Fragen an Friederike Moldenhauer und Tina Uebel

  • Guten Abend, liebe Büchereulen,


    ich wollte mich nur mal eben hier zur Stelle melden - ich freue mich auf die Leserunde und harre gespannt der Dinge, die da kommen werden.


    Beste Grüße!
    Tina Uebel

  • Hallo Tina Uebel :wave


    ich hätte gleich mal die erste Frage und zwar zur Geschichte "Das Kamel aufrichten" im Kapitel Eltern. Geht es da um verschlüsselt angedeuteten Kindesmißbrauch oder sind meine "juristisch angehauchten" Mitleser ( :grin) zu mißtrauisch....

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Zitat

    Original von Suzann
    Hallo Tina Uebel :wave


    ich hätte gleich mal die erste Frage und zwar zur Geschichte "Das Kamel aufrichten" im Kapitel Eltern. Geht es da um verschlüsselt angedeuteten Kindesmißbrauch oder sind meine "juristisch angehauchten" Mitleser ( :grin) zu mißtrauisch....


    Petze.... :peitsch



    Ich hab aber auch eine Frage, was treibt einen wirklich an, so einen Buchtitel zu wählen.


    (Es waren tatsächlich sehr viele interessierte Blicke, die mich heute in der Bahn trafen, aber auch genauso viele verschämte, die sich rasch senkten, sobald ich vom Buch aufsah...)

  • Also, mir wäre es peinlicher, mit so einem Buch in der Bahn gesehen zu werden. Allerdings muss ich zugeben, dass ich zu Hause, das Buch auf das Cover lege, wenn ich das Lesen unterbreche, damit es keine neugierigen und ausufernden Fragen meiner heranwachsenden Jungs provoziert :grin

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Oh peinlich fand ich das auch nicht, ich les sowas ganz gerne und beobachte die Reaktionen.


    Aber ich könnte mir jetzt nicht vorstellen, meinen Namen auf einem Buch mit diesem Titel zu finden. Aber vielleicht liegt das auch daran, das Sex eben doch mein Ding ist.... weiß ich nicht genau.
    Ich fand allerdings auch schon allein den Titel grandios genug, um es zu kaufen, da brauchte ich auch Wiebkes herrliche Lesung auf dem Eulentreffen gar nicht mehr als Kaufanreiz

  • Moin Büchereulen!


    Also, prinzipiell gilt natürlich immer, daß niemand eine Deutungshoheit über eine Geschichte hat, nicht mal der Autor selber. Im Falle von "Das Kamel aufrichten" mache ich jetzt mal eine Ausnahme und sage: Nein. Definitiv kein Kindesmißbrauch. Ich bin mir dessen schon deshalb so sicher, weil ich von Posch den ganzen "Zyklus" der Familiengeschichten aus Rahlstedt kenne; aber selbst wenn nicht, ich bin ganz perplex, wie man auf den Gedanken kommen kann (ich hatte das in der Rubrik schon gesehen). Wegen aufgeschürften Knien? Die schürfen sich Kinder doch eher beim Spielen auf anstatt beim Mißbrauchtwerden, denn wer mißbraucht schon seine Kinder, in dem er sie über rauhen Untergrund schleift?


    Vielleicht kommt dieser Deutungsansatz daher, daß man mit seinen Lesegewohnheiten auf "mehr Action", "mehr Pointierung", "mehr Schlüsselerlebnis" programmiert ist. Während das "Kamel" ja dezidiert vom Gegenteil erzählt, nämlich davon, daß das wirkliche Leben, speziell das Familienleben, auf sehr unheroische, unpointierte Kärrnerarbeit am Alltag hinausläuft. Und daß dieser Zustand diametral dem entgegengesetzt ist, was wir medialisiert als "Liebe" bzw. Liebesbeziehungen inszeniert kennen. Und daß Leidenschaft (und somit Sex) nur schwer einen Platz darin behaupten kann.


