Tatort Franken - 13 Kriminalgeschichten

  • Verlag: ars vivendi
    Seitenzahl: 283


    Klappentext:
    Kenner haben es längst bemerkt: Franken ist ein gefährlicher Landstrich. Die literarische Kriminalitätsrate ist hoch. Zwischen Ansbach, Hof und Aschaffenburg treiben die gerissensten Verbrecher ihr Unwesen, glücklicherweise in Schach gehalten von den begabtesten Ermittlern, in die Welt gesetzt von den kreativsten Autoren. Grund genug, dem Phänomen "Frankenkrimi" eine literarische Anthologie zu widmen.


    13 renommierte Kriminalschriftsteller haben Texte zu diesem Sammelband beigesteuert, der die erstaunliche Bandbreite des fränkischen Krimischaffens zur Geltung bringt und neugierig auf die umfangreicheren Werke der Verfasser macht.
    Zur Aufklärung von Geheimnissen und Verbrechen sind professionelle Ermittler ebenso angetreten wie mutige Hobbydetektive und arglose Zivilpersonen, die in rätselhafte Vorgänge verwickelt wurden. Wir begegnen vertrauten Figruen aus der fränkischen Kriminalliteratur und schließen einige neue Bekanntschaften. Wohldosierte Krimispannung.


    Autoren:
    Infos zu den Autoren gibt es unter: http://www.krimis-regional.de/


    Meine Rezension:
    Ich hab dieses Buch vor einiger Zeit geschenkt bekommen und da ich ja auch öfter mal auf Lesungen zu Regionalkrimis bin, hab ich mir vorgenommen diesen Querschnitt der fränkischen Krimikunst mal zu inspizieren. Wie erwartet ist es wie bei eigentlich jeder Anthologie: Es gibt Gutes und weniger Gutes. Hier nun im einzelnen eine Auflistung der Kurzgeschichten mit Zuordnung zur jeweiligen Örtlichkeit (soweit möglich), kurzer Zusammenfassung und eigener Meinung.


    Blume des Todes - Sigrun Arenz (Fürth)
    Bei einem zusammengeschlagenen Drogendealer wird eine russische Ikone gefunden, die die Krankenschwester Irina in der Silvesternacht in einem alten Braukeller vergessen hat. Wie kam er an die Ikone? Und wie passt das seltsame Verhalten von Irinas Freundin Johanna da rein, die unbedingt darauf bestanden hatte mitten in der Nacht in diesen alten Braukeller zu gehen? Irina und ihr Freund Philip wollen der Sache auf den Grund gehen.
    -> Leider ziemlich farbloser und nichtssagender Einstieg in diese Anthologie und das obwohl er in meiner Heimatstadt spielt. Schade.


    Kopf und Bauch - Lucas Bahl (Forchheim / Bamberg)
    Ein Tierpräparator findet im Bauch eines ausgestopften Bären, welchen er restaurieren soll, einen menschlichen Schädel und fängt an zu forschen. Die Spuren führen weit in die Vergangenheit zu einem seiner Vorfahren der ebenfalls den Beruf des Tierpräparators ausübte.
    -> Fand ich stilistisch interessant und ganz ansprechend, nur wird der Ich-Erzähler an einigen Stellen manchmal doch ein kleeeein wenig zu weitschweifig. Und ob man die Passagierliste eines Schiffes von vor 120 Jahren wirklich einfach mal eben so online findet... das lassen wir jetzt mal unter künstlerische Freiheit gelten.


    Christkindraub - Jan Beinßen (Nürnberg)
    Es ist der Tag der Christkindlesmarkteröffnung, nur noch wenige Stunden bis zum großen Prolog auf den die Nürnberger und Gäste und Reporter aus aller Welt warten, und dann das: Das Christkind ist weg! Die Tochter von Paul Flemmings Freundin, selbst ehemaliges Nürnberger Christkind, ist sich sicher: Jemand hat das Christkind entführt.
    -> Hmmm... geht so. Ich werd mit Beinßen irgendwie nicht so recht warm. Auch "Dürers Mätresse" konnte mich ja damals schon nicht so wirklich überzeugen. Die Auflösung kam irgendwie erwartet und ließ den Rest arg konstruiert wirken.


    Mord im Regionalexpress - Veit Bronnenmeyer (Veldensteiner Forst)
    Gerade auf dem Heimweg von einer kleinen Wanderung nebst Knödel- und Schäufeleverköstigung wird Hauptkommissar Maul, der friedlich mit seinem Hund in einem Abteil des Regionalexpress von Bayreuth nach Nürnberg hockt, unsanft aus der Ruhe gerissen. Erst werden die Gleise auf beiden Seiten von orkangefällten Bäumen blockiert, so dass eine Weiterfahrt unmöglich wird, dann wird auch noch einer der Mitreisenden tot aufgefunden. Und das wo Maul doch zu Hause dringend seine Tagliatelle mit Lachs für den nächsten Tag vorkochen muss. Aber ungewöhnliche Ereignisse erfordern ungewöhnliche Maßnahmen und so beginnt der Kommissar zu ermitteln.
    -> Mein erstes Highlight. Kriminalhauptkommissar Maul ("Er heisst nicht nur so, er hat auch eines und zwar ein großes.") ist die Art von Antiheld die sich momentan einer recht großen Beliebtheit erfreuen: kantik, verschroben, kauzig und in höchstem Maße politisch inkorrekt. Veit Bronnenmeyer gab bei einer Lesung an, dass er auf diesen Kerl schon viele positive Rückmeldungen bekommen hat. Maul spielt ebenfalls eine Nebenrolle in Herrn Bronnenmeyers neuestem Krimi "Stadtgrenze".


    Die Zeit für einen Schnitt - Peter Freudenberger (Aschaffenburg)
    Ein betrogener Ehemann findet, dass es Zeit für einen Schnitt ist. Während er auf seine Frau wartet, geht er im Geiste noch mal die Ereignisse durch, die ihn bis hierhin geführt haben.
    -> Ganz ordentlich aufgebaut, hebt sich aber nicht wirklich vom Durchschnitt ab. Hier werden relativ häufig Straßen- und Ortsnamen genannt, z.B. wenn der Ehemann seine Frau beschattet. Dieses für den Regionalkrimi typische Stilmittel versagt natürlich, wenn der Leser die Umgebung (in diesem Fall Aschaffenburg) nicht kennt.


    Kühles Grab - Anne Hassel (Miltenberg)
    Gedanken einer geplagten Ehefrau die gerade ihren Mann im Main versenkt hat.
    -> Gerade mal 6 1/2 Seiten, nix Neues oder Aufregendes. Und von der Anordnung etwas unglücklich direkt nach "Die Zeit für einen Schnitt" weil es doch eine ähnliche Grundkonstellation hat. Nichtssagend.


    Alte Geschichten - Tessa Korber (Nürnberg)
    Der Nachbar der über Kommissarin Jeannette Dürers Wohnung lebt wird tot aufgefunden. Aber wieso befinden sich im Schrank des laut Ausweis polnischen Juden SS-Reliquien und andere Nazi-Erinnerungsstücke?
    -> Insgesamt betrachtet wohl die am besten geschriebene Geschichte des Buches. Frau Korber hat einen Schreibstil der sich sehr stark positiv vom durchschnittlichen Regionalkrimi-Schreiber absetzt. Diese Geschichte war interessant konstruiert und spannend geschrieben, vollkommen unabhängig davon, wo es denn nun eigentlich spielt. Einziger Nachteil: Da ich noch keinen von Frau Korbers Romanen kenne, wurde mir durch diesen Kurzkrimi nun von zwei Stück davon das Ende verraten, in einem Fall sogar der konkrete Name des Täters. Das ist vielleicht für eine Anthologie keine soooo glückliche Idee gewesen. Ich versuch es zu vergessen, bis ich mir die Bücher um Jeannette Dürer mal von meiner Patin leihe, die im übrigen auch sehr davon begeistert ist.


    Der Fall des Faktotums - Dirk Kruse (Nürnberg)
    Gentleman-Detektiv Frank Beaufort hat ein Problem. Er hat sich sein gerade erst angefertigtes Zahnprovisorium ausgebissen und bekommt gerade noch so einen Termin bei seinem Zahnarzt um das Problem beheben zu lassen. Nur dumm, dass genau zu diesem Zeitpunkt der Hausmeister des gesamten Gebäudes aus einem der Fenster stürzt und ums Leben kommt. Sein Sturz muss theoretisch aus einem der Fenster der Praxis erfolgt sein, doch die sind alle zu.
    -> Sehr lustige Einleitung. Die Figur des reichen und charmanten Gentleman-Detektives ist für meinen Geschmack in einem Regionalkrimi vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen (irgendwie hatte ich so ne art jüngere Version von David Niven im Kopf), aber insgesamt doch eine ganz nette Geschichte. Wenn auch der Ausgang nicht allzuschwer zu erraten war.


    Baby Guitar - Petra Nacke ("fränkische Universitätsstadt, die ihren Status als Großstadt Jahr für Jahr aufs neue verteidigen muss")
    Die Besitzerin eines Pubs wird mit eingeschlagenem Schädel in ihrer Wohnung aufgefunden. Hauptverdächtiger ist der heruntergekommene Ex-Star Bobby M., der am Abend zuvor einen Auftritt in eben jenem Pub hatte und danach ins Promille-Koma gefallen ist. Er behauptet jedoch steif und fest, es handle sich um eine Intrige gegen ihn. Denn seine ehemalige Partnerin, die ohne ihn Karriere gemacht hat, hatte an diesem Abend ebenfalls einen Gig in der Stadt.
    -> Kommt die meiste Zeit über handlungstechnisch recht durchschnittlich daher. Eigenartiger Stil. Die Figuren und auch der Leser werden vom "Erzähler" immer wieder mit "Du" angesprochen und man weiß oft nicht so genau: Ist das nun wieder der Erzähler oder eine der Figuren die das denkt?
    Kriegt am Schluß aber nochmal so richtig ne kleine Drehung hin die das Ganze in einem sehr zynischen Licht dastehen lässt. Hat auf jeden Fall Eindruck gemacht.


    Der Fall Feuerbach - Josef Rauch (Fürth / Nürnberg)
    Bei Philipp Marlein ist mal wieder Flaute in der Kasse. Nur deshalb lässt der Privatdetektiv sich breitschlagen, das Geld einer Rentnerin anzunehmen, die ihn beauftragt einen möglichen Mord aufzuklären ... der vermutlich vor 150 Jahren stattfand. Aber wen soll Ludwig Feuerbach ermordet haben und wieso? Die Ermittlung führt Marlein erst mal zum Verdächtigen selbst: Auf den nürnberger Johannisfriedhof.
    -> Wieder eine Ermittlung in der Vergangenheit. Diese Geschichte ist jetzt nicht unbedingt eine klassische Krimigeschichte, da alle Personen um die es geht ja bereits lange tot sind, aber die Art wie das Leben von Ludwig Feuerbach zusammengefasst und geschildert wird hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht spricht diese Geschichte also eher Leser von historischen Romanen an. Mir war der Philosoph Ludwig Feuerbach bisher überhaupt nicht bekannt, jetzt bin ich wieder um was schlauer. Da verzeiht man dem Herrn Marlein auch mal den einen oder anderen etwas bemüht komisch wirkenden Satz den er zwischen diese Informationshäppchen reinwirft. Die Auflösung des Falls und die Identität des Opfers sind sowohl überraschend (zumindest wenn man Ludwig Feuerbach nicht kennt) als auch sehr interessant. Gehört ebenfalls mit zu meinen Favoriten in diesem Band.


