Bae Suah las am 8.Oktober 2021 in Hamburg

  • Bae Suah las am 8.Oktober 2021 in Hamburg


    Im Zuge der Koreanischen Woche in Hamburg, die völlig an mir vorbeigegangen war, entdeckte ich noch rechtzeitig, die Lesung von Bae Suah am vergangenen Freitagabend im Lesesaal.

    Der deutschen Leserschaft dürfte die Schriftstellerin kaum bekannt sein, es sei denn, es besteht ein Interesse an südkoreanischer Literatur und an Büchern der Autorin, die bereits ins Englische übersetzt wurden.

    Im August 2021 ist nunmehr das bereits vor einigen Jahren erschienene Buch "Weiße Nacht" im Suhrkamp Verlag veröffentlicht worden.

    Der koreanische Generalkonsul eröffnete die Lesung mit den Worten, dass Südkorea aus mehr als der Netflixserie "Squid Game" bestehe, fast ein unnötiger Hinweis an ein Publikum,

    das sich mehrheitlich aus Südkoreanerinnen zusammensetzte. Der Eröffnungsrede folgte eine kurze Einführung durch Lesesaalinhaberin Stephanie Krawehl in das Leben Bae Suahs,

    die zwischen Berlin und Seoul pendelt. Nach einem Chemiestudium arbeitete sie als Beamtin, gab jedoch ihre Arbeit zugunsten der Schriftstellerei auf.

    Neben dem Schreiben übersetzt Bae Suah Werke deutschsprachiger Schriftsteller wie Hermann Hesse, Christian Kracht und W.G. Sebald als auch Romane von

    Clarice Lispector und Aglaja Veteranyi, die ich für mich noch entdecken möchte.

    Bemerkenswert ist, dass Bae Suah davon erzählte, die deutsche Sprache anhand von Literatur erlernt zu haben, jedoch die deutsche Alltagssprache nicht beherrsche.

    Für die Übersetzung an diesem Abend stand die bekannte Koreanischübersetzerin Kyong-Hae Flügel zur Verfügung, die Lesern von Jo Kyungran und Kim Yongha ein Name sein dürfte.

    Bae Suah las zuerst einen Abschnitt in koreanischer Sprache, dann folgte der deutsche Text gelesen von der Schauspielerin und Hörbuchsprecherin Martha Dittrich, die eine ausgezeichnete Leseleistung

    ablieferte und auf die ich in Zukunft ein besonderes Augenmerk legen werde.

    In der anschließenden Diskussion erzählte die Schriftstellerin von ihren Schreibideen und wie sie ihre Figur Ayami entwickelte,

    die in "Weiße Nacht" einem Fiebertraum erliegt. Ayami, die zwischen Realität und Traum aufgrund unerträglicher Hauptstadthitze nicht mehr unterscheidet, trifft auf einen Schriftsteller,

    der nach Aussage Bae Suahs die einzig reale Figur im Buch ist.

    Im Gespräch bestätigte Bae Suah, in ihren Büchern mehr Fragen zu stellen als Antworten zu geben, was Stephanie Krawehl mehrfach sprachlos machte beziehungsweise

    ein "aha" entlockte.

    Hartnäckiger fragten dagegen zwei Südkoreanerinnen, die der Autorin gern eine Botschaft ihres Buches entlocken wollten.

    Sie wolle nichts mitteilen, nur Fragen stellen und forderte das Publikum zum Nachdenken auf, was Kyong-Hae Flügel unter starker Zurückhaltung großen Lachens

    mit "Lesen Sie!" übersetzte. Auf jeden Fall handele es sich um eine ihrer einfacheren Geschichten, versicherte die Autorin.

    Am Ausgang überreichte eine Konsulatsangestellte den Zuhörern ein Tütchen mit zwei gefüllten Waffelfischen;

    vielleicht eine kleine Aufmerksamkeit als Entschädigung für diesen doch recht merkwürdigen Abend, an dem ich gern tiefgehender in das Schaffen Bae Suahs eingestiegen wäre

    und mehr Antworten erwartet hätte.