    Was den Titel bzw. die Idee zu der Anthologie angeht, so kam das tatsächlich genauso zustande, wie in meinem Vorwort berichtet. Der schwergeprüfte Herr Weins und seine Geschlechtsliteraturlektüre. Wobei es mir persönlich ganz deutlich ein Anliegen ist, daß ich diese grausame und totale Durchmedialisierung von Sex gräßlich finde - durch's andauernde und grellste Ausleuchten jeglicher Intimität steht m. E. jeder persönliche Zauber auf dem Spiel, durch die Allgegenwart von Fickerei (und sei's auch nur, um Kontaktlinsen oder Eis am Stiel zu verscheuern) kommt es zu einer inflationären Entwertung. Als ekliger Nebeneffekt wird duch die ubiquitäre Zurschaustellung irreal (Photoshop!) perfektionierter Körper ein physisches Menschenbild vermittelt, das überhaupt nix mehr damit zu tun hat, wie echte Menschen so aussehen. Uuuärgh.


    Das ist mein persönliches Movens zum Titelthema. Aber wie es dann die einzelnen eingeladenen Autoren interpretieren, darauf hat man als Herausgeber ja keinen Einfluß. Was es natürlich viel spannender macht, als wenn man nur seinen eigenen Ansatz gefeatured fände.


    So Uebel. Mit keuschen Grüßen!

  • Ok, also kein Kindesmißbrauch.
    Wie ich darauf kam, erläutere ich in der Rubrik gleich noch mal detailierter.


    Wie kam es denn zu den Geschichten an sich. Bei einigen, so auch beim Kamel hab ich das Gefühl, es sind Auszüge aus größeren Texten, also gar nicht speziell für dieses Buch geschrieben. Liege ich da richtig?
    Und wie kam die Autorenauswahl zustande? Mehr zufällig? Oder verbindet euch als Herausgeberinnen mit den vertretenen Autoren auch etwas? Gab es wen, den ihr unbedingt "im Boot" haben wolltet?
    Oder gar Bewerber, die nicht berücksichtigt werden konnten?


    Und dann die wichtiste Frage, habt ihr trotzdem noch Sex? ;-)

  • Zitat

    Original von Uebel
    denn wer mißbraucht schon seine Kinder, in dem er sie über rauhen Untergrund schleift?


    Es gibt so viele gestörte Menschen...

    "I think too much. I think ahead. I think behind. I think sideways. I think it all. If it exists, I’ve fucking thought of it.''
    — Winona Ryder


  • Zitat

    Original von TheAlice


    Es gibt so viele gestörte Menschen...


    Nun das war auch nicht mein Gedankengang, mehr so das Knien vor Papi als Ursache für die zerschrammten Knie....

  • Hallo Babyjane,
    ein freundliches Hallo auch an die anderen werten Leserinnen und Leser!


    Die Autoren setzen sich zusammen aus: Machtmachern (also Hamburger Autoren, Verlegern und Veranstaltern, die gemeinsam den Machtclub = Lesung organisieren)*, dem Dunstkreis an Hamburger Schreibenden sowie Autoren, die im Machtclub zu Gast waren, u. a. Martenstein, Hein, Zaimoglu oder Turner. Daneben wurden uns von der Lektorin noch Autoren quasi "zugespielt", die wie Goosen schon im Verlag veröffentlicht hatten. Außerdem hatten wir noch weitere Autoren angefragt, die dann aber – sehr zu unserem Verdruß – freundlich aber bestimmt abgesagt haben. Zu schade ...


    Meines Wissens ist keiner der Beiträge aus einem größeren Manuskriptzusammenhang genommen.


    Beste Grüße
    Friederike Moldenhauer



    *

  • Nabend!


