Der Büchereulen-Adventskalender 2020

  • Der 21. Dezember von Sabsi74



    Winterliche Überraschung


    „Muss ich wirklich über das Wochenende zu Tante Doris und Onkel Fritz?“ „Angela, du bist mit deinen 8 Jahren verdammt quengelig“ sagte Angelas Mutter fast schon entnervt. „Du weißt das dein Vater und ich Geschäftlich über das Wochenende wegmüssen und Oma schon in ihrem Weihnachtsurlaub ist. Dir wird es übers Wochenende bei Tante Doris gefallen, Silvia und Bernd sind auch da und werden mit Sicherheit was mit dir unternehmen.“ Angela fing an zu strahlen, Silvia, ihre Cousine sollte auch da sein. OK, es gab Hoffnung für dieses Wochenende. Ihre Cousine war älter als sie, eigentlich nur 9 Jahre aber für eine 8-jährige sind 9 Jahre Lichtjahre entfernt von ihrem Alter. Sie mochte Silvia, denn trotz des Altersunterschiedes hatten sie immer eine Menge Spaß zusammen. Bernd, ihr Cousin, war noch älter und zu ihm hatte sie so gut wie keinen Draht, er konnte wahrscheinlich nicht so gut mit Kindern. „Angi, nun komm endlich aus den Gängen und hör auf rumzutrödeln!“ Ok, jetzt war ihre Mutter wirklich entnervt und sie sollte es nicht weiter auf die Spitze treiben. In ihrer dicken Jacke stand sie mit ihrem gepackten Köfferchen im Flur, schaute hoch zu ihrem Vater und zog einen Schmollmund. „Engelchen, nun schau mich nicht so an. Ich kann doch auch nichts dafür“ entgegnete ihr Vater sanft. Sie war definitiv ein Papa Kind und wusste genau wie sie ihren Vater um den Finger wickeln konnte.Es half alles nichts, also auf zu ihrer Tante und ihrem Onkel aufs Land.Je weiter sie die Stadt hinter sich ließen um so weißer wurde die Landschaft. Schnee !!!!! In der Stadt machte Schnee keinen Spaß. denn er mutierte ziemlich schnell einfach nur zu Matsch. Die Autofahrt war lang und Angela müde als sie bei ihrer Tante endlich ankamen. Ihr Vater übergab sein Engelchen schnell in die Obhut seiner Schwester, drückte sie noch einmal fest und stieg wieder ins Auto. Ihre Mutter warf ihr noch eine Menge Kusshände zu die sie zurück warf und dann verschwand sie in das warme gemütliche Haus von Tante Doris. Nach einem kurzen Abendessen machten es sich Tante Doris und Angela auf der Couch bequem. Tante Doris hatte einen Disney Klassiker organisiert und so mummelten sie sich in Decken ein und schauten Cinderella. „Sag mal Tante Doris“ fragte Angela „wo sind eigentlich all die anderen?“ Tante Doris lächelte ihre Nichte an und sagt „Onkel Fritz hat heute Kegelabend, der kommt erst spät nach Hause. Bernd ist mit seinen Freunden unterwegs, den wirst du nur mit viel Glück dieses Wochenende sehen, denn entweder schläft er, oder ist mit seinen Freunden unterwegs. Sylvie ist mit ihrer Freundin im Kino und freut sich schon auf das Wochenende mit dir. Ihr seht euch morgen früh beim Frühstück.“ Am nächsten morgen krabbelte Angela aus ihrem Bett und lugte zwischen den Vorhängen hinaus. Mit strahlenden Augen riss sie die Vorhänge auf, alles war weiß. Nicht nur „gepuderzuckert“ wie ihr Vater immer sagte, sondern richtig dicker Schnee. Hui, das wird ein toller Tag dachte Angie sich und huschte ins Bad um sich anzuziehen. Als sie nach unten kam, saßen alle anderen, außer Bernd, bereits am Frühstückstisch. „Guten Morgen mein Engelchen, was habe ich dich vermisst!“ Nur zwei Menschen nannten sie Engelchen, Silvia und ihr Vater. „Ich habe mir für heute etwas tolles für uns überlegt“ zwinkerte Silvia ihr zu, „warst du schon einmal Schlittschuhlaufen?“ Angelas Augen weiteten sich „Ja, ein oder zweimal mit meiner Freundin und ihrer Mutter, aber ich kann es nicht besonders gut“ „Mhh“ machte Silvia, „dann wollen wir das an diesem Wochenende einmal ändern. Der See hier ist fest zugefroren und wir können gefahrlos Schlittschuhlaufen gehen“. Ja! Dachte Angela, daß wird ein super Wochenende! Sie verbrachte ein wundervolles Wochenende mit ihrer Cousine, mit viel Lachen, leckerem Essen, einem gemütlichen Abend und auch mit ein paar blauen Flecken. Eislaufen sah ja so einfach aus, aber es hat Angela viel Anstrengung und eine Menge blauer Flecken gekostet, doch jetzt konnte sie sich einigermaßen sicher und alleine auf Schlittschuhen halten. Am Sonntagabend holten ihre Eltern sie bei ihrer Tante wieder ab um wieder nach Hause in die Großstadt zu fahren. „Hattest du ein schönes Wochenende?“ fragte ihre Mutter liebevoll. „Ja und wie, Silvie hat mir Schlittschuhlaufen beigebracht. Ich weiß auch jetzt was ich mir zu Weihnachten wünsche.“ „Was denn? Einen neuen Pullover und ein paar Socken“ fragte ihr Vater scherzhaft. „ Neeeiiiiin!“ rief Angela „natürlich nicht! Ich wünsche mir Schlittschuhe zu Weihnachten!“ „Na dann wollen wir mal sehen ob der Weihnachtsmann das hinbekommt“ entgegnete ihre Mutter. Weihnachten kam schneller als Angela erwartet hatte, und sie bekam zu Weihnachten ihren Wunsch erfüllt und ihre Eltern schenkten ihr ein paar neue Schlittschuhe. Die ganzen Weihnachtstage lief Angela schon im Haus mit den Schlittschuhen an ihren Füßen herum. Natürlich mit einem Kufen Überzug. Die Schuhe mussten ja schließlich eingetragen werden! „Papa, gehst du mit mir Schlittschuhlaufen nach Weihnachten? Biiiittteee.“ „Ach Engelchen, du weißt doch zwischen Weihnachten und Neujahr steht die Inventur bei uns an und da werden Mama und ich keine Zeit haben.“ Angela zog eine Schnute, und schaute ihren Vater mit großen Augen an. Mit schwerem Herzen wand sich ihr Vater ab, denn er konnte diesen Anblick nicht ertragen. Angela fing heftig an zu weinen und verzog sich in die Arme ihrer Mutter. Angela verbrachte den ganzen Abend auf der Couch eingekuschelt mit ihrer Mutter und sah fern. Ihr Vater hingegen wuselte den ganzen Abend im Haus rum und ging jede Stunde mit einem Eimer raus auf den Hof. „Sag mal was macht Papa da eigentlich?“ fragte Angela irgendwann neugierig. „Ich habe keine Ahnung!“ sagte ihre Mutter, „aber lassen wir ihn einfach mal in Ruhe.“ Selbst als Angela an diesem Abend ins Bett ging, rannte ihr Vater ständig in den Garten, und das bei dieser Kälte dachte Angela. Immer noch traurig darüber, dass Angela nicht Eislaufen gehen konnte saßen sie alle drei am Frühstückstisch. Ihr Vater hatte unglaublich gute Laune, was Angela irgendwie seltsam vorkam. Normalerweise war ihr Vater ein Morgenmuffel der sich beim Frühstück hinter der Morgenzeitung versteckte. „So mein Engelchen“ sagte ihr Vater „jetzt gehst du bitte in dein Zimmer und ziehst dir etwas Warmes an, dann kommst du bitte in den Garten ich habe eine Überraschung für dich. Bitte nicht trödeln du weißt ich muss gleich ins Geschäft.“ Wie ein geölter Blitz zog sich Angela an und ging in den Garten wo ihr Vater sie erwartet. Der Garten war der ganze Stolz ihres Vaters, gut gepflegter Rasen in der Mitte geteilt mit einem gefliesten Gang bis zum Gartentor am Ende. „So mein Engelchen, da du nicht auf die Eisbahn kannst, kommt die Eisbahn halt zu dir!“ Angela sah verständnislos ihren Vater an. „Ich habe dir letzte Nacht eine Schlittschuhbahn gebaut. Der Gang ! Er ist eine einzige Eisfläche wo du Schlittschuhlaufen üben kannst, aber nur wenn jemand von uns hier ist!“ Angela strahlte ihren Vater an, er hatte für sie das unmögliche möglich gemacht. Er hatte ihr eine Schlittschuhbahn gebaut, und ist den vergangen Abend und Nacht immer wieder raus gegangen um Wasser über den Gang zu kippen. „Aber Walter“, sagte ihre Mutter „das macht doch die ganzen Fliesen kaputt!“ „Ach was soll es! In ein paar Jahren ist Angela alt genug alleine ins Eisstadion zu fahren wenn wir keine Zeit haben, und ich wollte sowieso neue Platten legen! Für mein Engelchen mache ich alles!“


