Ulla und die Wege der LIebe - Ulrike Renk

  • Über die Autorin (Amazon)

    Ulrike Renk, Jahrgang 1967, studierte Literatur und Medienwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Krefeld. Familiengeschichten haben sie schon immer fasziniert, und so verwebt sie in ihren erfolgreichen Romanen Realität mit Fiktion. Im Aufbau Taschenbuch liegen ihre Australien-Saga, die Ostpreußen-Saga, die Seidenstadt-Saga und zahlreiche historische Romane vor. Zuletzt erschienen von ihr „Eine Familie in Berlin – Paulas Liebe“ und „Ursula und die Farben der Hoffnung“, die neue große Saga um die Dichterfamilie Dehmel.


    Produktinformation (Amazon)

    Herausgeber ‏ : ‎ Aufbau Taschenbuch; 1. Edition (22. August 2022)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Taschenbuch ‏ : ‎ 486 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 3746637651

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3746637655


    Eine wunderbare Fortsetzung

    Es ist 1919. Der Krieg ist vorbei und Heinrich, Ursulas große Liebe kommt nach Hause. Sie wollen eine gemeinsame Zukunft. Aber Ursula befürchtet, dass sie als Ehefrau ihre künstlerische Eigenständigkeit verlieren könnte. Lässt sich ihr Beruf der Gestalterin mit einer Familie vereinbaren? Aber ihre Gefühle überwiegen und die beiden heiraten. Sie lassen die Schatten der Vergangenheit hinter sich. Mit Vera taucht Ulla in die schillernde Welt der zwanziger Jahre ein. Tochter Fine wird geboren und ihr Glück ist perfekt. Doch dann muss Ulla ihr Leben plötzlich völlig neu überdenken.


    Meine Meinung

    Die ist der dritte Band der Reihe um die Familie Dehmel aus Berlin. Die Autorin pflegt wieder einen unkomplizierten Schreibstil, nichts störte meinen Lesefluss da es keine Unklarheiten im Text gab. Da ich die Vorgängerbände auch gelesen habe hat mich dieses Buch natürlich sehr interessiert und ich konnte so richtig darin eintauchen. Ich war schnell wieder bei der Familie zu Hause habe mit den Protagonisten mich gefreut und mit ihnen gelitten. Hier vorrangig natürlich mit Ulla, die Heinrich heiraten wollte und doch Zweifel hatte ob es richtig sein würde. War es richtig? Der Leser dieses Buches wird erfahren, ob Ulla richtig gehandelt hat. Ob ihr ein Glück vergönnt war. Ich habe mich auch mit Ulla gefreut und mit der Familie getrauert. Doch außer Ulla gibt es da natürlich auch noch Vera und ihren Mann Tetjus, der im Wesen seinem Schwiegervater Richard Dehmel sehr ähnelte. Und zwar wirklich sehr, mehr sage ich dazu auch nicht, das soll der geneigte Leser selbst lesen. Es gibt am Anfang des Buches ein Personenverzeichnis, was ich sehr hilfreich finde, auch wenn ich persönlich es dieses Mal nicht gebraucht habe. Außerdem erklärt die Autorin im Nachwort was an diesem Buch Wahrheit ist, denn es ist ja nach einer wahren Begebenheit geschrieben, auch wenn es trotzdem ein Roman ist. Denn es gibt natürlich auch einiges in diesem Buch, das fiktiv ist. Auch diese Erklärungen im Nachwort finde ich wichtig, denn als Leser will ich mich auf gute Recherche verlassen können und das kann ich mich bei diesem Buch definitiv! Mir hat dieses Buch, bzw. die ganze bisherige Reihe gut gefallen, ich empfehle sie sehr gerne weiter und vergebe die volle Bewertungszahl.

    ASIN/ISBN: 3746637651

  • Ulrike Renk: Ulla und die Wege der Liebe. Eine Familie in Berlin (Band 3), Berlin 2022, Aufbau Verlag, ISBN 978-3-7466-3765-5, Softcover, 486 Seiten, Format: 13,3 x 3,9 x 20,5 cm, Buch: EUR 12,99 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 9,99, auch als Hörbuch/Audio-CD lieferbar.


