Hans Magnus Enzensberger ist gestern gestorben.
Kann mich erinnern, dass wir in der Schule Texte von ihm gelesen haben.
Hans Magnus Enzensberger ist gestern gestorben.
Kann mich erinnern, dass wir in der Schule Texte von ihm gelesen haben.
Enzensberger hat fast ein ganzes Jahrhundert erlebt und seine Stimme wurde dabei immer gehört. Es war keine laute, aber eine unabhängige Stimme, auf deren sowohl wertschätzendes, wie auch kritisches Urteil ich mich immer verlassen konnte. Respekt und Dank.
Er war der literarische und stets hochpolitische Lichtbringer meiner jungen Jahre. Und hat mich mein Leben lang mit seinem Werk begleitet, befeuert und mich mit der Wortmacht seiner Literatur und der Kraft seines kritischen Geistes gleichermaßen fasziniert.
Als wir in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (sehr zur Empörung unserer Eltern) unsere Auflehnung gegen die alten Nazis in Schleswig-Holstein - die ehemaligen Marinerichter, die nun in Justizbehörden saßen, die KZ-Schergen, die führende Positionen in der öffentlichen Verwaltung innehatten, die "Pädagogen" an unserem Gymnasium, die früher Rassenhass gelehrt hatten - in öffentlichen Protesten zum Ausdruck brachten, kam Hans Magnus Enzensberger uns mit seinem Gedicht "Ins Lesebuch für die Oberstufe" zur Hilfe.
Danke posthum dafür und r.i.p.
Ins Lesebuch für die Oberstufe
Lies keine Oden, mein Sohn, lies die Fahrpläne:
sie sind genauer. Roll die Seekarten auf,
eh es zu spät ist. Sei wachsam, sing nicht.
Der Tag kommt, wo sie wieder Listen ans Tor
schlagen und malen den Neinsagern auf die Brust
Zinken. Lern unerkannt gehen, lern mehr als ich:
das Viertel wechseln, den Paß, das Gesicht.
Versteh dich auf den kleinen Verrat,
die tägliche schmutzige Rettung. Nützlich
sind die Enzykliken zum Feueranzünden,
die Manifeste: Butter einzuwickeln und Salz
für die Wehrlosen. Wut und Geduld sind nötig,
in die Lungen der Macht zu blasen
den feinen tödlichen Staub, gemahlen
von denen, die viel gelernt haben,
die genau sind, von dir.