Fragen an Ines Thorn

  • Sandra,


    dass ich Dich mit meinen Fragen an die Autorin verärgert habe, bedaure ich. Ich kenne Ines Thorn nicht persönlich, allerdings sind wir uns schon begegnet.


    Du schreibst:
    "Ein echter und guter Kritiker aber behält immer das große Ganze eines Romans im Blick. Dies fehlt mir bei dir."


    Hierzu kann ich nur sagen, dass ich kein Literaturkritiker bin. Allerdings habe ich, da ich den Roman "Die Silberschmiedin" gelesen habe, einige Fragen. Eine Frage die ich an Ines Thorn gerichtet habe und die m.E. das große Ganze im Blick hat, war die Frage:


    "Warum wird bei der Beantwortung der Fragen um Identität und Liebe die Plattform des Mittelalters betreten?"


    Über weite Strecken des Roman habe ich mich gefragt, was treibt David und was treibt Eva dazu, so zu handeln, wie sie es tun. Und das ist meine Meinung: Eine Zitatensammlung des Mirandola ist mir für die Beantwortung der Fragen nicht hilfreich. Daher auch meine Frage an die Autorin: Warum sich "... bei der Beantwortung der Fragen um Identität und Liebe eine "Duchschnittsheute"-Frau mit den Antworten von Mirandola auseinandersetzen und nicht mit den Antworten von Philosophen der Jetzt-Zeit ..." soll.


    Das ist - zugegeben - eine provokante Frage. Aber es ist der Roman der diese Frage - zumindest bei mir - provoziert. M.M. bestand zwischen Eva und David ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, das sich - aus meiner Sicht - eher psychologisch als philosophisch erklären lässt. Die Analyse des Beziehungsverhältnisses zwischen den beiden lässt bei mir viele Fragen offen. Es mag sein, dass es anderen Lesern anders geht.


    Hubert2

  • Zitat

    Original von hubert2
    Über weite Strecken des Roman habe ich mich gefragt, was treibt David und was treibt Eva dazu, so zu handeln, wie sie es tun. Und das ist meine Meinung: Eine Zitatensammlung des Mirandola ist mir für die Beantwortung der Fragen nicht hilfreich. Daher auch meine Frage an die Autorin: Warum sich "... bei der Beantwortung der Fragen um Identität und Liebe eine "Duchschnittsheute"-Frau mit den Antworten von Mirandola auseinandersetzen und nicht mit den Antworten von Philosophen der Jetzt-Zeit ..." soll.


    Ganz einfach: Weil es im historischen Kontext stimmig ist. In diesem Kontext mit den Ideen von Freud, Reich, Skinner, Fromm, Norwood etc. daherzukommen, wäre anachronistisch und damit literarisch daneben. Schließlich will der Leser eines historischen Romans erfahren, wie die damaligen Menschen (möglicherweise) gedacht und gefühlt haben; sonst würde er zu einem zeitgenössischen Buch greifen. :grin


    Zitat

    M.M. bestand zwischen Eva und David ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, das sich - aus meiner Sicht - eher psychologisch als philosophisch erklären lässt. Die Analyse des Beziehungsverhältnisses zwischen den beiden lässt bei mir viele Fragen offen.


    Der Ansatz ist grundfalsch: Autoren historischer Romane sind keine Psychologen, die Ereignisse in ferner Vergangenheit mit heutigem Handwerkszeug ausdeuten (über dieses Ansinnen würde auch jeder Historiker nur den Kopf schütteln). Im Gegenteil: Im besten Falle gelingt es uns, (wenn auch fiktiven) Menschen z.B. des späten Mittelalters nicht die Theoreme des 20./21. Jhs. aufzupfropfen. :grin


    Wenn dich das nicht befriedigt, kann ich nur empfehlen: Finger weg von historischen Romanen! :lache

  • Lieber Hubert2,


    auch ich vermute, dass wir uns schon begegnet sind. Falls meine Vermutung stimmt - die im Profil angegebene Emailadresse weißt in Richtung Süddeutschland - sind Ihre Fragen an die Person Ines Thorn gerichtet, nicht an die Autorin, nicht wahr?
    Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob dieses Forum und diese Leserunde der richtige Rahmen dafür sind.


    Zitat:
    "Warum wird bei der Beantwortung der Fragen um Identität und Liebe die Plattform des Mittelalters betreten?"

    Die Antwort ist denkbar einfach: Ich bin Autorin historischer Romane und somit eine Vertreterin des Genres. Immer wieder aber geschieht es, dass Autoren und Autorinnen aller Genres Themen aufgreifen, die auch heute noch nichts an Aktualität eingebüßt haben. Man findet diese Themen ebenso in Liebesromanen, in Krimis, in der Hochliteratur. Und dies seit Jahrhunderten.


    Zitat:
    "Über weite Strecken des Roman habe ich mich gefragt, was treibt David und was treibt Eva dazu, so zu handeln, wie sie es tun. Und das ist meine Meinung: Eine Zitatensammlung des Mirandola ist mir für die Beantwortung der Fragen nicht hilfreich. Daher auch meine Frage an die Autorin: Warum sich "... bei der Beantwortung der Fragen um Identität und Liebe eine "Duchschnittsheute"-Frau mit den Antworten von Mirandola auseinandersetzen und nicht mit den Antworten von Philosophen der Jetzt-Zeit ..." soll.


    Die Philosophie Mirandolas hat im Grunde wenig mit der Liebesgeschichte zwischen David und Eva zu tun. David benutzt lediglich diese Philosophie, um sein Handeln zu rechtfertigen.
    Gleichwohl ist dieses Gedankengut ein Zeichen der heranbrechenden Neuzeit und hat somit seinen Platz in diesem Roman gerechtfertigt.
    Auf welche Art und Weise sich die Durchschnittsfrau mit den Fragen nach Liebe und Identität beschäftigt, ist wohl eher eine Sache der persönlichen Vorlieben. Im historischen Roman haben heutige Philosophen und Psychologen nichts zu suchen; Iris schrieb es bereits.
    Ich weiß nicht so ganz genau, was das Ziel Ihrer diesbezüglichen Frage ist, versuche aber trotzdem zu antworten.
    Die historische Autorin versucht natürlich, auf diese Fragen nach Liebe und Identität Antworten im Rahmen der historischen Zeit zu geben.
    Die Person Ines Thorn sucht die Antwort darauf nicht nur im wirklichen Leben, sondern auch bei den Zeitgenossen und ganz aktuell bei dem amerikanischen Philosophen Harry G. Frankfurt. Der Mann heißt tatsächlich so und sein Buch "Gründe der Liebe" ist für mich derzeit eine wahre Fundgrube.


    Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.


    Grüße von Ines Thorn

  • ... oder um mal einen ganz alten, nichtsdestotrotz hochaktuellen Diskurs ins Gespräch zu bringen: Platons Symposion (dt. auch Das Gastmahl oder Das Trinkgelage)


    (Die unten angegebene Übersetzung von Ute Schmidt-Berger ist weitaus näher am Sinn als die von Friedrich Schleiermacher, der zwar "wortgetreuer" zu übersetzen scheint, den Platon aber überinterpretiert, wo er ihm nicht ins eigene System paßt)