    „Du bist eine wundervolle und fürsorgliche Mutter. […] Aber du bist auch Ulla – du bist Künstlerin, Gestalterin, Zeichnerin. Ohne Papier und Stifte wirst du unglücklich. Das muss Heinrich begreifen, und ich bin mir sicher, in der Tiefe seines Herzens weiß er es.“ (Seite 364)


    In Band 3 geht’s um die Kinder und Schwiegerkinder des Künstler-Ehepaars Paula und Richard Dehmel und darum, wie sie mit Liebe und Trauer umgehen.


    Heirat in weiter Ferne

    Berlin/Hamburg 1919: Die Graphikerin Ursula „Ulla“ Stolte, die eine Art Ziehtochter der Schriftstellerin Paula Dehmel war, würde jetzt gerne ihre Schwiegertochter werden. Doch ihr Freund, der angehende Arzt Heinrich Dehmel, kommt einfach nicht in die Hufe!


    Ulla ist geduldig. Die Familie ist ja noch in Trauer um die Mutter. In diesen Schmerz mischt sich eine Prise Habgier: Auch wenn Paula Dehmel keine Reichtümer besessen hat, wird eifersüchtig über die Verteilung ihres Erbes – ein paar Möbel und eine Wohnung – gewacht. Auf keinen Fall wollen die erwachsenen Dehmel-Kinder Vera, Heinrich und Lotti, dass die zweite Frau ihres Vaters, die überkandidelte Ida, sich etwas von Paulas Besitz unter den Nagel reißt. Die drei nehmen es Ida heute noch übel, dass sich ihre Eltern vor zwanzig Jahren ihretwegen getrennt haben.


    Alle leben in Vaters Haus

    Ida kann sehr unsensibel sein, aber sie liebt ihren Mann Richard und irgendwie auch ihre Stiefkinder. Wenn sie könnten, würden Vera, Heinrich und Lotti ihr allerdings aus dem Weg gehen, genau wie ihrem egozentrischen Vater, der immer seltsamere Ansichten entwickelt. Das geht aber nicht, weil keiner der Dehmel-Nachkommen finanziell auf eigenen Beinen steht: Vera hat den flatterhaften Allround-Künstler Tetjus Tügel geheiratet, Heinrich und Lotti sind noch in der Ausbildung. Also leben bald alle zusammen in Blankenese, im Haus von Richard und Ida Dehmel. Das führt unweigerlich zu Spannungen, was sich noch verschlimmert, als Richard zum Pflegefall wird.


    In dieser Patchworkfamilie steht immer die Frage im Raum, wer wen mehr liebt und welche Art der Liebe die richtige oder zumindest die bessere ist.


    Liebe und Freiheit

    Wie viel Freiheit lässt man einander, wenn man sich liebt? Und ab wann ist es Gleichgültigkeit? Liebt Tetjus Tügel seine Frau Vera und seinen Sohn oder liebt er nur sich selbst? Er kümmert sich weder finanziell noch anderweitig um seine Familie. Aber er redet seiner Frau auch nicht rein. Sie kann weiterhin als Künstlerin tätig sein, auch wenn sie jetzt Ehefrau, Hausfrau und Mutter ist. (Sie muss sogar – sie braucht ja ein Einkommen!) Wie wäre das wohl, wenn Ulla mit Heinrich verheiratet wäre? Würde sie dann weiterhin zeichnen können und dürfen? Oder würde er erwarten, dass sie nur noch Arztgattin, Haushälterin und Mutter ist? In dem Fall viel Spaß! Ulla kann weder Ordnung halten noch einen Haushalt führen. Sie kann nicht einmal kochen.


    Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis und den wahren Wert von Versprechungen lernt Ulla nach der Hochzeit kennen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Von wegen! Schon beim ersten Kind sitzt sie in der Hausfrauenfalle und kommt gar nicht mehr zum Zeichnen. Heinrich bestimmt, wo sie wohnen und ob sie das zusammen oder zeitweise getrennt tun. Er erwartet einen perfekten Haushalt und wird immer nörgeliger und unleidlicher, als alles nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hat.


