Titel: Jüdisches Leben in Deutschland. Siebzehn Gespräche
Herausgeberin: Ingrid Wiltmann
Verlag: Suhrkamp
Erschienen: August 1999
Seitenzahl: 329
ISBN-10: 3518395092
ISBN-13: 978-3518395097
Preis: 7.99 EUR
Ingrid Wiltmann wurde 1949 geboren und ist Schriftstellerin, Übersetzerin und Dozentin in der Erwachsenenbildung.
In diesem Buch führte sie siebzehn sehr persönliche Gespräche mit Persönlichkeiten des jüdischen Lebens in Deutschland, Persönlichkeiten die zu völlig unterschiedlichen Zeiten geboren wurden. Dadurch bekommt der Leser eine Bandbreite des jüdischen Lebens in Deutschlands, die vom Beginn der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts bis hin zum Ende des 20. Jahrhunderts reicht.
Die Gesprächspartner von Ingrid Wiltmann berichten aus ihrem Leben, nur selten von Zwischenfragen unterbrochen. Man trifft auf die unterschiedlichsten Sichtweisen. So unterscheiden sich beispielsweise die Ansichten von Ignaz Bubis und von Michael Wolffsohn ganz erheblich. Allen aber ist gemein, dass sie zu ihren jüdischen Wurzeln und zu ihrem Leben als Jude in Deutschland stehen. Und in der Mehrzahl sehen sie auch die Gefahr des Antisemitismus – nicht nur in Deutschland – sondern überall in der Welt. Es ist nicht der offene Antisemitismus der ihnen Sorge bereitet, es ist vielmehr der versteckte Antisemitismus dem wir überall immer wieder begegnen und der sich so meisterhaft zu tarnen versteht.
Interessant ist, dass die Gesprächspartner von Ingrid Wiltmann dem Staat Israel durchaus auch kritisch gegenüber stehen. Niemand verneint das Existenzrecht Israels, aber die gegenwärtige Politik Israels (Stand 1999 – denn da erschien dieses Buch) wird schon kritisch gesehen, es wird aber auch Notwendigkeit vieler Handlungen Israels eingesehen, selbst wenn diese in der Welt auf zum Teil heftige Kritik stoßen.
Aus keinem der Gespräche spricht Hass auf Deutschland, selbst dann nicht wenn fürchterliche Erlebnisse in Auschwitz und in anderen Konzentrationslagern Teil des eigenen Lebenslaufes waren. Ganz im Gegenteil. Viele sehen Deutschland nach wie vor als Vaterland und als wirkliche Heimat an, sie sind hier tief verwurzelt – und auch von einer Kollektivschuld sprechen die befragten Personen nicht. Das habe ich als sehr bemerkenswert empfunden.
Mit großer Sorge aber wird das Wiedererstarken des Antisemitismus zur Kenntnis genommen. Weg war er eh nie. Und es wird auch zur Kenntnis genommen, dass es heutzutage den Menschen leichter gemacht wird, sich zu ihrer rechtsradikalen Gesinnung zu bekennen. Rechtsradikal zu sein ist langsam auf dem Weg zur „Salonfähigkeit“.
Es ist ein wichtiges und ein sehr interessantes Buch. Den Antisemiten wird es nicht überzeugen, den Rechtsradikalen sicher nicht von seinem Kurs abbringen, aber vielleicht regt es ein wenig das notwendige Nachdenken an.