Melissa Caughey: How to Read a Chicken's Mind. Wie deine Hühner denken, fühlen, lernen und sich mitteilen, OT: How to Read a Chicken's Mind: Understand How Chickens Learn, Perceive People, Express Emotions, and Pass Down Knowledge, aus dem Englischen von Susanne Schmidt-Wussow, Bern 2025, Haupt Verlag, ISBN 978-3-258-08450-3, Klappenbroschur, 128 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Format: 20,3 x 15,2 x 1,1 cm, EUR 22,00.
Ich bin, wie viele andere Menschen auch, mit der Überzeugung aufgewachsen, dass Hühner nicht gerade Intelligenzbestien sind. Das ist eigentlich ziemlich arrogant. Sie können alles, was sie als Hühner können müssen – und manches, was man ihnen gar nicht zugetraut hätte.
Was Hühner alles können!
Sie kommunizieren miteinander, sie erkennen ihre Bezugsmenschen und haben sogar Namen für sie, sie pflegen Freundschaften und haben in ihrer Schar eine ausgeprägte Hierarchie, die sich an veränderte Gegebenheiten flexibel anpassen kann. Sie können sich mit anderen Tierarten verständigen und auch mit uns Menschen, wenn wir richtig hinhören. Sie geben ihr Wissen an nachfolgende Generationen weiter – auch die Namen, die sie ihren Menschen geben. Man kann ihnen Tricks beibringen. Sie sind zu verschiedenen Emotionen fähig und sogar zu Täuschung und Manipulation. In ihren murmelgroßen „Spatzenhirnen“ ist also mehr los, als man gemeinhin annimmt.
Das Buch ist so eine Art Hühner-Grundkurs. Die Autorin hält selbst seit Jahren Hühner, weiß daher genau, wovon sie spricht und gibt uns ihr gesammeltes Wissen gerne weiter.
Vom Schnabel bis zur Kralle
„Wenn man wissen will, wie ein Huhn tickt, muss man erst einmal verstehen, wie sein Körper funktioniert.“ (Seite 61)
Und so erhalten wir von ihr einen kompakten Überblick vom Schnabel bis zu den Krallen: Skelett, Organe, äußere Merkmale … Diese Übersicht beantwortet auch die Frage, die mich als Kind beschäftigt hat: „Haben Hühner denn auch Ohren? Man sieht ja keine!“ Meine Familie wusste damals die Antwort und auch, was die Ohrlappen der Hühner mit der Farbe der Eier zu tun haben, die sie legen. Im Buch wird das ebenfalls erklärt.
Der Hühnerschnabel, so lernen wir, ist ein wahres Wunderwerk. Umso barbarischer kommt uns eine häufige Praktik in der kommerziellen Hühnerproduktion vor: Um die Tiere davon abzuhalten, sich gegenseitig zu verletzen, wird ein Teil des Oberschnabels oder des Ober- und Unterschnabels entfernt. Wenn man Hühner als fühlende Wesen wahrnimmt, ist so manches aus dem Bereich der Nutztierhaltung nur schwer auszuhalten, auch wenn es hier nur angedeutet wird. Normalerweise verdrängt man solche Informationen - jedenfalls die meisten von uns.
Hühner haben „Besties“
Hühner haben eine Vorstellung von „ich“ und „wir“. Sie kommen am besten mit Tieren ihrer eigenen Hühnerrasse klar, weshalb man in einer bunt gemischten Schar am besten von jeder Sorte zwei hält. Sie haben beste Freundinnen, kümmern sich um sie und trauern, wenn sie nicht mehr da sind. Es gibt unter den Hühnern unterschiedliche Persönlichkeiten und sie können neben negativen Emotionen wie Angst und Frustration offenbar auch sowas wie Glück empfinden.
Mehr als nur gack-gack
Wer Melissa Caugheys Buch HOW TO SPEAK CHICKEN (Haupt Verlag, 2018) gelesen hat, für den ist das Kapitel über die Hühnersprache eine kurze Wiederholung. Wie die Autorin die Sprache der Hühner entschlüsselt und ihre Erkenntnisse getestet hat, beschreibt sie in dem genannten Werk ausführlich. Hier gibt’s eine kondensierte Version davon, so eine Art Wörterbuch. Wahrscheinlich gackert der Leser – zumindest im Geiste – die Hühnervokabeln vor sich hin, während er das liest. 😊 Von Vorteil wäre es natürlich, Hörbeispiele zu haben. Es gibt bei YouTube einen Beitrag, in dem Melissa Caughey und ihr ebenfalls hühnerkundiger Gesprächspartner uns was vorgackern.
Hühnerwissen für Einsteiger
Wie immer bei Sachbüchern kommt es auf den aktuellen Kenntnisstand des Lesers an, ob ihm das Buch neue Erkenntnisse beschert oder nicht. Ich würde sagen, das ist eher was für Einsteiger. Die Autorin liefert unterhaltsam aufbereitete laiengerechte Informationen, und aussagekräftig bebildert ist das Buch auch.
Abb.: © Haupt Verlag, Foto: E. Nebel
Ich bin kein großer Freund des Trends, englischsprachige Buchtitel einfach unübersetzt zu übernehmen. Ja, klar, man spart dadurch Zeit, Geld und Gehirnschmalz und muss sich, vorausgesetzt der Titel ist international geklärt, nicht auch noch um rechtliche Belange kümmern. Das bisschen Englisch, scheinen sich die Verlage zu denken, kann doch jeder! – Wirklich? Ich finde, man macht es sich da ein bisschen leicht. Aber gut …!
In Hühnersprache fällt mein Fazit zu diesem Sachbuch in etwa so aus: „Prrrrrrrrrr“. *)
* = Zufriedenheit.
Die Autorin
Melissa Caughey ist eine preisgekrönte Autorin und Bloggerin - http://www.tillysnest.com. Ihre Hauptthemen sind Hühnerhaltung, Bienenhaltung und Gärtnern. Sie lebt mit ihrer Familie am Cape Cod (USA).
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ASIN/ISBN: 3258084505 |