    Da muß ich meine hochgeschätzte Mitherausgeberin korrigieren: Der "Rich Kid Gang Bang" ist in der Tat ein Auszug aus einem Roman. Sonst sind meines Wissens nach die Texte eigenständig, was aber natürlich nicht unbedingt heißen muß, daß sie speziell für das Buch verfaßt sind, schwer beschäftigte Autoren klauben erfahrungsgemäß auch mal was aus der Schublade, was sie für so Pi-mal-Daumen passend halten.


    Die Autorenauswahl war in der Tat eine Melange - Leute, die wir gut kennen und schätzen, Leute die wir flüchtig (meist von Machtclub-Lesungen) kennen und schätzen, Leute, die wir gar nicht kennen und schätzen. Manchmal haben wir beide, Friederike und ich, gefeilscht - Du kriegst den Autor/Text, im Gegenzug krieg ich den. Ganz pragmatisch wichtig war auch, eine Anzahl "Stars" dabeizuhaben; Verlage scheuen Anthologien nämlich wie der Teufel das Weihwasser, wenn dann nur No-Names und Lokalheroen darin vertreten sind, gibt's wenig Chance auf eine Veröffentlichung. (Wir haben die Arbeit am Buch ohne Verlagszusage begonnen, und dann gottlob genug Autoren gehabt, die uns den Vertrauensvorschuß gegeben haben und geschrieben.)


    Und hey, wenn sich wer von Euch (Du warst das, Babyjane, oder?) vom Thema inspiriert fühlt, selbst was dazu zu schreiben, ist das doch so cool wie nur denkbar!


    Und nein, natürlich haben Moldenhauer und ich keinen Sex. Um Gottes Willen. Igittigitt. Aus Prinzip nicht. Steht doch auffem Cover!


    Frigide Grüße! T.

  • Habe in einer Hauruckaktion tatsächlich heute 2/3 meiner Seminararbeit fertig getippt und habe nun wieder Zeit für Unfug. :chen
    Aufgrund meiner Fleißigkeit hab ich noch nicht weitergelesen und muß mich daher bevor ich weiter kommentieren kann erstmal hier herumtreiben.
    Aber was seh ich, die Herausgeberinnen waren fleißig und haben mir meine Fragen beantwortet.
    Sogar die Sexfrage, WAHNSINN!


    Der Macht-club hat mich neugierig geMacht und zum googlen bewegt: http://www.macht-ev.de/


    Liest sich spannend und nicht so trocken bieder erfolgsorientiert, wie das bei sonstigen Autorenzusammenschlüssen so oft der Fall ist. Schade, daß der MachtClub sich verabschiedet hat....


    Wie lauteten denn die Absagen? Also mal die spannenderen herausgepickt. Gab es wirklich Autoren, die sich vom Titel haben abschrecken lassen?


    Zitat

    weil ich von Posch den ganzen "Zyklus" der Familiengeschichten aus Rahlstedt kenne


    Wie war denn die Aussage zu deuteln, gibts zum Kamel weitere Geschichten?


    Mein Hirn schlägt Purzelbäume, ich muß schlafen... morgen mehr Fragen... :lache

  • Nabend!


    Also, die gute Nachricht ist, der Machtclub wird nächstes Jahr reinkarnieren, nicht mehr monatlich und nicht mehr im Hamburger Schauspielhaus sondern im Uebel & Gefährlich (nein, hat nix mit mir zu tun, die haben lediglich meinen Nachnamen schanghait), ansonsten aber, wie wir hoffen, in alter Pracht.


    Die schlechte Nachricht lautet: Besonders spektakuläre Absagen gab es nicht (oder habe ich da was verdrängt, Agent Molder?). Ich erinnere nur: Gerade keine Zeit, gerade bei der Arbeit an einem Roman, gerade ein Stipendium in der Villa Wahnfried, so was in der Art. Ich glaube ja, Sex (oder auch keiner) ist das allerallerletzte, mit dem man heutzutage noch wen schocken kann ...


