Werten wir Leser uns eigentlich selber ab?

  • Hi,


    jetzt habe ich es eigentlich schon oft hier gelesen in den Diskussionen, dieses berühmte "abschalten" nach dem Arbeitstag, in eine andere Welt flüchten.


    Dabei denke ich, dass das Gehirn doch nicht abschaltet, wenn wir Trivialliteratur lesen! Es ist ein enormer Gehirnprozess wenn wir gleichzeitig lesen, und uns dabei das Gelesene auch noch bildlich vorstellen! Also von "abschalten" kann keine Rede sein.


    Insofoern denke ich ist es kein Wunder, wenn uns mancher Klassiker- und Möchtegernbesserwisser schief anschaut, wenn wir mit mancher Trivialliteratur daherkommen und sagen, wir lesen das nur, um "abzuschalten". Ich denke, gerade das Gegenteil ist der Fall.


    Deshalb die Frage, ob wir uns nicht oft unbewusst selber abwerten?


    mfg

  • Das kommt auf die subjektive Definition des Einzelnen von "abschalten" an, würde ich sagen. Ich verstehe darunter, dass ich mich eben nicht mit den solchen Sachen, wie Kindererziehung, Partner verstehen, Geldverdienen und Rechnungen zahlen geistig beschäftigen muss, sondern eben einfach mich ganz und gar einer "Freizeit"-Beschäftigung hingeben kann. Ob das nun lesen oder etwas anderes ist, ist dabei gleich. Wenn ich mich dem voll und ganz widmen kann und meinen Spass daran habe, dann ist das für mich abschalten.


    Die Qualität dessen, was man tut, wird dadurch nicht geringer, nur weil man es zu seinem Vergnügen macht.


    Gruss,


    Doc

  • Hi Doc,


    das ist ja auch richtig so.


    Nur bin ich auch oft ein treuer Verteidiger der Trivialliteraturleser, und tu mich manchmal schwer, wenn so ein Oberaffe sagt, die lesen doch nur, um deren Gehirn nicht anzustrengen. Das finde ich nicht nur arrogant und abwertend, sondern besonders dumm.


    So philosophiere ich gerne über dieses Thema, und denke, dass vom eigentlichen "abschalten" gar nicht die Rede sein kann, denn das Gehirn arbeitet unaufhörlich, und das Vorstellen anderer Welten durch Bücher lesen ist eine Heidenarbeit. :grin


    Aber es kommt natürlich darauf an, wie man "abschalten" interpretiert. Die meisten Leser, so wie ich, meinen, dass man einfach vom Alltag abschalten kann.


    mfg

  • Zitat

    Zitat von Historikus
    Nur bin ich auch oft ein treuer Verteidiger der Trivialliteraturleser, und tu mich manchmal schwer, wenn so ein Oberaffe sagt, die lesen doch nur, um deren Gehirn nicht anzustrengen.


    Wer sollte derartiges sagen? Was hat er davon, wenn er sowas absondert?

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Zitat

    Wer sollte derartiges sagen? Was hat er davon, wenn er sowas absondert?


    Das wundert mich jetzt aber! Hattest du noch nie etwas mit Leuten zu tun, die über deine Vorliebe zur Trivialliteratur etwas schief gekuckt, die Nase gerümpft, und vielleicht auch noch was dazu gesagt haben "Son Dreck liest du?".


    Da musst du dann schon mit denen Doofenköpfen streiten. :grin


    mfg

  • Ehrliche Antwort: nein. Ich hatte noch nie mit Leuten zu tun, die über meine Lesegewohnheiten die Nase gerümpft haben, sei es nun während meiner Hohlbein-Zeit, meiner King-Zeit oder meiner Klassiker-Zeit. Heutzutage ist es anscheinend eine Seltenheit, wenn man in meinem Alter liest, daran stört sich deswegen auch niemand. Diskutieren lässt sich ansonsten prima, da mein Freundeskreis ebenfalls sehr belesen ist.

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Ich muss gestehen, dass ich früher öfters 'belächelt' wurde. In meiner Teenager-Zeit habe ich gerne die Denise-Heftchen gelesen oder Bücher von Heinz G. Konsalik. Da habe ich mich dann nach ein paar nicht so netten Kommentaren auch gar nicht mehr getraut zu sagen, dass ich das lese...


    Jetzt traue ich mich aber wieder zuzugeben, dass ich das mal gelesen habe... :grin


    Gehört Konsalik eigentlich zur Trivial-Literatur? :gruebel

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Morgana
    Ich hab mal einen Konsalik gelesen, der mir gut gefallen hat. Ist allerdings auch schon rund 20 Jahre her und ich kann mich an den Titel nicht mehr erinnern. Der Roman handelte von einem Mann, der im zweiten Weltkrieg eine schwere Gesichtsverletzung erlitten hatte und dann nach und nach ein neues Gesicht von den Ärzten hinoperiert bekam. Ich war damals recht angetan von dem Buch.


    Gruss,


    Doc

  • Hi, Morgana.


    Zitat

    Gehört Konsalik eigentlich zur Trivial-Literatur?


    Wenn Du damit die Literatur meinst, die von den Feuilletons ignoriert wird, die nicht in nachdenklichen Kritikerrunden besprochen wird, die niemals beim Bachmann-Wettbewerb gelesen würde, für den Nobelpreis nominiert, in einen MRR'schen Kanon aufgenommen, Gegenstand einer verkopften Promotionsarbeit - dann ja. Das Beispiel ist allerdings schlecht; wie so vieles, das in der Vergangenheit belächelt wurde, hat Konsalik inzwischen Kultstatus erreicht. Der Mann war ein Arbeitstier mit ungeheurem Ausstoß, schreiben war sein Beruf, sein Brotjob, und den hat er gut gemacht. Der Erfolg hat's bewiesen.


