Sepp Mall - Ein Hund kam in die Küche

  • Herausgeber: Nagel & Kimche (28. Januar 2025)

    Taschenbuch: ‎192 Seiten

    ISBN-10: ‎ 3312013453

    ISBN-13: ‎ 978-3312013456


    Kurzbeschreibung


    »In unserer Familie gab es keine Wörter für den Abschied.«


    Eine Familie aus Südtirol entscheidet sich 1942 im Zuge der sogenannten »Option« für die Auswanderung ins Deutsche Reich. Doch nicht alle Familienmitglieder sind dort willkommen und der 11-jährige Ludi wird von seinem jüngeren Bruder getrennt: Der behinderte Hanno muss in eine Anstalt bei Hall gebracht werden, während die restliche Familie nach Oberösterreich zieht. Dann wird der Vater in die Wehrmacht eingezogen und von Hanno bleibt nur ein Brief aus einer »Heil- und Nervenanstalt«. Sepp Mall erzählt eine Geschichte wider das Vergessen, über das Kindsein in Kriegszeiten und im Nationalsozialismus, vor dem Hintergrund der sogenannten »Option« in Südtirol, in der die Bevölkerung sich gezwungen sah, zwischen Nationalsozialismus – und somit Umsiedelung ins Deutsche Reich – und Faschismus – also Italianisierung und Verzicht auf die Muttersprache – zu wählen.


    Ein bewegender Roman über das Auswandern und Heimkehren, der in bilddichter Sprache der Trauer eines Kindes um seinen Bruder nachgeht. Das klingt weit über die norditalienische Region hinaus und greift in seiner Wucht bis in das Heute.


    Autor


    1955 in Graun (Südtirol) geboren, lebt als Schriftsteller in Meran. Er erhielt mehrere Auszeichnungen und Stipendien, u. a. den Meraner Lyrikpreis, das Staatsstipendium des österreichischen Bundesministeriums und das Große Literaturstipendium des Landes Tirol. Sein Roman "Wundränder" wurde 2005 zum "Innsbruck-liest"-Buch gewählt und ist heute Schullektüre. Sein letzter Roman "Ein Hund kam in die Küche" war 2023 auf der Longlist des Deutschen Buchpreis.


    Rezension


    „Ein Hund kam in die Küche“ ist kein lauter, dramatisch inszenierter Roman über die NS-Zeit – gerade deshalb trifft er so stark. Sepp Mall erzählt aus der Perspektive des elfjährigen Ludi, der 1942 mit seiner Familie Südtirol verlässt und ins Deutsche Reich umsiedelt. Die sogenannte „Option“ zwingt sie zu dieser Entscheidung – doch statt Sicherheit bringt sie Leid.


    Schon zu Beginn wird der behinderte Bruder Hanno in einer „Nervenheilanstalt“ untergebracht. Was Ludi nicht weiß, er wird seinen Bruder nie wiedersehen. Er versteht nicht, was mit ihm passiert, doch für die Leser:innen ist klar: Euthanasie, Mord im Namen der Ideologie. Diese kindliche Unwissenheit wird zum emotionalen Kern der Geschichte. Was Ludi nicht versteht, schwebt als beklemmendes Wissen zwischen den Zeilen.


    Die Verluste reißen nicht ab: Der Vater zieht in den Krieg, die Mutter zerbricht an der Situation, Ludi bleibt allein in einer fremden Umgebung. Seine Versuche, die Erwachsenenwelt zu begreifen, wirken hilflos und machen das Grauen nur noch spürbarer. Politik, Krieg, Propaganda – für das Kind bleibt alles abstrakt, doch der Schmerz ist real.


    Die Stärke des Romans liegt in der schlichten, klaren Sprache. Keine großen Erklärungen, keine inszenierten Dramen – genau dadurch wirkt alles umso härter. Ludi spricht mit seinem toten Bruder, sucht Halt im Unbegreiflichen, während um ihn herum die Welt auseinanderfällt.


    Der Titel verweist auf ein Kinderlied – ein bitterer Kontrast zum Grauen, das Ludi erlebt. Der Roman wird so zu einem eindringlichen Mahnmal darüber, was es bedeutet, als Kind in einer Welt aufzuwachsen, in der Ideologien wichtiger sind als Menschlichkeit. Keine große Geste, kein lautes Mahnmal – sondern ein stilles, schmerzhaft ehrliches Zeugnis.


    10/10 Leseempfehlung!


    ASIN/ISBN: 3312013453