    Diese Geschichte ist zum Teil Fiktion und zum Teil wirklich passiert. Ich hatte tatsächlich als Kind eine Schlittschuhbahn im Garten, und ich möchte diese Geschichte allen Vätern widmen, die versuchen für ihre Kinder das unmögliche, möglich zu machen.


    Für meinen Papa

    W.M. *21.12.1935 †17.04.2012

  • Der 22. Dezember von R. Bote



    Weihnachten für zwei


    Das Altstadt-Lichtspielhaus war das älteste und auch das kleinste Kino der Stadt. Es lag da, wo der Name vermuten ließ, nämlich am Rand der Altstadt, und war in einem ehemaligen Bürgerhaus untergebracht. Es verfügte über drei Säle, einer davon in einem Anbau, aber keiner davon fasste mehr als 70 Personen.

    Trotz der Konkurrenz durch das große Multiplex-Kino am Stadtrand mit seinen 15 Sälen erfreute sich das Altstadt-Lichtspielhaus großer Beliebtheit. Klar konnte bei drei Sälen nicht jeder aktuelle Film fünfmal am Tag gezeigt werden, aber sie wurden doch alle gezeigt, und dazwischen tauchten immer wieder Filme auf, die man sonst kaum irgendwo zu sehen bekam. Bei Familien war der Kinderfilm am Sonntagnachmittag beliebt, immer um 14 Uhr in Saal 2 – manche von den Filmen, die da gezeigt wurden, liefen in ganz Deutschland nicht mal in einem Dutzend Kinos. Dazu kam, dass ein Familiennachmittag im Kino im Altstadt-Lichtspielhaus deutlich günstiger kam als bei der Konkurrenz, der Eintritt kostete weniger, und auch Getränke und Süßigkeiten waren billiger.

    Das Altstadt-Lichtspielhaus war Familienbesitz, inzwischen stand bereits die dritte Generation am Ruder, und die vierte wirkte hinter den Kulissen auch schon mit. Die Inhaber hatten zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, und beide arbeiteten neben der Schule im Kino mit. Bei Sophia, der Tochter, war es noch recht wenig, einfach, weil sie noch nicht so viel machen durfte mit ihren zwölf Jahren. Ihr Bruder dagegen, Till, war schon 16 und jobbte regelmäßig am Einlass, am Kiosk und an den Projektoren. Außerdem betreute er die Website des Kinos und hatte es geschafft, ein Shopsystem einzurichten, sodass Kunden die Karten jetzt auch online kaufen konnten.

    Außer den Familienmitgliedern gab es noch zwei Aushilfen, die regelmäßig im Kino mitarbeiteten. Die eine war eine Hausfrau, die wegen ihrer Kinder den Job aufgegeben hatte und hinterher nicht wieder reingekommen war. Die andere war Nelly, die mit einer Klassenkameradin von Till befreundet war. Besagte Freundin hatte auch den Kontakt vermittelt, als Nelly auf der Suche nach einem Job gewesen war, mit dem sie sich ihr Taschengeld aufbessern konnte. Sie liebte Filme, deshalb war das Altstadt-Lichtspielhaus ihre erste Anlaufstelle gewesen, und sie hatte Glück gehabt. Der Rentner, der sich bis vor einem Vierteljahr mit dem Job etwas zu seiner schmalen Rente dazuverdient hatte, war gesundheitlich nicht mehr gut zurecht und konnte nur noch sporadisch kommen. Tills Eltern hatten also einen Ersatz benötigt, und Nelly hatte den Job bekommen.

    Till freute sich, denn Nelly war echt nett, und es war immer lustig, wenn sie zusammen Schicht hatten. Selbst wenn sie an der Kasse und am Kiosk beschäftigt war und er mit der Vorführtechnik, Zeit, miteinander zu quatschen, fanden sie zwischendurch immer mal. Wenn in allen drei Sälen der Hauptfilm lief, dann musste Till nicht die ganze Zeit daneben stehen, und an der Kasse und am Kiosk war dann auch nicht viel los, bis die Leute kamen, die in den nächsten Film wollten.


    ***


    An Heiligabend war das Kino ab nachmittags geschlossen, denn Tills Eltern wollten mit ihren Kindern in Ruhe Weihnachten feiern. Am ersten und zweiten Weihnachtstag war dagegen ganz normal geöffnet, und gerade am 26. war oft ganz schön was los. Offenbar waren die Leute dankbar, wenn sie nach Familienfeiern, Liedern unterm Weihnachtsbaum und Völlerei mal wieder rauskamen, und da viele andere Ausflugsziele geschlossen hatten, gingen sie eben ins Kino. Auch in Zeiten, in denen sich die Streamingdienste einen Wettkampf um die Kunden lieferten, klappte das noch; die Kundenzahlen mochten zurückgegangen sein, aber das Gefühl, rauszugehen und sich was zu gönnen, gab es noch nicht über die Internetleitung.

    Am ersten Feiertag hielt sich der Andrang meistens in Grenzen. Deshalb war das auch der richtige Zeitpunkt für Tills Eltern, sich eine Auszeit zu nehmen, sie würden rausfahren aufs Land, einen langen Spaziergang machen und irgendwo gut essen. Um das Altstadt-Lichtspielhaus brauchten sie sich keine Sorgen zu machen, Till würde den Laden schon schmeißen. Mittags half Sophia ihm und besetzte die Kasse, später würde Nelly sie ablösen. Till freute sich darauf, denn die Abendvorstellungen würden an diesem Tag erfahrungsgemäß kaum Publikum haben. Für ihn hieß das: keine Leute, die Cola oder Eis haben wollten, Nelly würde also Zeit haben.

    Sophia verabschiedete sich, sobald die Spätnachmittagsvorstellungen begonnen hatten. Eine Weile würde Till jetzt auch allein zurechtkommen, und Nelly hatte versprochen, da zu sein, wenn die ersten Leute für die Abendvorstellungen kommen würden. Die meisten hingen nicht ewig lange vor der Vorstellung schon im Foyer ab, es reichte, wenn die Kasse ab einer halben Stunde vor Beginn der Vorstellungen wieder durchgehend besetzt sein würde – falls denn überhaupt jemand kam, denn ein Blick in den Computer verriet Till, dass es keine Vorverkäufe gab, und das schlechte Wetter würde auch Kurzentschlossene abschrecken. Es regnete schon den ganzen Tag, aber am späten Nachmittag wurde der Regen stärker, und windig wurde es auch noch.

    Nelly bekam die volle Breitseite. Sie fuhr zwar den größten Teil der Strecke mit dem Bus, aber das kurze Stück, das sie von der nächsten Haltestelle aus laufen musste, reichte, um nass zu werden. Weil der Wind die ganze Zeit blies, nutzte ihr auch der Schirm nicht allzu viel.

    Till sah, dass sie kaum noch einen trockenen Faden am Leib hatte. „Geh erst mal nach oben!“, forderte er sie auf. „Sophia soll dir was zum Anziehen aus meinem Schrank raussuchen. Sonst liegst du morgen mit einer fetten Erkältung flach.“

    Er wohnte mit seinen Eltern und seiner Schwester im gleichen Haus, in einer weitläufigen Wohnung unter dem Dach. Nelly nickte dankbar und verschwand wieder, wobei sie eine leichte Tropfspur hinterließ. Fünf Minuten später war sie wieder da, bekleidet mit einer Trainingshose und einem Sweatshirt von Till. Das war vielleicht nicht die optimale Kleidung für den Job im Kino, aber dass ihr seine Jeans nicht passen würden, hatte Till sich schon gedacht. Die paar Zuschauer, die zu den Abendvorstellungen kamen, würde es schon nicht stören, wenn sie es überhaupt bemerkten; solange Nelly hinter dem Tresen saß, sah man ihre Beine ja nicht.

    Als Oberteil hatte Sophia ausgleichshalber seinen Lieblingspulli erwischt, das grüne Sweatshirt mit der Stickerei links auf der Brust, die ein bewaldetes Gebirge zeigte. Till hatte den Verdacht, dass das kein Zufall war, denn er wusste, dass dieses Sweatshirt weder ganz oben auf dem Stapel in seinem Schrank gelegen hatte, noch etwa das einzige war, das Nelly passte. Er wusste auch, dass Sophia wusste, dass das Sweatshirt unter allen Oberteilen, die er besaß, sein Favorit war – witterte sie etwas, von wegen „Weihnachten, das Fest der Liebe“ und so? Dass sie ihn bloß ärgern wollte, schloss er aus, zumal sie wusste, dass er Nelly mochte und es ihn deshalb nicht stören würde, wenn sie sein Lieblingssweatshirt trug.


    ***


    Ob es nur das Wetter war, oder ob es noch andere Gründe dafür gab, ließ sich nicht mit Sicherheit sagen, aber an diesem Weihnachtsabend lockten die letzten Vorstellungen keine Zuschauer mehr an. „Kommt keiner mehr“, stellte Till fest, nachdem er noch mal im Computer nach Vorbestellungen geschaut und auch einen Blick nach draußen geworfen hatte. „Dann lass uns abschließen und aufräumen!“

    Er wollte losgehen, um die Projektoren abzuschalten, aber Nelly hielt ihn zurück. „Ich hab noch keine Lust, nach Hause zu gehen“, sagte sie. „Wollen wir uns zusammen einen Film angucken? In eurem riesigen Archiv finden wir doch bestimmt einen, den du nicht schon tausend Mal gesehen hast.“

    Die Idee gefiel Till. Also ließ er den Projektor im kleinsten Saal laufen und suchte einen Film aus, von dem er glaubte, dass er Nelly bestimmt gefallen würde. Das funktionierte alles digital; auch wenn das Altstadt-Lichtspielhaus klein war und etliche Jahrzehnte auf dem Buckel hatte, war die Technik doch auf einem aktuellen Stand. Er selbst kannte den Film schon, hatte ihn aber auch schon länger nicht mehr gesehen.

    Nelly hatte in der Zwischenzeit ein Tablett mit Getränken und Süßigkeiten fertiggemacht und dann den Kiosk geputzt. Auch der Rest war gemeinsam schnell erledigt, nicht zuletzt, weil insgesamt an diesem Tag nicht viele Zuschauer da gewesen waren und dementsprechend wenig Schmutz angefallen war.