    Ja, unser Posch hat einen ganzen Kurzgeschichtenband mit Variationen zum Thema Vorstadt-Familienleben geschrieben, sehr schönes Ding das, hat aber leider bislang keinen Verleger gefunden, weil das einzige, was Verlage noch weniger wollen als Anthologien, Kurzgeschichtenbände sind. Das Leben ist halt bekanntlich keine Honigmelone.


    Nokturne Grüße! T.

  • Zitat

    Original von Uebel
    Ja, unser Posch hat einen ganzen Kurzgeschichtenband mit Variationen zum Thema Vorstadt-Familienleben geschrieben, sehr schönes Ding das, hat aber leider bislang keinen Verleger gefunden, weil das einzige, was Verlage noch weniger wollen als Anthologien, Kurzgeschichtenbände sind. Das Leben ist halt bekanntlich keine Honigmelone.


    Ah ok, Schade den Band fände ich sehr interessant, kenne die Problematik aber....seufzt sehr tief....



    Werde den Machtclub mal im Auge behalten eine oder zwei oder drei Reisen nach Hamburg stehen im nächsten Jahr nämlich an... :gruebel

  • Tag!


    Nie wurde behauptet, Autoren hätten sich vom Thema abschrecken lassen ... (Lassen sich Autoren überhaupt jemals von einem Thema abschrecken? Ich glaube, wohl kaum.)
    Also, die häufigsten Gründe waren tatsächlich viel zu tun/Brotberuf/Familie etc. Es gab ein oder zwei etwas ängstliche Absagen im Sinne von "oh, schwieriges Thema", eine – meine Lieblingsabsage - lautete in etwa: "Geht niemanden etwas an", aber auf Charmant. Weitere Absagen sind so tief im Datenorkus verschwunden, daß es Jahrhunderte dauern würde, sie zu heben.
    Hoffe, damit die Neugier gestillt zu haben.


    Freundlich grüßt
    Moldenhauer

  • Hm, vielleicht konnten die anderen Autoren aber auch mit dem Buchtitel nicht so recht warm werden [SIZE=7](sprich: vielleicht stimmen sie der Titelaussage nicht so recht zu!). [/SIZE]:chen

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • ... ach, das glaube ich eigentlich nicht, daß da irgendwo Berührungsängste oder ernsthafte Ablehnung der Thematik im Spiel waren ... zum einen ist ja schon der Titel ziemlich ironisch, zum anderen haben wir damals auch, sozusagen als "Teaser", mein Vorwort mit rausgeschickt. Desweiteren ist ja bekanntlich der Autor niemals mit seinem Protagonisten gleichzusetzen, und die meisten Schriftsteller haben durchaus Spaß, konträre Charaktere zu ihrer eigenen Person zu entwerfen. Und zuguterletzt kann man aus einem derart losen, weitreichenden Thema alle möglichen Ansätze finden - wie Feriduns Text ja dezidiert ein Plädoyer für's Vögeln ist, John von Düffels Geschichte (mag ich unheimlich gern) sehr fern, literarisch, eigenständig und souverän mit dem Thema spielt, und einige andere Geschichten sich meilenweit davon entfernen.


    Findet ihr wirklich, daß Titel/Thema irgendwie provokant oder ernsthaft-missionarisch verstanden werden können? Ich kann mir das ja schwerlich vorstellen ...


    Keusche Grüße! T.

  • Moin Alle,


    Findet ihr wirklich, daß Titel/Thema irgendwie provokant oder ernsthaft-missionarisch verstanden werden können? Ich kann mir das ja schwerlich vorstellen ...


    Nie im Leben! Aber möglicherweise haben wir (Tina und ich) durch unsere Zusammenarbeit und Auseinandersetzung mit dem Buchthema schon einen gepflegten Tunnelblick resp. Betriebsblindheit entwickelt.
    Auf der anderen Seite sollte durch das Vorwort und Tinas Intro schon klar sein, in welche Richtung die Fragestellung lief.


    Beste Grüße
    Moldenhauer