Hauskonzert - Igor Levit, Florian Zinnecker

  • Hauskonzert von Igor Levit und Florian Zinnecker


    Carl Hanser Verlag

    Gebundenes Buch, 304 Seiten

    München 2021


    Inhaltsangabe (Buchrückseite)


    "Einer der wichtigsten Künstler seiner Generation - der Pianist des Widerstands." New York Times


    Igor Levit schlägt mit seinem Klavierspiel Publikum und Musikwelt in den Bann. Doch sein Wirken geht weit über die Musik hinaus: Er erhebt seine Stimme für Demokratie und gegen Unrecht, Rassismus, Antisemitismus und jede andere Art von Menschenhass. Was treibt ihn an? Woher rühren seine Energie, seine Vehemenz und eine Ungeduld - und wo möchte er hin?


    Autoren (Buchklappentext)


    IGOR LEVIT, geboren 1987 im russischen Gorki (heute Nischni Nowgorod), zog mit acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte an der Musikhochschule Hannover und gewann 2005 beim Arthur Rubinstein Wettbewerb als jüngster Teilnehmer die Silbermedaille. Zuletzt veröffentlichte er alle 32 Klaviersonaten Beethovens. Levit ist Träger des Gilmore Artist Awards, 2020 wurde er u. a. mit der "Gabe der Erinnerung" des Internationalen Auschwitz Komitees, dem Bundesverdienstkreuz und dem Preis für Verständigung und Toleranz des Jüdischen Museums Berlin ausgezeichnet.


    FLORIAN ZINNECKER, 1984 in Bayreuth geboren, ist stellv. Ressortleiter der Wochenzeitung DIE ZEIT. Nach seinem Studium der Kulturwissenschaften und Politik schrieb er u. a. für das Süddeutsche Zeitung Magazin und besuchte die Henri-Nannen-Journalistenschule. Für seine Berichterstattung über die Bayreuther Festspiele wurde er mit dem Konrad-Adenauer-Preis ausgezeichnet.


    Meine Meinung


    Für mich war das Buch weniger eine klassische Biografie als mehr ein Einblick in das Leben des Ausnahmemusikers und Aktivisten Igor Levit. Er und der Autor Florian Zinnecker zeigen uns Höhen, aber auch Tiefen und Zweifel seines Schaffens und bisherigen Werdegangs. Das Buch ist zur Zeit der Corona-Lockdowns erstanden, in dem Igor Levits Leben zwangsläufig komplett umgekrempelt wird.


    Die beiden haben eine sehr ungewöhnliche Erzählweise gewählt. Ohne zeitliche Abfolge werden immer wieder Episoden und Ereignisse aus dem Leben Igor Levits herausgegriffen und beleuchtet. Dabei springen die beiden im Leben Igor Levits vor und zurück und greifen manche wichtige Wendepunkte immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten auf. Das ist kurzweilig und aufschlussreich, auf Dauer aber auch sehr anstrengend, da mir teilweise ein durchgehender roter Faden gefehlt hat. Viele Szenen werden anhand wörtlich widergegebener Gespräche oder Vorträge geschildert. Auch das ist für mich eine ungewöhnliche Vorgehensweise, die mir zwar die Gedanken Igor Levits näherbringen, aber ebenfalls fordernd beim Lesen ist.


    Inhaltlich war es für mich ein Blick über meinen Tellerrand hinaus, da ich bislang wenig Zugang zu klassischer Musik hatte. Das hat sich durch das Buch geändert, denn Florian Zinnecker schildert z. B. das Spiel der Waldsteinsonate von Beethoven so mitreißend, dass ich gar nicht anders konnte, als mir dieses und auch andere Musikstücke anzuhören. Diese tolle Beschreibung von Musik war für mich ein wesentlicher Pluspunkt des Buches.


    Ansonsten erfahre ich zwar viel über das Leben und Denken von Igor Levit, doch es bleiben Lücken. Zum Teil werden viele Details geschildert, wie bei seiner musikalischen Prägung, zum Teil bleibt anderes, was mich interessiert hätte, wie Näheres zu seinen politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten, aber unerzählt. Oder ist das Buch nur für Fans gedacht, die seine Aktivitäten in den (sozialen) Medien sowieso verfolgen? Das wäre aber sehr schade! Igor Levit wird als „ganz normaler Mensch“ beschrieben, nicht als musikalisches Wunderkind und auch seine Schwierigkeiten und Zweifel haben ihren Platz. So bin ich als Leserin sehr nah an ihm dran, was mir gut gefallen hat und einen durchaus kritischen Blick hinter die Kulissen des klassischen Musikbetriebes ermöglicht.


    Fazit: Was bleibt ist eine äußerst ungewöhnliche Biographie eines außerordentlichen Menschen. Durchaus lohnenswert, aber so ganz überzeugen konnte sie mich aufgrund der teilweise anstrengenden Schreibweise nicht. Es bleiben einzelne Gedanken im Kopf, wenig aber vom großen Ganzen – außer den tollen Beschreibungen von Musik. Acht Eulenpunkte von zehn.


    ASIN/ISBN: 3446269606

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021