    Während Nelly vorging in den Saal, musste Till noch einen kleinen Umweg machen, um alle Lichter im Saal abzuschalten bis auf die kleinen Lampen, die den Weg zu den Notausgängen wiesen, und die Wiedergabe des Films zu starten. Als er den Saal betrat, hatte Nelly sich schon gesetzt, natürlich hinten in der Loge. Dort waren die Sitze etwas komfortabler, auf der niedrigen Balustrade war ein schmales Brett angebracht, auf dem man Getränke und Snacks abstellen konnte, und die Armlehnen ließen sich anders als in den anderen Reihen hochklappen. Deshalb erfreute sich die Loge bei Pärchen großer Beliebtheit, trotz des Aufpreises, aber Till hatte auch schon beobachtet, dass das Mädchen die Armlehne, die der Junge hochgeklappt hatte, doch lieber wieder runterklappte.

    Nelly hatte es genau umgekehrt gemacht, die Lehne links von ihr war hochgeklappt, und daraus, wo sie die Getränke abgestellt hatte, konnte Till ableiten, dass das die Seite war, die sie ihm zugedacht hatte. Er hatte nichts dagegen, setzte sich und lehnte sich entspannt zurück.

    Natürlich merkte er, dass Nelly näher an ihn heranrückte. Zuerst war sie ganz vorsichtig, sodass es immer noch Zufall hätte sein können, doch als sie merkte, dass er sich nicht wehrte, wurde sie mutiger. Bald saß sie so dicht neben ihm, dass ihre Hand leicht seine berührte, und das war für ihn der richtige Zeitpunkt, ihr einen Arm um die Schultern zu legen. Nelly sah ihn von der Seite an, etwas überrascht, auch etwas verlegen, weil er gemerkt hatte, was sie wollte, vor allem aber glücklich. Weil sie wusste, dass sie es durfte, kuschelte sie sich an ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Frohe Weihnachten!“, flüsterte sie.

  • Der 23. Dezember von Tom



    Lichtspiele (Chasing Chase)


    „Haben Sie keine längeren Ketten?“, fragte ich, schon etwas verzweifelt. „Also, so hundert, zweihundert Meter am Stück, mit Abzweigungen und so, damit ich nicht tausend Steckdosen brauche?“ Und fünfzig Mal aufs Dach klettern muss, ergänzte ich in Gedanken.


    Der Verkäufer zog die Stirn kraus, aber er lächelte. „Da wird der Innenwiderstand der Kabel zu groß. Ich glaube nicht, dass es so etwas im Consumer-Bereich gibt. Was wollen Sie denn machen?“ Der Mann war in Fliegerjacke, Holzfällerhemd, abgetragene Jeans und Dockers gekleidet, sein Gesicht war leicht gebräunt und faltig, wie bei jemandem, der viel Zeit in der Natur verbrachte. Sein Haar war nachlässig frisiert, aber für sein Alter - ich schätzte ihn auf Anfang fünfzig - noch ziemlich kräftig und voll. Jemand, zu dem man sich gerne für ein paar Biere an einen Tresen in einer Bar setzte. Und der einem dann erzählte, wie man - nur mit einem Schnitzmesser und einer Rolle Garn als Werkzeug - eine wohnliche, zweistöckige Holzhütte im Wald errichtete, mit Carport, Kamin und Saunalandschaft.


    Ich seufzte und überlegte dabei, wie es angefangen hatte, und weil ich den Mann sympathisch fand, erzählte ich es. „Wir haben damals, so vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren, zum ersten Mal diesen Weihnachtsfilm gesehen, mein Nachbar Walter mit seiner Familie und ich mit meiner, den mit Chevy Chase und Beverly D’Angelo, im Original heißt er ‚National Lampoon’s Christmas Vacation‘. Hier kennen ihn alle als ‚Schöne Bescherung‘.“


    Er nickte lächelnd. „Der Film, in dem Chevy Chase versucht, sein Haus mit zehntausenden Lämpchen aus Italien zu dekorieren, wobei alles schiefgeht, was schiefgehen kann? Klar, das ist ein Klassiker. Den kennt jeder, oder? Ich glaube, dass er entscheidend dazu beigetragen hat, dass sich die Leute heutzutage dabei zu übertrumpfen versuchen, ihre Häuser möglichst aufwendig zu schmücken.“ Er breitete die Arme aus. „Ich profitiere ja in gewisser Weise davon.“ Sein großer Marktstand mit allerlei festlichem Beleuchtungsmaterial auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums war längst kein Geheimtipp mehr. Ich war früh dran an diesem Tag; ab mittags und an den Wochenenden wartete eine lange Schlange von Männern darauf, bei ihm Lichterketten zu kaufen, die es nirgendwo sonst gab - länger, heller, günstiger, ohne Flackerschnickschnack, aber dafür sehr verlässlich. Frauen sah man hier selten.


    „Genau dieser Film“, bestätigte ich nickend. „Er ist bei uns zum Ritual geworden. Wir haben uns diesen schrecklichen Pullover besorgt, den Chase an Heiligabend trägt, wir haben diese Gläser mit Rentiergeweihen gefunden, wir trinken Eierpunsch und lesen uns die Weihnachtsgeschichte vor, obwohl wir allesamt Atheisten sind. Wir versuchen sogar, viel zu groß geratene Weihnachtsbäume zu kaufen und dann nur den unteren Teil in unsere Wohnzimmer zu stellen. Das ist ein Riesenspaß.“ Ich pausierte. „Obwohl sich der Film natürlich mit der Zeit etwas abnutzt, und wir sind ja keine Teenager mehr, die fünfzig Mal nacheinander bei ‚Rocky Horror‘ abfeiern und alle Schauspieler synchronisieren können. Aber das Ritual ist immer noch sehr schön. Wir braten Truthähne, wir packen manchmal sogar glibbrige Götterspeise als Geschenk ein. Und Walter hat einmal ein Päckchen mit seiner Katze darin mitgebracht.“ Ich musste beim Gedanken daran schmunzeln, aber Lisa hätte ihn damals am liebsten massakriert. Lisa ertrug es nicht, wenn man Tiere quälte, und sei es auch nur auf sehr harmlose Weise. An Spätsommerabenden trug sie sogar einzeln mit den Händen gefangene Mücken aus dem Schlafzimmer nach draußen.


    „Und früher oder später hat es die weihnachtliche Außenbeleuchtung erwischt“, sagte er.


    Ich nickte: „Genau genommen hat es damit angefangen, aber seit ein paar Jahren ist es ein richtiger Wettbewerb, der pünktlich am ersten Advent losgeht. Walter hat Netze aus Lichterketten über das Dach, alle Seitenwände und die Fassade von Haus und Geräteschuppen gespannt. Er hat letztes Jahr vier Tage gebraucht, um das Haus, das Grundstück und alle Bäume zu schmücken. Es sah aus, als hätte ein Lastflugzeug in großer Höhe eine gewaltige Ladung LEDs verloren. Ich konnte kaum noch mithalten.“


    „Dann lassen Sie’s doch. Seien Sie ein respektvoller Verlierer.“


    „Vor ein paar Jahren hätte ich Ihnen da noch zugestimmt“, erwiderte ich. „Aber inzwischen glaube ich, dass meine Frau das als eine Art Maß für Männlichkeit und Glauben an die eigene Familie betrachtet.“ Keine Ahnung, warum ich das diesem Mann erzählte. „Das ist eigentlich eigenartig und nicht wirklich ihre Art, aber sie redet von Walters Lichtdekoration, als würde er die Welt im Allgemeinen und das Weihnachtsfest speziell retten. Ich muss ihn auf die Plätze verweisen. Und bisher habe ich das auch jedes Jahr geschafft. Letztes Jahr habe ich zusätzlich ein Zelt aus Lichtern über das gesamte Grundstück gebaut, quasi ein Haus über dem Haus, rund um einen hohen Holzpfeiler, den ich extra habe aufstellen lassen. Aber jetzt weiß ich wirklich nicht mehr weiter.“ Ich hob die Hände. „Helfen Sie mir!“


    Er sah an seinem Sortiment entlang, das auf vier großen Tischen vor uns lag. Ich holte mein Smartphone hervor und präsentierte ihm ein Foto, das Walters Grundstück im vorigen Jahr zeigte, und dann unseres. Er pfiff durch die Zähne. „Alle Achtung“, sagte er. „Chevy Chase wäre stolz auf Sie.“


    „Aber Walter hat in diesem Jahr etwas wirklich Großes vor. Vor ein paar Tagen war eine Gerüstbaufirma bei ihm und hat das Gelände besichtigt.“


    Eine Weile sagte er nichts, legte den Kopf in den Nacken, sah zum bedeckten Dezemberhimmel - und dann murmelte er: „Mmh. Möglicherweise hätte ich da eine Idee. Etwas, das nicht mehr zu toppen wäre. Sie hätten diese Sache ein für alle Mal hinter sich.“


    „Das will ich. Her damit!“


    „Aber das wird teuer. Ich meine, so richtig teuer.“


    Ich antwortete mit einem Satz, den ich schon immer mal sagen wollte, obwohl er nicht ganz zutraf, aber meine unbedingte Bereitschaft unterstreichen würde, und ich nahm ohnehin nicht an, dass es um Zehn- oder Hunderttausende gehen würde. „Geld spielt keine Rolle“, erklärte ich feierlich.


    Der Mann grinste und nickte. „Es ist möglicherweise ein bisschen illegal.“


    „Solange ich niemanden umbringen muss …“


    Er reichte mir die Hand. „Ich habe früher für das Projekt Skyvolt gearbeitet. Sagt Ihnen das was?“


    Ich schüttelte den Kopf, da lächelte er und sagte: „Auch egal. Wir brauchen eine Nebelmaschine, die kräftig genug für den Außeneinsatz ist. Und wir brauchen Pailletten. Große Mengen Pailletten.“


    Pailletten?“, fragte ich.


