Die Kriminalistinnen. Der stumme Zeuge - Mathias Berg

  • Mathias Berg: Der stumme Zeuge. Die Kriminalistinnen, Band 3, Kriminalroman, Köln 2025, Emons Verlag, ISBN 978-3-7408-2339-9, Softcover, 317 Seiten, Format: 13,4 x 3 x 20,1 cm, Buch: EUR 14,00 (D), EUR 14,40 (A), Kindle: EUR 10,99.


    Ich reichte [dem Tankwart] den Hunderter. Meine Hand zitterte dabei nicht. „Hören Sie, Herr Brandt. Die Typen haben meinen Kollegen von der Polizei und mich als Geisel. Sie dürfen nichts tun, was die unruhig macht. Verstehen Sie? Nichts. Gar nichts.“
    „Wenn Sie das sagen. Verstanden.“ Schweiß stand auf seiner Stirn.
    (Seite 279)


    Deutschlands erste Kommissarinnen

    Jetzt, wo die Serie so richtig in Fahrt kommt, ist sie zu Ende! Ich hätte Lucia Specht, eine der ersten deutschen Kriminalkommissarinnen, gerne bei weiteren spannenden Fällen begleitet.


    Düsseldorf, Dezember 1970: Lucia Specht (24), eine Ex-Sekretärin aus Essen und ihre fünf Kolleginnen sind ein dem Personalmangel geschuldetes Experiment. Noch nie zuvor hat man in Deutschland Frauen zu Kommissaren ausgebildet. Die Damen haben es nicht leicht. Manch ein misogyner Miesepeter würde sie gerne scheitern sehen und macht ihnen das Berufsleben schwer.


    Starke Frau mit chaotischem Privatleben


    Lucia Specht mag unnahbar wirken und aussehen wie die junge Catherine Deneuve, doch hinter dieser coolen Fassade steckt eine taffe Bergarbeitertochter, die sich sehr gut zu wehren weiß. Da werden die Herren schnell vorsichtig! Sie hat ein ausgezeichnetes fotografisches Gedächtnis, einen Hang zu Alleingängen und ein chaotisches Liebesleben.


    Davon wissen ihre Kolleg:innen ebenso wenig wie von Lucias eigentlichem Grund, Polizistin zu werden: Sie ist auf der Suche nach dem Mann, der den gewaltsamen Tod ihrer Mutter zu verantworten hat. Juristisch wird ihm vermutlich nicht (mehr) beizukommen sein, doch Lucia und ihr Bruder wollen wenigstens wissen, wer das getan hat und ihn mit der Tat konfrontieren.


    Vom Vermisstenfall zum Undercover-Einsatz



    Mitten im Fall Liese Wagner wird Lucia nach Köln zu einem Undercover-Einsatz abkommandiert. Sie soll, getarnt als Kunststudentin, ein paar Ganoven observieren, die offenbar an einem der umsatzstärksten Tagen des Jahres einen spektakulären Raubüberfall planen. Man weiß nur nicht wo. Also drückt sich Lucia unterfalschem Namen und ausgestattet mit einem Skizzenblock in zwielichtigen Kneipen herum, zeichnet die Leute und kommt mit ihnen ins Gespräch. Noch besser funktioniert das, als man ihr ihre Kollegin Herta Hase („Mieze“) zur Seite stellt. Mit den zwei attraktiven jungen Damen plaudern die Ganoven nur zu gern. Wie gut, dass niemand in Köln die beiden kennt! Äh, ja. Das werden wir noch sehen …


    Bruder krank, Vater hilflos, Lucia in Köln – Stress pur!


    Für Lucia ist der Einsatz Stress pur. Ihr Bruder Henning (28), liegt nach einem Grubenunglück schwer verletzt in Essen im Krankenhaus und ihr Vater kommt alleine im Alltag nicht klar. Sie müsste sich eigentlich verstärkt um die zwei kümmern.


    Der Vater ist schon überfordert damit, seinem Sohn Waschzeug und Morgenmantel in die Klinik zu bringen. Als Lucia in Hennings Junggesellenbude alles Nötige zusammensucht, findet sie ein Notizbuch und blättert es neugierig durch.


    Was hat Henning vor?


    Offensichtlich beobachtet Henning seit geraumer Zeit den Mann, von dem sie beide annehmen, dass er ihre Mutter auf dem Gewissen hat. Warum hat er nie davon erzählt? Hat er etwas vor, das seine Polizisten-Schwester nicht wissen darf? Oder, schlimmer noch: Hat er bereits etwas getan?


    Das ist aber alles nichts im Vergleich zu der Frage, wie Lucia wieder heil aus dem Undercover-Einsatz herauskommt, denn so gut, wie alle gedacht haben, hat ihre Tarnung nicht funktioniert …


    Gut, dass sich die Handlung inzwischen auf Lucia Specht und ihr engstes Umfeld fokussiert und wir uns nicht mehr in den Lebensläufen der gesamten Kollegenschaft verheddern! Das trägt aus meiner Sicht zur Spannung bei.


    Fräulein?!


    Lucia hat sich auf eine Art neu erfunden, die viele einschüchtert, was bei ihrem Job sicher kein Fehler ist. Sie ist klug und ehrgeizig, handelt kreativ und unkonventionell und hat in ihrem Beruf als Kriminalkommissarin offensichtlich ihre Berufung gefunden. Und ich zucke jedes Mal erschreckt zusammen, wenn diese starke Frau mit „Fräulein“ angesprochen wird. Aber so war das eben. Diese Anrede wurde erst 1972 abgeschafft. Offiziell. Inoffiziell lebte das „Fräulein“ noch lange weiter. Mir sind noch in den 1980er-Jahren Frauen begegnet, die auf diese Anrede bestanden haben!


    Die Songtitel, die immer wieder in der Geschichte erwähnt werden – was gerade im Radio oder in der Kneipe an Musik läuft – bescheren Leser:innen, die diese Zeit miterlebt haben, einen inneren Soundtrack.


    Den Zeitgeist gut getroffen


    Der Autor, der zur Zeit der Handlung noch gar nicht auf der Welt war, hat intensiv recherchiert, jedoch im Vorfeld mit keiner der Kripo-„Pionierinen“ von damals gesprochen. Erst im Nachhinein kam aus dieser Ecke die erhoffte Bestätigung: Er habe den Zeitgeist und die damaligen Arbeitsbedingungen sehr gut getroffen. Und beim Lesen der Geschichte schwingt immer so ein bisschen die Frage mit, welche Fortschritte wir in der Zwischenzeit gemacht haben.


    Der Autor


    Mathias Berg, geboren 1971 in Stuttgart. Lust auf das Lesen und Schreiben machte ihm seine Mutter, die Tochter eines Polizisten aus Stuttgart. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London, jobbte er als Radiomoderator und arbeitete als Werbetexter und Marketing-Redakteur. Mathias Berg lebt in Köln und in der Eifel.


    ASIN/ISBN: ö3740823399

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner