Heike Abidi: Noch immer Zeit zu lieben. Roman, München 2025, Penguin Verlag, ISBN 978-3-328-11184-9, Softcover, 333 Seiten, Format: 11,9 x 2,9 x 18,8 cm, Buch: EUR 13,00 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 4,99.
„Irgendwie fühle ich mich wie eine Hochstaplerin, wenn ich mich in Gedanken als Künstlerin bezeichne. Ich, Isabel Blum, neunundvierzig, alleinstehend, erfolglos.“ (Seite 10)
Manche Menschen sind vom Pech verfolgt. Kaum haben sie sich von einem Schicksalsschlag erholt, gibt es vom Leben schon wieder etwas auf die Mütze. Die Heidelberger Fotografin Isabel Blum, 49, ist so ein Unglücksrabe. Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn hat sie glücklich in Schweden gelebt, dann ist sie blutjung verwitwet und wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Weder emotional noch beruflich ist sie danach wieder richtig auf die Beine gekommen. Ohne ihre Agentin und Schulfreundin Olivia wäre sie verloren gewesen.
Leben mit angezogener Handbremse
Kaum hat sie den Tod ihres Partners halbwegs verarbeitet – und daran hat man ein paar Jahre zu knabbern! – stirbt überraschend ihr Vater, auch viel zu jung. Ihre Mutter erkrankt schwer und wird für lange Jahre ein Pflegefall. Wieder gerät Isabels eigenes Leben ins Hintertreffen, weil sie sich hingebungsvoll um ihre Mutter kümmert.
Nun ist die Mutter verstorben, und Agentin Olivia findet, jetzt sei endlich mal Isabel dran mit Glück und Erfolg. Sie vermittelt ihr einen Auftrag in Stockholm. Dort soll sie für einen Internetauftritt und eine Imagebroschüre ein Luxushotel und dessen Personal fotografieren.
Ausgerechnet Schweden! Dort wollte Isabel nach Oscars tragischem Tod doch nie wieder hin! Aber Olivia lässt nicht locker. Das Land kann doch nichts dafür! Und der Auftrag könnte Isabels lang ersehnter beruflicher Durchbruch werden.
Ausgerechnet Schweden!
Die Fotografin hat nicht die Energie, mit ihrer Agentin herumzustreiten und reist – aber bitte per Bahn! – nach Stockholm. Beim hektischen Umsteigen in Kopenhagen kommt ihr ein sympathischer Mann mittleren Alters zu Hilfe. Sie kommen ins Gespräch, verstehen sich bestens, verpassen aber die Gelegenheit, ihre Kontaktdaten auszutauschen.
Umso überraschter ist Isabel, als sich ihre Reisebekanntschaft wenig später als ihr Auftraggeber entpuppt: Lennart Ingvarsson, Chef des Luxushotels „Midnattssol“. Zwischen den beiden knistert es, doch Isabel will sich auf nichts einlassen. Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Sie spricht im Job nicht über Privates und schon gar nicht über ihre Vergangenheit.
Als Lennart sich darüber wundert, dass Isabel perfekt Schwedisch spricht, faselt sie was von Sprachbegabung. Hätte sie gesagt: „Ich war mit einem Schweden zusammen und habe ein paar Jahre in Göteborg gelebt“, hätte sie sich eine Menge Probleme erspart. Aber das bringt sie nicht über die Lippen.
Ein ungeheuerlicher Verdacht …
Mit viel Freude und Engagement erledigt Isabel ihren beruflichen Auftrag. Mit Lennart geht sie ein paarmal aus. Für Isabel ist das nur ein unverbindlicher Sommerflirt. Sie will nichts Ernstes mehr und sie weiß ja, dass sie in wenigen Wochen wieder in Deutschland sein wird. Lennart sieht das ganz anders. Und nach ein paar Verabredungen muss sich die Fotografin eingestehen, dass sie sich mit ihm auch mehr vorstellen könnte. Doch dann erfährt sie, dass er nicht ehrlich zu ihr war – und ihr kommt ein ungeheuerlicher Verdacht …
Statt jetzt den Mund aufzumachen, reist Isabel vorzeitig ab und ghostet die gesamte Ingvarsson-Sippe. Da wird sich das Schicksal aber mächtig ins Zeug legen müssen, um das alles wieder ins Lot zu bringen! Nur gut, dass Lennart mindestens so stur ist wie Isabel und nicht so schnell aufgibt,
Ein Traumpaar, das keins werden kann
Es ist so schön zu sehen, wie Isabel in Schweden aufblüht und wie gut sie sich mit Lennart und seinem Umfeld versteht. Die Ingvarssons schleppen die Fotografin bei der Motivsuche von Highlight zu Highlight und alle haben einen Riesenspaß. Und aus diesem Traumpaar soll nichts werden, nur weil sie es nicht schaffen, offen und ehrlich miteinander zu reden? Das wäre doch ein Jammer!
Ich bin ein großer Freund der Nichteinmischung, doch in diesem Fall hätte ich eine Ausnahme für sinnvoll gehalten. Olivia kennt doch die ganze Geschichte, und ich habe das Gefühl, dass auch Lennarts Eltern Bescheid wissen. Hätte sich da nicht mal jemand erbarmen und dem armen Kerl einen kleinen Hinweis geben können? Er hat ja nicht den Hauch einer Ahnung, warum Isabel aus heiterem Himmel nichts mehr von ihm wissen will!
Leute! Redet miteinander!
Aber so ist er halt, der Homo sapiens! Er macht sich und seinen Artgenossen das Leben oft unnötig schwer, selbst wenn er oder sie schon um die 50 ist, Lebenserfahrung hat und es eigentlich besser wissen müsste.
Ich konnte nicht mit dem Lesen aufhören, weil ich unbedingt wissen wollte, wie lange Isabel und Lennart noch umeinander herumtanzen wollen, bis endlich zur Sprache kommt, was angeblich zwischen ihnen steht. Leute!!! Kommunikation hilft!
Zu Schweden habe ich keine Beziehung, aber ich war völlig fasziniert von Isabels großartigen Erlebnissen dort. Es würde mich nicht wundern, wenn dieses Buch manchen Leserinnen als Urlaubs-Inspiration dienen würde. Das Land scheint wirklich eine Reise wert zu sein. Oder mehrere. Nur auf eine Begegnung mit einem Mann wie Lennart würde ich nicht zählen. Diese Sorte dürfte ziemlich rar sein … 😉
Die Autorin
Heike Abidi ist studierte Sprachwissenschaftlerin. Sie lebt mit Mann, Sohn und Hund in der Pfalz bei Kaiserslautern, wo sie als freiberufliche Werbetexterin und Autorin arbeitet. Heike Abidi schreibt vor allem Unterhaltungsromane und erzählende Sachbücher für Erwachsene sowie Geschichten für Jugendliche und Kinder. »Eine wahre Freundin ist wie ein BH«, das sie zusammen mit Ursi Breidenbach veröffentlichte, hielt sich monatelang auf den Bestsellerlisten.
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ASIN/ISBN: 3328111840 |