    Er nickte. „Am besten aufgereiht oder an Netzen. Ich kümmere mich darum, aber das wird ein paar Tage dauern. Wir müssen einen Steiger mieten. Und ich brauche Ihre Adresse. Eigentlich brauche ich die Koordinaten Ihres Hauses. Und zwar möglichst präzise, also auf den Meter genau.“


    „Wird gemacht“, bestätigte ich.


    Er rieb sich die Hände. „Das wird legendär“, sagte er lächelnd. „Vertrauen Sie mir.“ Dabei sah er kurz zu mir, und für einen Moment geriet ein Hauch von Zweifel in seine Holzfällermimik.



    Das Haus sah toll aus, so über und über mit Pailletten bedeckt, aber nicht wirklich beeindruckend. Ich musste an ein Konzert von Marc Almond denken, das ich vor Ewigkeiten gesehen hatte, in einer sehr kleinen, intimen Halle. Der Mann war nach der Pause in einem paillettenbesetzten Anzug auf die leicht vernebelte Bühne zurückgekehrt, glitzernd und schillernd, und dann hatte er sich etwas verschämt verneigt und sehr liebenswürdig „This is for you“ ins Mikrofon gehaucht, woraufhin das Hallenlicht bis auf vier starke Spots ausging. Die Spots wurden dann ruckartig auf den Sänger gerichtet und verwandelten ihn in eine strahlende, blendende Figur, die in diesem Augenblick die Arme ausbreitete. Dem gesamten Publikum stockte der Atem, und kurz darauf brach es in tosenden Applaus aus. Ein echter Gänsehautmoment.


    „Hier fehlt eine Lichtquelle“, sagte ich zu dem Lichterkettenverkäufer, der die Arbeiten beaufsichtigt hatte. Er hieß auch Mark und lächelte jetzt nickend.


    Und dann schaute er zum Himmel, der sich dunkel kobaltblau gab. Es war halb fünf, die Sonne war bereits untergegangen. Mein Blick folgt seinem, aber außer ein paar Sternen war da nichts zu sehen.


    „Das Projekt Skyvolt“, sagte er, weiter nach oben blickend. „Es ist ein bisschen in Vergessenheit geraten. Das war Anfang der Nullerjahre. Ein reicher Spinner aus Amerika.“ Er lachte. „Es sind ja immer reiche Spinner aus Amerika. Er wollte geostationäre Satelliten ins All bringen, hunderte davon, die mit einer aufwendigen Optik das Sonnenlicht einfangen und auf spezielle Solaranlagen am Boden fokussieren sollten. Aufgrund der Höhe hätte das auch nachts funktioniert, und das Licht wäre so stark gewesen, dass ihm auch Hochnebel und leichte Bewölkung nichts ausgemacht hätten. Und man hätte auf sehr kleiner Fläche große Mengen Energie gewinnen können.“


    „Nie davon gehört.“


    Er zuckte die Schultern. „Es starb sehr schnell wieder, weil der reiche Spinner das Interesse verlor und die Finanzierung ausging, aber zwei Satelliten sind ins All geschickt worden, die da immer noch herumfliegen. Also eigentlich stehen sie still, geostationär eben. Einer davon ungefähr über Marokko.“


    „Warum erzählen Sie mir das?“ Lisas Auto hielt am Gehweg, sie stieg aus, kam zu uns, umarmte mich kurz von hinten und sah dann zum Haus. „Das ist hübsch“, sagte sie. „Aber nachts wird wohl nicht viel mehr als ein bescheidenes Funkeln zu sehen sein, oder? Je nachdem, wie voll der Mond ist. Ich denke, diese Runde geht an Walter.“


    „Moment noch“, sagte Mark und sah auf seine Smartwatch. „Ein Freund von mir wartet die IT, mit der unter anderem die beiden noch verbliebenen Skyvolt-Satelliten gesteuert werden. Er hat sich da schon vor Jahren reingehackt, aber bis heute gab es keine Gelegenheit, um den Zugang zu nutzen.“ Er räusperte sich. „Wir haben die Brennweite so gewählt, dass ein Kreis von etwa zwanzig Metern dabei herauskommt.“ Mark legte die Hände seitlich an den Mund und rief seinen Helfern zu: „Nebel jetzt!“


    Das Zischen der Nebelmaschine setzte ein, kurz darauf sah es aus, als würde unser Haus auf einer Bergspitze über den Wolken stehen. Sehr pittoresk, aber auch irgendwie bedrohlich.