    Ich lese alles und ich schäme mich nicht dafür, ganz im Gegenteil: Ich veröffentliche auch Rezensionen zu Büchern, die in die o.g. Kategorie fallen würden. Wenn ein Buch Spaß macht, dann ist es ein gutes Buch, für mich - anderer Leute Werturteile sind mir absolut ganz und gar vollständig schnuppe in diesem Zusammenhang. :-)

  • Also ich finde die Frage sehr berechtigt. Mir ist das schon sehr oft passiert, dass (in der Schule vor allem) Freunde oder Bekannte mich blöd angestarrt haben und dann ganz entgeistert fragen: Was? Du liest überwiegend Fantasy? :fetch


    Dabei stimme ich Historikus zu, wenn er sagt, dass man auch beim Lesen von Trivialliteratur (hab ich schon erwähnt, dass ich das Wort nicht mag?) sein Gehirn anstrengen muss und wahrscheinlich um einiges mehr, als wenn man sich bloß vor die Glotze wirft und, von mir aus, einen Dokumentationsfilm sieht... weil das irgendjemand wirklich macht! :lache Also ich kenne niemanden.


    Ich fühle mich zwar manchmal schon ein bisschen abgewertet, auch durch mich selbst. Wenn zB eine Freundin jetzt einen Thomas Mann oder einen Hesse liest, denke ich mir immer: Mann, von dem musst du auch (wieder) mal was lesen! Je nachdem. Aber auf jeden Fall fühle ich mich dann immer versucht, den Harry Potter zu verstecken.


    Aber inzwischen bin ich so weit über mich selbst hinausgewachsen, dass ich (und da bin ich sicher) auch mit 40 noch stolz am Bahnhof sitzen werde, und während ich auf den Zug warte, seelenruhig ein Kinderbuch mit schreiend buntem Cover und kleinen Illustrationen drin, lesen kann. :lache

  • mmh, also ich ertappe mich doch hin und wieder dabei, dass - wenn ich weg bin - doch eher die "höheren" Bücher mitnehme. Klassische Literatur oder Titel, die was hermachen...
    doch ich bemühe mich, mal Wendys Beispiel zu folgen: Mich auch mal mit einem Kinderbuch zub. nach draußen zu wagen.. kaufen kann ich es ja auch. :lache


    aber zurück zum Thema "Abschalten" - ich kann da auch nur nachsagen, was bisher gesagt wurde: für mich bedeutet das einfach, mal mit den GEdanken woanders hinkönnen. Einen Mordfall helfen aufzudecken, Verschwörungen zu entdecken - nicht nach der Frage herrennen, wie ich das nächste Mal in Mathe ne 2 bekomme.. :grin

  • Wenn meine Frau mein Lesematerial sieht, geht sie wie ein HB-Fauchen an die Decke und wenn wir Besuch bekommen, muss alles versteckt werden, damit es ja keinen Gast sieht, denn für sie ist Trivialliteratur Schund, es sei denn es sind Krimis oder Thriller, die sie selber gerne liest oder ein amerikanischer Roman. Und ganz gerne fällt man zufällig ein Buch von mir in die Rundablage P oder auch zwei oder auch drei. Da ich aber das Altpapier selbst wegbringe kann ich immer wieder meine Schinken retten

  • Zitat

    Original von mike
    Wenn meine Frau mein Lesematerial sieht, geht sie wie ein HB-Fauchen an die Decke und wenn wir Besuch bekommen, muss alles versteckt werden, damit es ja keinen Gast sieht...


    Was sind das denn in der Regel für Bücher? *neugierig ist*

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Zitat von His:
    Das wundert mich jetzt aber! Hattest du noch nie etwas mit Leuten zu tun, die über deine Vorliebe zur Trivialliteratur etwas schief gekuckt, die Nase gerümpft, und vielleicht auch noch was dazu gesagt haben "Son Dreck liest du?".


    Lieber His,


    wenn andere sowas sagen sollten, dann geht mir das echt am A... vorbei. Da steh ich drüber - selbst wenn ich bei der Lektüre von Barbara Cartland (was Schnulzigeres fiel mir echt nicht ein! :-)) erwischt werden sollte.


    @ mike


    In so einem Falle würde es im Hause Batcat ein Gewitter geben, daß die Wände wackeln. :fetch Ich schmeiße nichts weg, was meinem Partner gehört und umgekehrt. Ich entsorge ja nicht mal so Dinge wie das heißgeliebte, inzwischen aber total verwaschene und ausgeleierte Lieblingsshirt. Er ist ein Großer... er kann das schon selbst. Ich will ja auch nicht, daß jemand anderes für mich befindet, was aufhebenswert ist und was nicht.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • morgana, ganz harmlose sachen, historisierende liebesromane und sonstige besonders triviale trivialliteratur
    batcat,
    sie wirft ja auch nichts weg, es landet z.b. zwischen zeitungen und zeitschriften ganz zufällig und ohne böse absicht im papierkorb

  • Hallo Mike!


    Macht es doch wie wir: Mangels ausreichender Regalmeter stellen wir die Trivialliteratur und Sachbücher mehrspurig (je nach Regaltiefe). Ganz hinten landet dann der Krempel, für den man sich schämen zu müssen glaubt.
    Merkt kein Schwein. :grin


    LIebe Grüße,


    Iris :wave
    (die mit einem ST-Roman-Sammler verehelicht ist - die stehen bei uns dreispurig über 2 Regalbretter verteilt)

  • iris,
    das habe ich auch schon gemacht, aber leider reichen die "guten" bücher nicht mehr aus, die anderen zu verstecken, aber im keller reicht der platz noch einige jahre