auch auf Deutsch erschienen unter dem Titel: Mitternacht im Garten der Lüste
(im Thread-Titel habe ich den alternativen - und wohl älteren - deutschen Titel angegeben, da es unter diesem auch verfilmt wurde. Ganz abgesehen davon, dass ich den mit "Lüste" reißerisch finde und deshalb daneben, weil das Buch m. E. gar nix mit dem Gemälde von Brueghel zu tun hat, auf das er wohl anspielen soll )
Über das Buch
(von amazon.de)
John Berendt lebt als Journalist in New York. Seine Erlebnisse und Recherchen aus den achtziger Jahren in Savannah bilden die Grundlage für seinen dokumentarischen Psychothriller "Mitternacht im Garten der Lüste", der zwei Jahre lang auf der Bestsellerliste der New York Times stand. Das Buch wird 1997 unter der Regie von Clint Eastwood verfilmt. Jim Williams ist der große Gatsby der feinen Gesellschaft von Savannah. Doch wie kam es zum Tod des Strichjungen Danny, der nach einem Schußwechsel in Williams' Herrenhaus verblutete?
Über den Autor
(dito)
John Berendt, geboren 1939 in New York als Sohn zweier Schriftsteller, ist einer der großen Autoren Amerikas. Er studierte Englisch an der Harvard Universität, wo er außerdem Redaktionsmitglied der Satirezeitschrift The Harvard Lampoon war. Berendt ist Autor des Bestsellers Mitternacht im Garten der Lüste und war unter anderem Herausgeber des New York Magazine und Mitherausgeber des Esquire. Er lebt in New York.
Meine Meinung
Ich hatte dieses Buch im englischen Original vor einigen Jahren während eines Besuchs im Bücherregal der Gastgeberin entdeckt, und seither hatten mir Titel und Cover immer mal wieder im Kopf herumgespukt. Jetzt war's endlich an der Zeit, es mir zu kaufen und auch recht zeitnah zu lesen.
Als "Psychothriller", wie die Kurzbeschreibung bei amazon vollmundig verheißt, würde ich das Buch auf keinen Fall bezeichnen. Eigentlich gehört es auch nicht in die Kategorie "Belletristik", da John Berendt es selbst als "non-fiction" bezeichnet - im Nachwort aber eingesteht, Namen und Beschreibung der Charaktere des Buchs z.T. verfremdet zu haben. Trotzdem wirkt es wie ein geplanter, durchdachter Krimi, in dem nicht "wer war der Mörder?" im Vordergrund steht, sondern die Frage, wie und warum gemordet wurde - und ob und wie der Täter davonkommt. Und manche der erzählten Begebenheiten sind so absurd, dass sie wie erdichtet wirken.
Hauptsächlich ist dieses Buch aber das, was der Untertitel der englischen Ausgabe ankündigt: "A Savannah Story". Die einzelnen Kapitel, in denen Bewohner Savannahs, ihre Geschichten und Beziehungen untereinander beschrieben werden, wirken wie aneinander gereihte Kurzgeschichten, die sich aber bald zu einem zusammenhängenden Handlungsfaden verbinden. Stück um Stück, wie ein Mosaik, setzt sich für den Leser ein Bild der Stadt, ihrer Geschichte und des Kreises um Mörder und Mordopfer zusammen.
Das Buch vermittelt die schwül-träge Atmosphäre des "Grand Old South" und mischt diese mit schillernden Figuren und Begebenheiten.
Der Ich-Erzähler, ein Autor aus New York, bei dem ich mir als Leserin ausrechnen konnte, dass Berendt über sich selbst schreibt (die Parallelen zur Autorenbiografie sind überdeutlich) besucht aus reiner Neugierde die Südstaatenstadt Savannah - und bleibt dort hängen. Halb Außenstehender, halb Teil des Stadtlebens, erzählt er von den Menschen, denen er begegnet und in deren Leben er Einblicke erhält.
Dabei sind die Gestalten, die das Buch bevölkern, herrlich skurril: da gibt es Minerva, die Voodoo-Priesterin, mit ihren lila getönten Brillengläsern; Joe Odom, der charmante Rechtsanwalt und Schwindler, der wie eine Katze immer wieder auf die Füße fällt; Jim Williams, der Aristokrat Savannahs, der aus kleinen Verhältnissen stammt und sein Geheimnis gut hütet; der orientierungslose und wilde Danny; Luther Driggers, der mehr als eine Macke hat und angeblich ein Gift hortet, mit dem er das Trinkwasser der gesamten Stadt vergiften könnte, die transexuelle Tänzerin Lady Chablis, die ein Ausbund an Tussenhaftigkeit ist usw.
Die Geschichte kommt ohne große Höhepunkte und dramatische Effekte aus; für mich blieb sie trotzdem bis zur letzten Seite spannend. Wer schräge Typen und absurde Geschichten mag, dem wird dieses Buch sicher gefallen.
P.S.: Das Cover zeigt übrigens eine Fotografie des Friedhofs von Savannah, auf dem Minerva ihre nächtlichen Rituale durchführt.
Edit: ISBN der deutschen Ausgabe eingesetzt, damit die auch im Verzeichnis auftaucht. LG JaneDoe