    Der schreckliche Schwager

    Klar, Ulla geht’s immer noch besser als ihrer Schwester Hilde Deist, die von ihrem perfektionistischen Ehemann Helmuth schikaniert wird.

    Die häusliche Situation bei Deists eskaliert dramatisch …


    Tod des Patriarchen

    Dass es beim Dehmel-Clan in Blankenese nach dem Richards Tod nicht ebenfalls zur Eskalation kommt, ist Ulla zu verdanken. Sie vermittelt zwischen der Witwe Ida mit ihren durchgeknallten Ideen (das Theater mit der Urne!) und Richards aufgebrachten Kindern. Die müssen ihre Stiefmutter nicht lieben, sollten aber wenigstens ihre Position in der Familie respektieren.


    Schwager Tetjus wird der Familienzirkus zu viel und er zwitschert ab in die Künstlerkolonie Worpswede. (Ich habe mal nach ihm gegoogelt. Ja, genau so habe ich mir sein weiteres Leben vorgestellt! Die Sorte kenne ich. :-D ) Und als Ullas Mann Heinrich die damals gerade modernen Séancen für sich entdeckt und auf diesem Weg Ungeklärtes mit seinen Eltern aufarbeiten will, gleitet er völlig ins Irrationale ab. Er merkt gar nicht, wie sehr er seine Frau mit seinem Verhalten verletzt. Ist das jetzt das Ende ihrer großen Liebe und ihrer Ehe …?


    Wie wir wissen, ist EINE FAMILIE IN BERLIN die romanhafte Aufbereitung einer wahren Familiengeschichte. Es gibt also keinen künstlich generierten hochdramatischen Spannungsbogen. Was hier passiert, ist das Leben. Die Kernfrage ist, wie sich eine moderne Frau, die andere Ambitionen hat als einen makellosen Haushalt, durchs Leben kämpft, wenn ihr Umfeld mehrheitlich noch in gestrigen Vorstellungen feststeckt.


    Freigeist oder Spießer?

    Ja, in der Künstler-Boheme, zu der hier Anknüpfungspunkte bestehen, regt sich niemand darüber auf, wenn Paare unverheiratet zusammenleben oder eine Frau Kinder von einem anderweitig gebundenen Mann hat. Dass Künstlerinnen arbeiten, auch wenn sie einen Hausstand und Kinder haben, ist da völlig normal. Ulla ist mit diesen Künstler:innen zwar bekannt, befreundet oder verschwägert, aber sie lebt nicht ausschließlich in deren Welt. Sie ist auch die Ehefrau eines Arztes. Da gelten andere Maßstäbe.


    Als Spross der Künstlerfamilie Dehmel kennt auch Heinrich die Künstlerwelt und die der braven Bürger. Ein Spagat dazwischen ist nicht zu schaffen. Man kann nicht gleichzeitig freigeistiger Künstler und angepasster Spießer sein. Heinrich und Ulla scheinen aber genau das zu probieren. Die Frage ist, ob sie daran scheitern oder ob sie sich für die eine oder andere Seite entscheiden.


    Machos und Egozentriker

    Das ist jetzt Band 3 der Reihe und bis jetzt hat mich jeder einzelne erwachsene Kerl aufgeregt, der darin vorkam. Alles Machos, Egozentriker, Narzissten, Besserwisser, Antisemiten und sonstige Armleuchter … gaaah! Vermutlich ist es unfair, die Männer von damals nach heutigen Maßstäben zu beurteilen. Sie sind Kinder ihrer Zeit. Manche werden zu Angstbeißern, wenn sie es mit Frauen zu tun bekommen, die ihrer Zeit voraus sind. Aber ein paar sind wirklich nur A***l*cher!


    Jetzt bin ich gespannt darauf, wie’s weitergeht. Man kommt sich fast selbst schon wie ein Mitglied des Dehmel-Clans vor, wenn man eine so lange und intensive Zeit mit ihnen verbracht hat. Im nächsten Band rechne ich noch nicht mit modernen Männern. Da haben die Menschen andere Sorgen. Aber vielleicht in Band 5. Über Ullas Kinder habe ich nicht viel im Internet gefunden. Also vermute ich, dass sie die Künstlerszene mit ihrer hohen Egomanen-Dichte verlassen haben. Vielleicht ist „außerhalb“ die Chance größer, auf einen Mann zu treffen, der nicht glaubt, dass sich die Welt gefälligst um ihn zu drehen habe. Schauen wir mal!


    »Heute haben Frauen sehr viel mehr Rechte, als Paula oder Ursula sie jemals hatten. […]. Heute kann man als Frau ganz anders agieren und auch reagieren. Aber die Gefühle … ja, die Gefühle – die Verzweiflung, der Hass, die Wut und vor allem die Liebe – die gab und gibt es damals wie heute. Und in diesen Gefühlen sind wir uns gleich. Über die Generationen hinweg.« - Ulrike Renk / Pressetext des Verlags


    Die Autorin

    Ulrike Renk, Jahrgang 1967, studierte Literatur und Medienwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Krefeld. Familiengeschichten haben sie schon immer fasziniert, und so verwebt sie in ihren erfolgreichen Romanen Realität mit Fiktion. Mehr zur Autorin unter http://www.ulrikerenk.de


    ASIN/ISBN: 3746637651

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • 1919, der Krieg ist gerade vorbei und Heinrich ist verletzt wieder nach Hause gekommen. Jetzt könnte es bergauf gehen, wären da nicht die Folgen des Krieges, die Inflation und Richard Dehmels Gesundheit. Und doch müssen Ulla, Heinrich, Vera und die anderen der Familie Dehmel an ihre Zukunft denken. So wird geheiratet, Kinder kommen auf die Welt und vor allem die Frauen müssen sich wieder einmal Gedanken darum machen, wie eigene berufliche Wünsche und die Familie unter einen Hut zu bekommen sind.


    Ich habe mich gefreut, die Familie Dehmel wieder ein Stück des Weges begleiten zu können. Es war ein bisschen wie nach Hause kommen. Gerade die Zeit im Dehmel-Haus in Hamburg fand ich ganz toll. Irgendwie habe ich mich da na meine eigene Vergangenheit erinnert gefühlt. Im Haus meiner Urgroßmutter (heute das Ubbelohde Haus in Goßfelden bei Marburg) saßen die Erwachsenen abends im Atelier zusammen und haben diskutiert. Und ich als Kind mittendrin. Genau dieses Gefühl hatte ich auch, als die Zusammenkünfte im Dehmel-Haus geschildert wurden.


    Mir hat Ullas Entwicklung gut gefallen, sie ist gereift und kann mit etwas Abstand auf die schwierige Familienkonstellation schauen. Und sie kann den Geschwistern, die mit ihrer Stiefmutter hadern, deren Perspektive klarmachen und so zum Familienfrieden beitragen. Und so sehr, wie die Dehmel Geschwister das Verhalten der Eltern nicht nachvollziehen können, verfallen sie in ähnliche Verhaltensmuster. Vera hat mit Tetjus jemanden geheiratet, der ihrem Vater charakterlich fast vollständig gleicht und auch Heinrich verhält sich plötzlich ähnlich wie sein Vater.


    Ulla muss feststellen, dass Kinder doch immer die Mutter vom Arbeiten abhalten, so sehr sie auch geliebt werden. Die Männer ihrer Generation reden zwar von Gleichberechtigung , aber wenn es ans Umsetzen geht, ziehen sie mit althergebrachten Argumenten zurück.


    Ich freue mich schon auf den nächsten Band der Reihe, auch wenn wir dann in Deutschlands schwierigste Zeit kommen. Durch die jüdische Herkunft der Dehmel Kinder wird die Zeit sicher nicht einfach werden.


    Ich kann Ulrike Renks Bücher nur immer wieder empfehlen. Sie erzählt Familiengeschichten, wie sie waren, ohne dramaturgische Effekte hinzuzufügen. So bekommt man einen Einblick in die Zeit und in die Familien, so wie sie eben waren, mit all ihren positiven und negativen Eigenschaften. Da merkt man immer wieder: Das Leben schreibt die besten Geschichten.


    9 von 10 Punkte