Annette - ein Heldinnenepos Anne Weber

  • Annette – ein Heldinnenepos


    Anne Weber


    208 Seiten, Hardcover gebunden mit Schutzumschlag


    Erschienen: 2020

    ISBN: 978-3-95757-845-7



    Die Autorin


    Die Schriftstellerin und Übersetzerin Anne Weber wurde 1964 in Offenbach geboren und lebt seit 1983 in Paris. Sie hat sowohl aus dem Deutschen ins Französische übersetzt (u.a. Sibylle Lewitscharoff, Wilhelm Genazino) als auch umgekehrt (Pierre Michon, Marguerite Duras). Ihre eigenen Büchern schreibt sie sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache. Ihre Werke wurden u. a. mit dem Heimito von Doderer-Literaturpreis, dem 3sat-Preis, dem Kranichsteiner Literaturpreis und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet. Beim S. Fischer Verlag sind u.a. erschienen: Luft und Liebe, Ahnen und Kirio. Bei Matthes & Seitz Berlin sind ihre Übersetzungen der Werke von Georges Perros erschienen: Luftschnappen war sein Beruf und Klebebilder. Für ihr Buch Annette, ein Heldinnenepos wurde Anne Weber mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet.





    Inhalt (Verlagsangabe)


    Mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet

    Was für ein Leben! Geboren 1923 in der Bretagne, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, schon als Jugendliche Mitglied der kommunistischen Résistance, Retterin zweier jüdischer Jugendlicher — wofür sie von Yad Vashem später den Ehrentitel »Gerechte unter den Völkern« erhalten wird –, nach dem Krieg Neurophysiologin in Marseille, 1959 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wegen ihres Engagements auf Seiten der algerischen Unabhängigkeitsbewegung… und noch heute an Schulen ein lebendiges Beispiel für die Wichtigkeit des Ungehorsams.



    Meine Meinung



    Wer schreibt denn heute noch einen Epos? Auch wenn ein Heldinnenepos sicher noch eher gerechtfertigt ist, als der altbekannte Heldenepos. Von denen gibt es schließlich genug.

    Das waren meine Überlegungen, als ich dieses Buch vor mir liegen sah. Sollte ich das wirklich lesen?

    Es geht um eine real existierende Frau, Anne Beaumanoir, die heute mit 97 Jahren in Südfrankreich lebt und eine umfangreiche Autobiographie veröffentlicht hat.



    Wozu also noch ein Heldinnenepos?



    Mich hat Webers Blick von außen auf diese ungewöhnliche und mutige Frau fasziniert. Die Möglichkeit, gleichzeitig ihr Leben zu erzählen und zu kommentieren. Fragen zu stellen, die sich Beaumanoir gestellt haben mag oder auch nicht, die aber für uns wichtig sind, heute immer noch.

    Wie weit kann Solidarität mit den Ideen und Zielen einer Partei gehen? In Annettes Jugend geht es dabei um die kommunistische Partei in Frankreich. Straff organisiert. Die Befehle der Partei werden nicht in Frage gestellt. Oder doch? Und wann ist das gerechtfertigt?

    Nach der Befreiung führt sie ein paar Jahre lang ein bürgerliches Leben, wird Ärztin.

    Dann stellen sich neue Fragen. Was ist das für ein Land, für das sie gekämpft hat, gegen Diktatur, Folter und Mord. Was ist, wenn das eigene Land selbst Terrorherrschaft ausübt, Menschen foltert und ermordet. Welcher Widerstand ist dagegen legitim?

    Sie kann nicht still daheim sitzen und Protestaufrufe unterschreiben. Sie muss etwas tun. Wer kann wissen, ob es das Richtige ist, ob die Opfer, die sie bringt, gerechtfertigt sind?

    Alles Fragen, die immer wieder auftauchen und von ihrer Umwelt ganz unterschiedlich beurteilt werden. Heldin in einem Fall. Terroristin im anderen.


    Und das alles in einer ungewöhnlichen Form, die zum Vortrag auffordert.

    Ich habe das Buch begeistert gelesen. Jetzt werde ich die Hörbuchfassung anhören und bin gespannt.



    ASIN/ISBN:

    ASIN/ISBN: 3957578450

  • Vielen Dank für die interessante Rezi! Ich hab heuer den deutschen Buchpreis verfolgt und bin seitdem am Überlegen, ob ich zumindest mal reinlinse in das Buch. Es ist ja einmal ganz was anderes. Deine positive Meinung erleichtert mir die Entscheidung und ich werde - sobald die Bibliotheken wieder offen sind - Ausschau nach dem Buch halten. :wave

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Kein Roman, sondern ein Epos hat den Deutschen Buchpreis im letzten Jahr gewonnen. Standen bislang Helden im Mittelpunkt dieser umfassenden Erzählform in Versmaß, in der es Bewährungsproben zu bestehen gilt, so macht der Titel bereits klar, dass auch Frauen große Taten vollbringen können.

    "Annette, ein Heldinnenepos" erzählt vom Leben Anne Beaumanoirs', einer in der Bretagne im Jahr 1923 geborenen Französin, die sich in der Résistance engagiert, zwei Juden das Leben rettet, später ein Medizinstudium aufnimmt und als Ärztin arbeitet. In der bürgerlichen Gesellschaft angekommen und offenbar rastlos, geht sie in den Maghreb, um sich in der Unabhängigkeitsbewegung für ein freies Algerien einzusetzen.

    Anne Weber hat sich der Lebensgeschichte dieser außergewöhnlichen Französin in einer ebenso ungewöhnlichen Form angenommen.

    Was sich der Rundfunk allerdings dabei gedacht hat, in einer vierteiligen Serie mit starken Kürzungen das Hörbuch zu veröffentlichen, bleibt für mich unergründlich.

    Einblicke in die familiäre Situation der mittlerweile zum zweiten Mal verheirateten Neurophysiologin und ihrer Arbeit bleiben ebenso verwehrt wie ihre Gründe, sich im Maghreb zu engagieren und von ihrer Familie getrennt zu werden.

    Valery Tscheplanova liest souverän und versucht französisch einzustimmen, letztlich bleiben jedoch Bedenken, ob das erzählerische Experiment "Epos" dem Lebenswerk Anne Beaumanoirs' ausreichend Rechnung trägt. Erzählenswert ist die Heldinnengeschichte jedoch allemal.