Kaiserwalzer

  • Liebe Eulen,
    nein, ich will keine großen Ansprachen halten, lest einfach...




    „Tanzt du mit mir?“
    Überrascht blickt ein Paar brauner Augen zu mir auf und verweilt einen Moment lang prüfend auf meinem Gesicht. Nur nicht rot werden, schießt mir durch den Kopf. Nur seinem Blick weiter Stand halten, dann klappt das schon.
    Schließlich zuckt er lässig mit den Schultern. „Warum eigentlich nicht...?“
    In mir tobt eine Freudenparty, ein Feuerwerk.
    „Was willst du denn tanzen?“
    Huch, er redet mit mir.
    „Ähm... äh... Walzer? Disco-Fox? Was du willst.“
    „Andreas, machst du mal den Kaiserwalzer an?,“ ruft er zum DJ und Tanzlehrer rüber, während er aufsteht.
    K-k-kaiserwalzer?!
    „Das ist doch okay, oder?“
    „Klar.“
    Okay? Gar nichts ist okay. Oh Gott, ich bin tot, das überleb ich nicht... Ich bin doch kein Hochleistungssportler, so wie er!
    Er nimmt meine rechte Hand, legt seine Rechte auf meine Hüfte und ich meine Linke auf seine Schuler. Zu Anfang ist es noch ein langsamer vier-viertel-Takt. Marschtempo. Oh Gott, wie habe ich den Anfang dieses Stückes immer gehasst, wenn wir ihn mit dem Orchester gespielt haben... damals konnte ich noch gar nicht tanzen.
    Dann wechselt die Musik plötzlich mit einem Trompetensolo in einen schnellen drei-viertel-Takt. Mein Herz setzt für einen kurzen Moment aus, als er ebenso plötzlich einen Schritt nach vorne macht und mich so zum Rückwärtsgehen zwingt. Wie war das? Auf der eins rückwärts oder vorwärts, je nach Position, auf der zwei seitwärts und auf der drei aufschließen...
    Aber warum eigentlich darüber nachdenken? Er schafft es ja, mich so zu führen, dass meine Beine wie von selbst arbeiten und wirbelt mit mir zugleich mit so einem Tempo durch den Saal, dass ich Angst habe, von der Fliehkraft aus der Bahn geworfen zu werden. Doch irgendwie schafft er es auch noch, mich festzuhalten.
    Ich weiß es noch genau... fünf eng bedruckte Seiten war der Walzer lang, als wir ihn gespielt haben. Und dabei war es die gekürzte Fassung, ohne das zweite Trompetensolo (was ihm gar nicht gepasst hat) und ohne diese ganzen Da Capi. Trotzdem hat das ganze Stück sieben Minuten gedauert. Gefühlte fünfundvierzig heißt das... Und das hier ist die ungekürzte Fassung, also gute elf Minuten lang. Oh Gott.
    Nun kommt die Stelle, die sich so nach dem Ende anhört. Völlig falsch, es sind einfach nur zwei Takte Generalpause, dann geht es im Tampo di valse, aber più mosso weiter.
    Zum ersten Mal suche ich seinen Blick. Was ich sehe erstaunt mich: seine Augen glänzen, seine Wangen sind leicht gerötet und er lächelt. Ich wusste nicht einmal, dass dieser Stein von Junge das überhaupt kann! Aber, oh Gott, er lächelt...
    Als sich unsere Blicke begegnen verliert er anscheinend kurz sein so ausgezeichnetes Taktgefühl. „Tut mir Leid,“ murmelt er, senkt den Blick und überspringt einen Schritt, um wieder rein zu kommen.
    Die Musik verklingt. Waren das die elf Minuten, beziehungsweise die gefühlte Stunde? Eigentlich viel zu kurz...
    „Ich muss los.“
    Los? Wie los? Wohin los?
    „Ich hab nur noch zwei Minuten, dann muss ich am Bahnhof sein.“
    Er lässt meine Hand los und fährt sich durch die Streichholzkurzen Haare, deren Farbe irgendwo zwischen blond und braun liegt. Das Lächeln ist verschwunden, doch seine Augen glänzen noch und auf seiner Stirn glitzern Schweißperlen. Aha, auch unser Handballprofi gerät trotz seiner Kondition und seiner Muskeln mal ins Schwitzen.
    „Es hat Spaß gemacht, mit dir zu tanzen! Bis bald.“
    Ich schaffe es nur noch, ebenfalls „Bis bald“ zu murmeln, da rauscht er auch schon in Richtung Tür.
    Mit schmerzenden Beinen, aber lächelnd stehe ich da und blicke ihm nach.




    Merci beaucoup, auch für jede noch so harte Kritik, die kommen wird!


    Eure Rava

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.

  • :anbet :anbet :anbet :anbet Wie toll! :lache


    Nur der Kuss fehlt :cry :lache naja aber dabei hast du dir ja was dabei gedacht!!!


    Ich tanze auch, zwar nicht besonderst gut, aber trozdem!


    DENY :wave

    "Rettet Robert- bewahrt den kleinen Robert nur als kleine Nebenrolle zu enden"
    (Rubinrot- Kerstin Gier) Macht mit! :lache

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von deny ()

  • Also mir gefällt deine Geschichte ziemlich gut. Lässt sich gut lesen, ich finde die Gefühle des Mädchens kommen gut herüber und die Szene gefällt mir :-) Deine Art zu schreiben gefällt mir, ich wurde verleitet, die Geschichte bis zum Schluss zu lesen und das gerne :-]
    War das jetzt schlimm? :wave

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Branka ()

  • Ich bin ehrlich gesagt überrascht, ich dachte, ich werde hier jetzt durch die Mangel gedreht... :wow
    Danke, Branka und Deny! :anbet :anbet :anbet


    Branka : Nein, ganz im Gegenteil...


    deny : Naja, wir wollen ja auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Vielleicht gibt es ja irgendwann einen Kaiserwalzer Episode zwei MIT Kuss... [SIZE=7]Das hoffe ich doch...[/SIZE]


    LG,
    Rava

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


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  • Ich habe die Geschichte jetzt auch zwei Mal gelesen, bin aber noch immer nicht sicher dahinter gekommen, was mich daran stört.


    Ein bisschen komisch finde ich, dass das Mädchen bei diesem Walzer an ihre Orchesterarbeit denkt. Am Anfang waren ihre Gedanken ganz auf den Jungen gerichtet, dann hat er sie im Arm und sie denkt an das Orchester? Oder habe ich da was falsch gelesen?
    Irgendwie kommt mir das wie ein Themenwechsel vor. Zuerst eine leise Liebesgeschichte und dann geht es plötzlich um Musik. Ja, ich glaube, das ist es, was mich stört.


    Edit: Rava, mir ist aufgefallen, dass ich dich an den allgemein geltenden Maßstäben gemessen und dein Alter dabei gar nicht beachtet habe. Ist das okay?

  • Zitat

    Edit: Rava, mir ist aufgefallen, dass ich dich an den allgemein geltenden Maßstäben gemessen und dein Alter dabei gar nicht beachtet habe. Ist das okay?


    Ja, das ist ok. Danke!


    Zitat

    Oder habe ich da was falsch gelesen?


    Nein, das hast du nicht. :-) Es ist schon so, dass das Thema zwischendrin wechselt, bzw. dass es eigentlich zwei Themen gibt: einmal die Liebesgeschichte und dann die Musik. Ich habe beides miteinander verbunden, weil ich denke, dass a) nur über Musik zu schreiben ziemlich langweilig für den Leser ist, es sei denn, er kennt sich selber damit aus und weiß, worüber ich spreche und b) wollte ich ein bisschen rüberbringen, warum sie das hier am Anfang sagt:

    Zitat

    K-k-kaiserwalzer?!
    „Das ist doch okay, oder?“
    „Klar.“
    Okay? Gar nichts ist okay. Oh Gott, ich bin tot, das überleb ich nicht... Ich bin doch kein Hochleistungssportler, so wie er!


    Ich hätte auch einfach schreiben können: Nicht diesen so verdammt schnellen Kaiserwalzer und es dabei belassen können. Nur finde ich, habe ich das so, wie ich es gemacht habe, besser rübergebracht. :-)


    LG,
    Rava :wave

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  • Rava,


    Themenwechsel in einer so kurzen Kurzgeschichte? Da hast du dir ja gleich was Schwieriges vorgenommen.
    Ich bleibe leider dabei: Für mich gibt es einen Bruch.
    Hmm, vielleicht könnte man den Bruch vermeiden, wenn man Adjektive aus dem Bereich der Musik mit dem Jungen verknüpft.
    Hier ein Beispiel:
    Zitat: "Okay? Gar nichts ist okay. Oh Gott, ich bin tot, das überleb ich nicht... Ich bin doch kein Hochleistungssportler, so wie er!"


    Okay? Gar nichts ist okay? Oh Gott, mein Inneres fühlt sich so verknotet an wie ein Notenschlüssel. Ich bin doch kein Prestissimo so wie er.


    Oder so ähnlich. Weißt du, was ich meine?


    Möglich ist es auch, den ersten Satz in dieser Richtung zu verändern, damit gleich klar wird, um was es geht.


    Zitat: Überrascht blickt ein Paar brauner Augen zu mir auf und verweilt einen Moment lang prüfend auf meinem Gesicht.


    Überrascht blickt ein Paar brauner Augen, rund wie Marschmusiknoten, ....

  • Huch, Ines hat schon wieder geantwortet ... Na ja, ich stell meine möglicherweise etwas veraltete Antwort doch rein.
    So, jetzt habe ich die Geschichte noch einmal gelesen. Immer noch unverändert. Ich empfinde keinen Bruch zwischen der Liebesgeschichte und den Gedanken an die Orchesterarbeit. Für mich verbindet sich beides. Zuerst einmal gibt es da die unerwartete Gemeinsamkeit zwischen dem Mädchen und dem Jungen. Er kennt / mag den Kaiserwalzer. Dann spiegelt sich für mich die Anspannung, die man empfindet, wenn man mit dem Angebeteten tanzt (und das zum ersten Mal) mit der Orchesterarbeit (Konzentration, nichts soll schief gehen). Zuguterletzt bin ich ja selbst so ein Kandidat für Sprünge / Brüche und Übergangshandlungen. Vielleicht spricht es mich deshalb an?
    Der Titel hat mir gefallen, weil er anders war, weil man nicht von vorneherein erahnen konnte, in welche Richtung es geht.


    Liebe Grüße


    Solas :wave

  • Mh... ich kanns ja mal probieren, den ein oder anderen Satz in diese Richtung zu verändern und ne Alternativversion einstellen.



    LG,
    Rava

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  • Zitat

    Original von Ines
    Ein bisschen komisch finde ich, dass das Mädchen bei diesem Walzer an ihre Orchesterarbeit denkt.


    Hmm... sie hat diesen Walzer im Orchester gespielt (was sie auch sofort erklärt) - da finde ich es nur natürlich, dass sie sofort daran denkt. Musik, die man selbst gemacht hat, empfindet man beim Hören ganz anders. Auch den "Hochleistungssportler" würde ich da stehen lassen - denn sie weiss genau, wie lang der Walzer ist und wie anstrengend, eben weil sie ihn durch das Spielen so gut kennt. Ich habe da keinen Bruch empfunden (und daher auch keine semantische Verknüpfung vermisst) - aber vielleicht auch deshalb nicht, weil ich die Erfahrung mit dem vertrauten Stück so gut kenne und mich gleich reinversetzen konnte.


    Zwei ganze Takte Generalpause? :wow Puh, die sind aber lang...


    Das Einzige, was für mich ein bisschen zu klischeehaft wurde, war die Mitte, wo sie nicht mehr über ihre Füsse stolpert, sondern sich wie selbstverständlich von ihm führen und wirbeln lässt... vielleicht müsste man das ein bisschen konkretisieren, ein ungewöhnlicheres Bild finden oder noch mal auf eine Passage in der Musik beziehen? :gruebel


    Meinen Nerv hat's getroffen, sprachlich wie inhaltlich!

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Also gut, ich lass es so^^ :-)


    Zitat

    Zwei ganze Takte Generalpause? Puh, die sind aber lang...


    Ja, und das ist ein verdammt komisches Gefühl, wenn man meint, das Lied ist zu Ende und plötzlich geht es einen Gang schneller weiter... aber da das ein Wiender Walzer ist gehen die Takte dann doch so schnell vorbei, dass man nicht aus dem Takt kommt. Eigentlich sind es vielleicht zwei oder drei Sekunden... aber eben trotzdem noch zwei Takte.




    LG,
    Rava

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  • huhu rava,


    mich hat auch der titel angelockt, kaiserwalzer hört sich einfach schön und romantisch an............
    die geschichte ist toll geschrieben, klingt als hätte es diese situation wirklich mal gegeben (war es so ??? *grübel*)
    aber genau aus dem grund hab ich mich beim lesen gefühlt als wäre ich direkt dabei und würde neben dem paar stehen und mit dem mädchen hoffen und bangen.


    hoffentlich kann ich bald den zweiten teil vom kaiserwalzer lesen :-)

  • Zitat

    die geschichte ist toll geschrieben, klingt als hätte es diese situation wirklich mal gegeben (war es so ??? *grübel*)


    Hat es. :-)



    Zitat

    hoffentlich kann ich bald den zweiten teil vom kaiserwalzer lesen


    Hoff ich auch. :-)


    LG,
    Rava

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.

  • hey rava,


    drücke dir ganz ganz fest die daumen das es so weitergeht wie du es dir wünschst und wir ein schönes happy end zu lesen bekommen. :knuddel1


    wie schon gesagt deine geschichte ist toll geschrieben, einfach mit herz und das merkt man beim lesen, dachte wirklich ich stehe direkt daneben........

  • Zitat

    drücke dir ganz ganz fest die daumen das es so weitergeht wie du es dir wünschst und wir ein schönes happy end zu lesen bekommen.


    Danke, Sweetmouse! :knuddel1


    LG,
    Rava

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.