Murder Crossed Her Mind - Stephen Spotswood

  • Stephen Spotswood: Murder Crossed Her Mind. Pentecost & Parker, Band 4, London 2024, Headline Publishing Group, ISBN 978-1-0354-0950-1, Softcover, 361 Seiten, Format: 13 x 3,2 x 19,5 cm, Buch Softcover: EUR 14,16, Hardcover: EUR 24,99, Kindle: EUR 3,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „All good questions and worth persuing. But the big one now was what did a retired secretary, a shut-in hoarder, a woman who lived in a cage of her own making, have that was worth killing for?“ (Seite 180)


    Da von dieser wunderbaren Krimireihe leider nur die ersten beiden Bände ins Deutsche übersetzt wurden, lese ich die Serie eben auf Englisch weiter. Und weil der vorliegende Band 4 mit einem gemeinen Cliffhanger aufhört, lauere ich schon auf die Taschenbuchausgabe von Band 5. Ich verbringe einfach gerne Lesezeit mit den beiden ungewöhnlichen Privatdetektivinnen im New York der 1940er-Jahre.


    Mit schnodderigem Humor und messerscharfem Blick für Details berichtet uns die jüngere der beiden Detektivinnen, Willowjean „Will“ Parker, im Stil der Schwarzen Serie von ihren spektakulärsten Fällen und von ihrem nicht minder spektakulären Leben.


    Zwei Detektivinnen im New York der 40er-Jahre


    Will stammt aus desolaten Verhältnissen, ist mit 15 mit einem Wanderzirkus durchgebrannt und durch die Staaten gezogen, bis Privatdetektivin Lillian Pentecost sie entdeckt, angeheuert und zur Detektivin ausgebildet hat. Will (Mitte 20) ist die Frau fürs Grobe, während die kultivierte Pfarrerstochter Lillian Pentecost (um die 50), durch eine chronische Krankheit körperlich beeinträchtigt, unbestreitbar das Gehirn des Unternehmens ist.



    Eine ehemalige Sekretärin ist verschwunden


    Im September 1947 steht der bekannte Strafverteidiger Forest Whitsun bei Pentecost & Parker auf der Matte. Mit der Polizei hat er’s nicht so – zu viele negative berufliche Begegnungen -, also beauftragt er die beiden Detektivinnen, seine verschwundene Ex-Kollegin zu suchen: Vera Bodine, 80, war mal Sekretärin in der Anwaltskanzlei Boekbinder & Gimbal, für die auch Whitsun eine Zeit lang gearbeitet hat. Die beiden sind in Kontakt geblieben, auch als Vera längst im Ruhestand war. In den letzten Jahren hat sie ihre Wohnung nicht mehr verlassen, und Whitsun hat sie mit Lebensmitteln versorgt. Jetzt ist Vera verschwunden, und das bestimmt nicht freiwillig.


    Veras Superkraft: Das absolute Gedächtnis


    Wer, bitte, soll einer 80-jährigen Einsiedlerin etwas angetan haben? Doch so absurd, wie es zunächst klingt, ist das gar nicht! Vera hat eine Fähigkeit, die viele Menschen hassen und fürchten dürften, vor allem, wenn kriminelle Aktivitäten im Spiel sind: Sie kann sich an alle früheren Erlebnisse erinnern. Das geschieht ganz automatisch, sie muss dazu keine besondere Technik anwenden. Sie kann es aber auch nicht abstellen. Das Phänomen nennt sich heute HSAM: Highly Superior Autobiographical Memory.


    Ist ihr das Wissen über alte Kriminalfälle zum Verhängnis geworden?


    Die Einsiedlerin in der Messie-Wohnung


    Die Detektivinnen durchsuchen Veras Mietshaus-Wohnung, was gar nicht so einfach ist: Die Frau ist ein Messie. Zwar hat sie sich nie etwas aufschreiben müssen, aber gesammelt hat sie anscheinend alles.


    Die Nachbarn sind ein Totalausfall. Kaum jemand hat Kontakt zu Vera, man hat sie in ihrer Wohnung rumoren gehört, aber wann das war …? Die Mieter jammern nur über den desolaten Zustand des Hauses


    Hier hat jeder seine Geheimnisse


    Wie’s aussieht, hat Vera Bodine ein paar Geheimnisse. Und nicht nur sie!


    Doch das muss jetzt alles warten. Die wichtigste Frage ist: Was ist mit Vera Bodine passiert? Wer ist dafür verantwortlich und warum? Spuren gibt’s viele, Verdächtige auch, aber in jeder Theorie findet sich ein sperriges Detail, das sich einfach nicht ins Gesamtbild einfügen will. Wie dann alles zusammenhängt, ist zum Teil recht überraschend, aber plausibel.


    Der entscheidende Hinweis: versteckt vor aller Augen


    Ich ärgere mich ja immer, wenn in Krimis die Klärung des Falles irgendwann aus dem Hut gezaubert wird, ohne dass man als Leser:in die Chance gehabt hat, selbst darauf zu kommen. Hier versteckt der Autor, genau wie im letzten Band, einen entscheidenden Hinweis vor aller Augen. Die Information ist die ganze Zeit da, nur übersehen wir sie, weil sie so beiläufig daherkommt. Da geht es uns genau wie den Ermittler:innen. (Und am Schluss denkt jeder, verflixt, das hätte ich doch merken müssen! 😊)


    Herrlich bildhafte Beschreibungen


    Die Fälle, an denen die Detektivinnen arbeiten, sind raffiniert konstruiert, das Romanpersonal hat Ecken und Kanten und ich liebe Wills herrlich bildhafte Beschreibungen:


    „There was the pair of men at the nearest pool table. They were old enough that the pool hall might have been built around them and at no point during that time hat anyone asked them to change their clothes“ (Seite 205)


    „Next to him was a brick wall in a tweed suit: six feet and change, bald as a newborn, with a face like a Jersey steel worker. […] He looked like muscle, but he talked like money.“ (Seite 239)


    Gespannt auf den fünften (und letzten?) Band


    Dadurch, dass in jedem neuen Buch auch Figuren aus den vorangegangenen Bänden mitmischen, wuselt hier ganz schön viel Personal herum. Es gibt zum Glück ein Personenverzeichnis, das ich aber gerne noch um ein paar Figuren ergänzt gesehen hätte. Und so hundertprozentig stimmt’s auch nicht. Im Roman taucht ein anderer Mafioso auf als im Verzeichnis.


    Aber egal, das sind Kleinigkeiten. Ich bin jedenfalls schon gespannt auf den fünften (und angeblich letzten) Band, z. B. auf die Auflösung des Cliffhangers sowie auf weitere Details aus Lillian Pentecosts mysteriöser Vergangenheit …


    Der Autor


    Stephen Spotswood ist ein preisgekrönter Autor von Theaterstücken, Journalist und Theaterpädagoge. Zusammen mit seiner Frau, der Jugendbuchautorin Jessica Spotswood, ihrer Katze und einer stetig wachsenden Büchersammlung lebt und arbeitet er in Washington, D.C.


    ASIN/ISBN: 103540950X

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner