'Wir fliegen' - Seiten 099 - 130

  • Diese Geschichte erzeugt durch seine Kameraperspektive eine Kühle, die mich auch nicht nah an den Protagonisten rankommen lässt, der an einer ausgewachsenen Paranoia leidet, die auf den Tod der Mutter zurückzuführen ist.


    Der Geschichte ist das berühmte Zitat von Robert DeNiro aus seiner Rolle in den Film Taxi Driver vorangestellt.


    Auch der Protagonist aus Peter Stamms Geschichte fühlt sich verfolgt. Dass er aber Briefe an Jodie Foster und Robert DeNiro schreibt, die nie beantwortet werden, also in seiner Gedankenwelt von einem Geheimdienst abgefangen werden, halte ich für schwer glaubhaft.
    Auch ein psychisch kranker Mensch muss nicht unbedingt Naiv sein.
    Den Menschen den er (selten) begegnet, hält er alle für Agenten, selbst ein kleines Kind an der Hand der Mutter dient anscheinend nur zur Tarnung.
    Auch das Ende mit dem Ansehen von alten Videofilmen, auf denen er und seine Mutter gefilmt wurden, scheint mir etwas überzogen.


    Wäre die Geschichte in der ersten Person erzählt worden, hätte ich diesen Menschen vielleicht bessre verstehen können.


    Aber das war nicht die Hauptintention von Peter Stamm, er wollte dabei auch die Außenwelt deutlich zeigen und wie sie auf den Protagonisten wirkt.
    Das gelingt Peter Stamm natürlich sehr gut, deswegen ist Videocity auch nicht misslungen.

  • Auch Lukas, die Hauptfigur dieser Geschichte ist sehr isoliert.
    Das liegt allerdings auch daran, dass die Badeanstalt, die Lukas aufsucht, geschlossen ist.


    Dieser verlassene Platz gibt Lukas Gelegenheit ganz alleine in seine Erinnerungen einzutauchen. Er denkt dabei an den Sommer, als viele hier schwammen, insbesondere Franzsika.
    Wie Lukas über das leere Gelände geht, ist überzeugend, seine Gedankengänge und Vorstellungen dabei sind nur teilweise schlüssig, das läuft leider ins Leere, daher denke ich die Geschichte gehört nicht unbedingt zu den Besten in diesem Band.

  • Videocity habe ich gestern abend noch gelesen und die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Natürlich ist die Vorstellung der paranoiden Hauptperson überzogen und nicht wirklich rational, aber gerade dadurch wurde mir vor allem auch deutlich, wie isoliert und verlassen er sich fühlen muss.


    Das Zitat aus dem Film vorweg fand ich interessant; den Film kenne ich bis jetzt jedoch nicht. Wäre es denn empfehlenswert, ihn sich einmal anzuschauen - kennst du ihn schon Herr Palomar? :-)


    Die zweite Geschichte empfand ich als solide erzählt, sie war für mich aber kein wirkliches Highlight, da schließe ich mich dir an! Am Ende dachte ich irgendwie nur "Ja und?", da sich mir wirklich nicht erschlossen hat, welche Bedeutung hinter dieser Geschichte stecken soll.


    Der Brief hat mir etwas besser gefallen: Johanna, die Briefe ihres verstorbenen Mannes findet, aus denen sie schließt, dass er eine Geliebte hatte. An dieser Geschichte hat mir vor allem gefallen, dass sie wenigstens ein wenig Hoffnung geben konnte am Ende. Insgesamt habe ich mittlerweile wirklich den Eindruck, dass Stamm die Gefühlswelten der weiblichen Figuren besser schildern kann. Zumindest haben mir die Geschichten mit weiblicher Hauptfigur bisher am besten gefallen: Die Erwartung, Drei Schwestern, Der Brief.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Das Zitat aus dem Film vorweg fand ich interessant; den Film kenne ich bis jetzt jedoch nicht. Wäre es denn empfehlenswert, ihn sich einmal anzuschauen - kennst du ihn schon Herr Palomar? :-)


    Ja, den Film habe ich letztes Jahr zum ersten Mal gesehen und ich war überrascht, er ist sehr gut gemacht, mit einer literarischen Erzählperspaktive und einem Handlungsverlauf den ich so nicht erwartet hatte.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin
    Der Brief hat mir etwas besser gefallen


    Der Brief habe ich gestern abend noch gelesen und ich stimme zu, aus diesem Abschnitt ist das die beste Geschichte, vor allem, da Johanna der kompletteste Charakter ist. Die anderen beiden Hauptcharaktere aus Videocity und Männer und Knaben waren kaum ausgebildet.


    Bei "Der Brief" fand ich auch die Ausgangsposition mit dem Brief schon sehr gut, wenn auch nicht direkt originell. Aufgefundene Briefe von Verstorbenen, das gab es schon in anderen Büchern oder Filmen, aber mir fallen die Titel jetzt nicht ein. Wie es dann endet, hat mir auch gefallen.

  • Videocity:

    Zitat

    Original von buzzaldrin
    Videocity habe ich gestern abend noch gelesen und die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Natürlich ist die Vorstellung der paranoiden Hauptperson überzogen und nicht wirklich rational, aber gerade dadurch wurde mir vor allem auch deutlich, wie isoliert und verlassen er sich fühlen muss.


    :write Mir hat die Erzählung auch sehr gut gefallen. Auch die Verkehrung am Ende fand ich gut. Nach dem Tod der Mutter nimmt er die reale Welt als irreal, manipuliert, unecht wahr, während ihm dann aber ein Video seiner Mutter real vorkommt. Das fand ich toll gemacht, um den Seelenzustand des Protagonisten darzustellen.


    Männer und Knaben

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Wie Lukas über das leere Gelände geht, ist überzeugend, seine Gedankengänge und Vorstellungen dabei sind nur teilweise schlüssig, das läuft leider ins Leere, daher denke ich die Geschichte gehört nicht unbedingt zu den Besten in diesem Band.


    Mir hat die Geschichte auch nicht gefallen bzw. ich konnte kaum etwas damit anfangen.


    Der Brief
    Die Erzählung fand ich sehr gut, auch wenn die Idee wirklich nicht neu ist. Peter Stamm erzählt das einfach klasse und versteht es, auf wenigen Seiten und anhand eines kurzen Ausschnitts aus dem Leben von Johanna ihre ganze Persönlichkeit einzufangen.