    „Zehn. Neun. Acht“, zählte Mark grinsend herunter. Er hob die rechte Hand und zeigte zum südlichen Himmel, zwei, drei Handbreit über dem Horizont, wo ein starker Lichtpunkt jetzt rasch größer und heller wurde. „Man kann es kommen sehen. Der Spiegel wird zu uns gedreht. Fünf, vier, drei.“


    Als es über uns hinwegging, war es, als würde man direkt aus der tiefwinterlichen Kälte in eine finnische Sauna treten. Es brannte, es blendete, es war unerwartet. Es war sehr heiß.


    Zu heiß.


    „Dieser Freund, der die IT betreut“, begann meine Frage, aber ich konnte nicht weitersprechen. Das Licht hatte das Haus erreicht, gleißendes Licht, dramatische, infernalische Helligkeit, die ich so noch nie erlebt hatte. Kein Gebäude war jemals auf diese Weise angestrahlt worden. Und das Haus antwortete. Der Effekt war unbeschreiblich, hunderttausende von Lichtfingern, die weit in den Himmel ragten, in alle Richtungen, wie ein riesiger, weißglühender Igel, als wäre die Sonne inmitten eines Balls, den man mit einer Nadel punktiert hatte, stundenlang. Es sah komplett irre aus.


    Es war komplett irre. Walter kam im Bademantel angerannt, trat neben mich, den Mund weit aufgerissen, starrte in die Sonnenhelligkeit. Aber selbst die Lichtfinger, die uns hier erreichten, auf dem Gehweg und einige Meter vom Leuchtkreis entfernt, brannten auf der Haut. „Heilige Scheiße“, sagte er. „Ist das hell.“


    „Und heiß“, stellte Lisa fest, die die Stirn in Falten gelegt hatte, sich jetzt zu mir drehte und sagte: „Dir ist schon klar, dass meine Begeisterung für euren bescheuerten Wettbewerb immer nur ironisch gemeint war?“ Ich schüttelte den Kopf und sah zum Haus zurück. Mark hatte ein paar Schritte beiseite gemacht und tippte nervös auf seinem Smartphone herum. Ein Flackern, dann schwebte der Leuchtkreis nach Süden davon.


    Doch es war zu spät.


    Als die Feuerwehr eintraf, hatten die Flammen längst das meiste von unserem Hab und Gut vernichtet. Sie konnten nur noch löschen, was sowieso keinen Wert mehr hatte, und als jemand in Uniform an mich herantrat und fragte, was hier wie genau passiert wäre, sah ich mich um, damit Mark, der Lichterkettenverkäufer und Satellitendealer, diese Katastrophe erklären könnte. Aber er war verschwunden, genau wie unser Haus, von dem nur verkohlte Mauern übriggeblieben waren. Ich sah ihn nie wieder.


    Walter legte mir eine Hand auf die Schulter. „Alter, ich glaube, unseren kleinen Wettbewerb können wir für beendet erklären. Das da“ - er nickte zu den Überresten unseres Heims - „hätte nicht einmal Chevy Chase geschafft. Alle Achtung. Ich hoffe, du bist gut versichert. Fröhliche Weihnachten.“

  • Der 24. Dezember von churchill



    Weihnachten feiern

    wenn tausende Menschen täglich

    sterben

    tausende mehr als sonst

    wenn Nationen sich zu

    verriegeln versuchen

    da das Virus

    mutiert

    wenn das Leben herunterfährt

    und die Nähe

    und Wärme auch

    dann wirklich noch

    Weihnachten feiern

    oder doch

    erst recht


    Ein Fest feiern

    das uralt ist

    und die Logik und die Vernunft

    übersteigt

    in dunklen Zeiten

    der Nichtdenker und Verschwörungskünder

    Geschichten erzählen

    außerhalb der

    Geschichte

    und entfernt vom

    so genannten so gesunden

    Menschenverstand

    in diesen Zeiten

    so ein Fest

    deswegen


    Die Geburt eines Kindes feiern

    eines Kindes

    verkündet durch eine

    Institution namens Kirche

    deren Repräsentanten allzuoft

    Kinder missbraucht

    Seelen vernichtet

    Leben zerstört haben

    nicht irgendwo

    sondern ganz nah

    auch solche Repräsentanten

    die ich kannte

    trotzdem glaub-würdig

    die Geburt dieses Kindes feiern

    trotz alledem




    Weihnachtssonett 2020



    Für alle Kranken und für die Gesunden,

    Politiker, die ständig neu entscheiden,

    Freunde, die an Distanz und Abstand leiden,

    für Menschen, die uns lieb und eng verbunden,


    für Krankenschwestern, Ärzte, Demonstranten,

    Patienten auf den Intensivstationen,

    für alle, die allein und einsam wohnen,

    für Fremde und die lieben Anverwandten,


    für die, die an sich selbst als erstes denken,

    für jene, die mit Herz und Liebe schenken,

    für solche, die die Hoffnung längst verloren,


    für Kinder, Jugendliche, Männer, Frauen,

    für Zweifler und für alle, die vertrauen,

    für dich und mich wird heut ein Kind geboren.