Die Contessa – Angela von Gatterburg

  • Verlag: List, 352 Seiten


    Kurzbeschreibung
    Die junge Antonia, Spross einer uralten Adelsfamilie, liegt nach einem Selbstmordversuch im Koma. An ihrem Krankenbett lässt ihre Schwester Clara die Geschichte ihrer Familie Revue passieren. Eine geheimnisvolle, fremde Welt eröffnet sich dem zuhörenden Arzt. Und das rätselhafte Porträt einer Ahnin entpuppt sich dabei als Schlüssel zu den Abgründen in der Familiengeschichte - und als Schlüssel zu Antonias Selbstmordversuch ...


    Das Porträt einer eigenwilligen Adelsfamilie - versponnen und gewitzt, phantastisch und spannungsreich


    Über die Autorin:
    Angela von Gatterburg, geboren 1957, wuchs mit Geschwistern, Dienstboten und Kindermädchen in einem Odenwälder Schloss auf. Der aristokratischen Erziehung, ergänzt durch einige Disziplinierungsjahre in einem Klosterinternat, folgen erste Bälle und andere zweifelhafte Vergnügungen. Seit 1987 arbeitet Angela von Gatterburg als Redakteurin beim Nachrichenmagazin "Der Spiegel" in Hamburg im Ressort Kultur & Gesellschaft.


    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat mir die Autorin 2001 signiert. Das trägt dazu bei, dass ich den Roman auch heute noch gerne in die Hand nehme. Dieser Roman über eine adlige Familie im Baden Württembergischen Odenwald besitzt einen angenehmen, gut lesbaren Stil.
    Es beginnt in den sechziger Jahren. Die Ich-Erzählerin Clara, die in London als Rockmusikerin lebt, erhält einen Anruf aus der Heidelberger Klinik, die ihr den Selbstmordversuch ihrer Schwester Antonia melden.
    Sofort reist sie hin, sich der problematischen Familiensituation bewusst. Bei ihrem Vater ist sie als rebellisch angesehen und nicht willkommen. Das hat Clara von der Familie entfremdet, während ihre Schwester im Schloß blieb.


    Nur zu ihrer patenten Großmutter hat Clara noch ein gutes Verhältnis. Diese ist ein Original und die Dialoge mit ihr sind aufgrund ihrer Direktheit amüsant.


    Die Handlung wird durch die Gespräche zwischen Clara und Antonias Arzt, Bernhard Moser transportiert. Der Stil dabei ist zugänglich, teilweise leicht ironisch (aber sehr mild) und gefällt mir gut.


    Es folgen anhand einer ungeordneten Chronik zahlreiche Rückblicke in die Vergangenheit, bis in die Zeit m Krieg, als Clara und Antonia noch kleine Kinder waren. Die Spannung ergibt sich daraus, zu erfahren, was damals geschehen ist und was die hypersensible Antonia so belastet. Diese Abschnitte sind in einer anderen Perspektive geschrieben und sollen sich aus Aufzeichnungen Claras, ihrer Mutter und ihrer Großmutter zusammensetzen, deswegen dominiert ein weiblicher Blick.


    Dabei werden die Charaktere in ihrer Vielzahl durchaus gerecht behandelt. Das gilt sogar für den unduldsamen Vater der Schwestern, indem gezeigt wird, wie er als sensibler Mann unter der Verrohung im zweiten Weltkrieg gelitten hatte und wie die lange Trennungszeit zu einer Entfremdung zu seiner Familie führte.
    Die Mutter, liebevoll Bärchen genannt, flüchtet sich in Krankheit. Antonia hat ihre Labilität anscheinend von ihr geerbt.


    Man darf keine kritische Abrechnung mit dem Adelsstand erwartet, der Roman ist eher als normale, breite Familiengeschichte mit vielen Problemen aufgezogen. Trotzdem gibt es auch leise Tadel gegen althergebrachte Traditionen im Adel mit ihren Beschränkungen.


    Die Autorin schafft es mit liebenswerten Abschnitten über die Region Odenwald den Leser für sich einzunehmen:
    Zitat S.47:

    Zitat

    Der Odenwald ist ein luftiger, freundlicher Wald, nicht düster, nicht unheimlich, auch wenn ihn, wie die Leute immer noch glauben, eine magische Kraft umweht.
    Er ist umgeben von grünen Hügeln, wogenden Getreidefeldern und Viehweiden, dazwischen kleine Dörfer mit Fachwerkhäusern und Misthaufen, die breit und saftig in der Sonne dünsten. Die Landschaft hat Wärme und Poesie…


    Noch einiges gibt es zu erfahren über den Aufenthalt der Schwestern bei Nonnen, was aus ihren Bruder wurde, eine schwierige Liebesgeschichte, einen Familienfluch und – ein Schloßgespenst!


    Insgesamt hat Angela von Gatterburg ein beeindruckendes Zeitportrait geschaffen, das den Odenwald im zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit bis in die sechziger Jahre zeigt.