einem Mann.

    Gemeinsam ist allen, dass sie Beauvoirs These bestätigen: Der Mann sieht die Frau immer nur von sich aus, als Hilfsmittel, seine eigene Transzendenz zu verwirklichen, ihr selbst wird diese Verwirklichung höchstens in der Liebe zugestanden.


    Ich nehme aus diesem Kapitel vorallem mit, welche Schriftsteller ich bestimmt nicht (mehr) lesen werde ... .

  • Ich nehme aus diesem Kapitel vorallem mit, welche Schriftsteller ich bestimmt nicht (mehr) lesen werde ... .

    Es gibt so viele gute zeitgenössische Autoren, da bleibe ich lieber bei denen.


    Inzwischen habe ich die Beauvoir Biograpie beendet und werde morgen ins zweite Buch einsteigen. Die Jakobsbücher sind zwar noch in Arbeit, aber dagegen ist Simone eine echte Erholung.


    Was mir an der Biographie gut gefallen hat ist, dass sie deutlich gezeigt hat, dass Beauvoir wie alle Frauen, die ich so kenne, auch nicht immer nach ihren Idealen leben konnte, so sehr sie sich drum bemüht hat. Und ihr dies auch bewusst war, jedenfalls mit zunehmendem Alter.

    Zudem wird deutlich, wie unfair und bösartig sie teilweise beurteilt wurde.

  • Ich werde morgen erstmal den ersten Teil zu Ende lesen, bin diese Woche zu gar nichts gekommen, und das gilt auch für die zwei nächsten Wochen. Der November ist immer ein besonders arbeitsintensiver Monat, auch an den Wochenenden. Aber ich versuche, wenigstens ein bisschen voranzukommen.

  • Nun habe ich den ersten Teil fertig. Der letzte Abschnitt allgemein über den Mythos der Frau bringt nichts inhaltlich Neues, thematisiert nochmal die schwierige Situation der Frau in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Sie ist schon auf dem Weg, sich selbst als Subjekt setzen zu können, wird aber noch durch selbstgewählte Rollenakzeptanz, die Arroganz und das Machtspiel der Männer und insbesondere durch ihre Doppelbelastung als sich sozial und wirtschaftlich beweisender Mensch, aber auch als Frau und Mutter, immer wieder eingeschränkt und in die Objektrolle zurückgedrängt.

    Dieses letztere Problem besteht ja eigentlich auch heute noch oft.

    Der Beginn des zweiten Teils bringt in der Einleitung vielleicht eine Erklärung für das "wir". Hier spricht die Autorin, wenn ich nichts überlesen habe, nämlich auch das erste Mal in der "Ich"-Form, um die Struktur des zweiten Buches vorzustellen. Das "wir" ist wohl als ein Mittel gemeint, die Leser*in in die Erkenntnisse miteinzubeziehen. Wir gehen mit Beauvoir gemeinsam den Weg der Erkenntnis über die Frau.

  • Das "wir" ist wohl als ein Mittel gemeint, die Leser*in in die Erke

    In dem Fall kann ich das "wir" eher nachvollziehen, da es auch um konkrete Erfahrungsberichte einzelner Frauen gehen soll,


    Im ersten Teil "Werdegang" geht es mit einer Darstellung der kindlichen Entwicklung los. Der Säugling muss sich nach und nach als von der Mutter unterschiedenes Wesen erkennen.

    Beauvoir spricht von der mehr oder weniger gewaltsamen Ablösung vom nahrungspendenden Körper der Mutter und der katastrophalen Entdeckung der Einsamkeit und des Geworfenseins in einer fremden Welt.


    Mir erscheint das als ein Ausdruck der zu Beginn des 20.Jhs noch vorherrschenden rigiden Erziehung.

    Was hier nicht angesprochen wird ist der unbedingte Willen eines jeden Kindes, eigene Erfahrungen zu machen, sich selbst fortzubewegen. Natürlich ist das immer wieder mit der Rückversicherung nach der Präsenz der Eltern verbunden.

  • Ich bin immer noch mit dem "Werdegang" beschäftigt, über einige Themen muss ich näher nachdenken und ich finde, hier merkt man besonders, dass Beauvoir aus einer doch sehr privilegierten Familie kommt und viele Berichte auch aus wohlhabenden Haushalten stammen.

    In der Lebenswelt einfacher Familien kommen Ammen, Kindermädchen und Hausangestellte eben nicht vor und mir erscheinen die Schilderungen von der Beschäftigung mit dem Penis eines Säuglings eher absonderlich.

  • Das geht mir ähnlich. Wie ich schon schrieb, komme ich diese und nächste Woche kaum voran, aber einen Teil des Kindheitskapitels habe ich auch schon gelesen. Ich glaube, diese Erörterung der ganzen Phasen beim Kleinkind sind doch noch sehr der klassischen Psychoanalyse verpflichtet,. die in der Mitte des letzten Jahrhunderts wohl noch eine größere Rolle spielt als heute, wo viel mehr Ansätze miteinander konkurrieren und man gemeinhin nicht mehr so ideologisch fixiert ist.
    Ich finde diese Sachen zum Teil auch an den Haaren herbeigezogen und glaube, dass das eigentliche Rollenverhalten etwas später, so ab dem dritten, vierten Jahr anerzogen wird und sich weniger aus Penisneid und ähnlichem ergibt, sondern, wie Beauvoir es auch beschreibt, daraus dass Jungen die körperliche Zuwendung früher systematisch aberzogen wurde. Heute ist das zum Teil anders, aber die Peergroup erfüllt hier viele Rollenfunktionen, die den Jungen das Coolsein antrainiert, was auch leicht zum Macho-Verhalten führt. Vielleicht kommt das noch später im Jugend-Kapitel.