    Lange Schatten - Heike Reiter (Enderndorf / Schwabach)
    Die frischgebackene Privatdetektivin Theresa Vincenzo wird von einem Klienten beauftragt herauszufinden ob er verfolgt wird. Dummerweise wird sie am vereinbarten Treffpunkt überfallen und in eine Kapelle gesperrt. Der Angreifer droht: "Ich komme wieder! Deine Schreie wird niemand hören." Gerade noch rechtzeitig kann ihr Klient sie befreien. Doch wer ist der mysteriöse Verfolger der es nun offenbar auch auf Theresa abgesehen hat?
    -> So lala. Liest sich schnell weg, ist aber auch ganz schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwunden.


    Nebelungen - Blanka Stipetic (Würzburg)
    Ein ca. 8-jähriges Mädchen bittet Kommissar Werner um Hilfe, weil ihr Vater ermordet wurde. Als er Kollegen holen will, ist das Kind plötzlich verschwunden, und außer ihm hat niemand es gesehn. Doch sie taucht wieder und wieder auf, ruft ihn sogar an. Als seine Kollegen schon anfangen ihn für verrückt zu erklären, steht sein Entschluss fest: Er muss versuchen dem Mädchen zu helfen. Denn dann hat sie versprochen ihm zu sagen wer sie ist...
    -> Ein Hauch Mysteriöses mit angenehmer Gruselatmosphäre, die den Leser ebenso im Nebel tappen lässt wie den Kommissar. Passende Auflösung. Eine Runde Geschichte die mir wirklich gut gefallen hat und zu meinen Favoriten zählt.


    Fifty-fifty - Elmar Tannert ("Kirchaurach" / Nürnberg)
    Zwei unterschiedliche Bankräuber zur gleichen Zeit in der selben Bank. Das ist entweder ein seeehr großer Zufall oder seeehr schlechtes Timing. Der eine erschießt den anderen. Aber keiner der beiden hat zum Schluß das Geld.
    -> War mir persönlich ein bisschen zu abgedreht. Der Bankräuber "Kalaschnikow" der ständig Bushido hört und die Figur eines Krimiautors der sich selbst als Autor dieser Kurzgeschichte outet und den Kommissar über die genauen Geschehnisse in Kenntnis setzt (ala Deus Ex Machina). Die Idee ist zwar an sich nicht schlecht, aber irgendwie war es dann insgesamt doch nicht ansprechend genug für mich.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Danke für die ausführliche Rezi, paradise lost.


    ich dnek das Buch kann man bedenkenlos an Krimifans in Franken oder Frankenbegeisterte verschenken.


    Diese Blanka Stipetic hat, wenn ich mich recht erinnere als co-autorin bei einem Roman Rausch Krimi fungiert. Weiß nicht mehr welcher es war.

  • Ich habe gerade "Tatort Franken No. 2" gelesen, welches mir zufällig bei letzten Heimatbesuch über den Weg lief. Mir haben die meisten der Kurzkrimis gut gefallen, 2-3 waren dabei, welche mich nicht so begeistern konnten, dafür gab es aber auch wieder Geschichten, die mich absolut beeindruckt haben.
    Fakt ist, Frankens Krimiautoren brauchen sich hinter niemandem verstecken!

  • Danke an Paradise und nofret für eure Einschätzungen!


    Ich muss mir nun doch endlich mal eines der beiden Bücher zulegen, auch wenn ich mir wünschen würde, dass nicht ein paar Orte recht häufig vorkommen, sondern dass sich die Geschichten noch etwas besser über Franken verteilen.


    5 mal Nürnberg ist dann doch etwas zuviel des Guten, denke ich.


    Ein bißchen mehr fränkisches Land zwischen den Städten wäre mir lieber. :-)

  • Zitat

    Original von Ronja


    Ein bißchen mehr fränkisches Land zwischen den Städten wäre mir lieber. :-)


    Mir auch, oder ein bißchen mehr von meinem schönen Oberfranken :-] :chen Das zweite Buch ist ein bißchen Fürthlastig...( wenn ich mich recht erinner...)