  • Mittlerweile bin ich durch, einige der Kapitel habe ich aufmerksamer gelesen als andere.

    Angetan hatte es mir vor allem der zweite Teil und das Kapitel V "die verheiratete Frau". In meiner Jugend waren die meisten Mütter noch Hausfrauen. Vieles aus diesem Kapitel kommt mir doch sehr vertraut vor.

    "Durch die Hausarbeit realisiert die Frau einen Aneignungsprozess: sie nimmt ihr "Nest" in Besitz......Aus der Betreuung des Hauses bezieht sie ihre soziale Rechtfertigung."

    Ich erinnere mich an etliche Mütter von Freundinnen, die exzessive Putzrituale pflegten und regelrechte Putzteufel waren.


    Bei allem, was auch heute noch zu erreichen bleibt, hat es doch gewaltige Fortschritte gegeben, die das Leben der meisten Frauen in vielen Ländern deutlich verbessert haben.

    Besonders die Möglichkeit, einen erfüllenden Beruf auszuüben, der die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen ermöglicht und die modernen Möglichkeiten der Empfängnisverhütung haben die Welt deutlich verändert.

  • Ich bin immer noch mitten in dem Kindheitskapitel, aber da auch ganz deiner Meinung, Rumpelstilzchen . Schon in meiner Kindheit in den 60ern gab es auch genügend geschlechtsneutrales Spielzeug wie Stofftiere und Spiele, dass wir Kinder zwar ausgeprägte Vorlieben, aber nicht unbedingt geschlechtsspezifische hatten,

    Aber die Rollenzuweisung wurde schon noch vorgelebt, tatsächlich viel weniger von meinem Vater als von meiner Mutter, da hat Beauvoir schon Recht. Die Frauen haben selbst an ihrem Sklaventum durch dessen Tradierung einen nicht unerheblichen Anteil. Und heute erlebe ich das ganz häufig noch besonders stark bei Familien aus islamischen, aber auch katholisch geprägten Mittelmeerländern. Aber auch da sagen eigentlich keine Mädchen, dass sie sich eine Zukunft als Hausfrau und Mutter wünschen, sondern alle wollen "erstmal" einen Beruf erlernen und darin auch Karriere machen. Familiengründung rangiert danach.

  • Sklaventum? Meine Großmütter waren Nur-Hausfrauen und -Mütter und haben sich bestimmt nicht als Sklavinnen ihrer Ehemänner empfunden. Es war vielmehr eine Arbeitsteilung mit entsprechender Entscheidungsgewalt. Ihre Fähigkeiten haben sie besonders in den Kriegs- und Nachkriegsjahren bewiesen, als sie das Überleben der Familie oft allein managen mussten, weil meine Großväter an der Front oder in Kriegsgefangenschaft waren.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Sicher, das gab es und gibt es immer noch. Aber ebenso hat es immer auch Ehen gegeben, in denen sich Frau und Mann gegenseitig respektiert und vertraut haben. Mir kommt in dem Buch die Liebe zu kurz - als wäre alles nur immer Geschlechterkampf und keinerlei Gemeinsamkeit.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Tante Li : Das ist ja auch eine soziologische Untersuchung, die auf allgemeine Strukturen aufmerksam machen will. Selbstverständlich gab es gelungene Beziehungen, in denen die Frau dem Mann Partnerin und nicht Dienerin war. Beauvoir schreibt hier von der allgemeinen Situation der Frau durch die Jahrhunderte, und da war die Frau oft in dem Sinne eine Sklavin, als sie unfrei war, d.h. keine eigenen Güter besitzen durfte und keine Entscheidungsfreiheit zu ihrer beruflichen und anderen Selbstbestimmung hatte. Da mag sie mit dem Mann ihrer Träume noch so partnerschaftlich gelebt haben. Wäre es zu Konflikten legislativer Art gekommen, hätte sie sehr schnell ihre Grenzen erkannt.

    Ich hinke dir uneinholbar hinterher, Rumpelstilzchen . Heute habe ich dreißig Seiten geschafft, was nur einer kurzen Krankschreibung zu verdanken ist, aber ich bin immer noch im Kindheitskapitel. Du wirst also immer aus deiner Erinnerung schöpfen müssen und das hoffentlich tun, denn ich bin ganz sicher noch im nächsten Jahr mit dem Buch beschäftigt.

    Im Kindheitskapitel geht es im zweiten Teil besonders um den psychisch oft katastrophal erlebten Einschnitt der ersten Menstruation. Diese wurde anscheinend noch zu Beauvoirs Zeiten als Tabu erlebt, und heute noch ist es ja auch so, dass Frauen nicht unbedingt offen über Themen in diesem Zusammenhang reden und sich sehr diskret zurückziehen, um sich zu säubern und zu versorgen, wenn sie ihre Tage haben.