"Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" - David Foster Wallace

  • Hörbuch “Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich”



    Ohne Frage. David Foster Wallace war ein sehr gescheiter und sehr penibler Autor, der am 12. September 2008 freiwillig aus dem Leben schied. Ich kenne zur Zeit keinen anderen Gegenwartsschriftsteller, der es in geschafft hat, mich aufgrund seiner Genauigkeit und seinem Hang zum peniblen so zum Nachdenken und gleichzeitig so zum Lachen zu bringen.


    Nachdem ich es wirklich geschafft hatte, sein Buch “Unendlicher Spaß” zu lesen und zu verstehen, entdeckte ich im letzten Monat das Hörbuch “Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich” Und siehe da, ich sollte nicht enttäuscht werden. Ein Wallace bleibt sich und seinem Schreibstil - zum Glück- gleich.


    Der Autor hat im Auftrag eines amerikanischen Magazins angenommen und eine Kreuzfahrt unternommen. Er hat dabei unter anderem gelernt, wie man beim Schach gegen ein neujährigen Kind verliert, mit unterernährten Kindern um den Preis für Halsketten feilscht, oder wie man an Bord nach Tontauben schießt. Das ganze Bordprogramm hat er genossen. Mehr oder weniger. Und er hat Menschen getroffen, die im Ernst am Service Counter gefragt haben, ob man beim Schnorcheln auch nass wird oder ob die Crew auch wirklich an Bord schläft.


    Er hat Menschen halb nackt gesehen, die man schon angezogen lieber nicht sehen will. Er musste feststellen, das unendlich viel Sonnencreme auf unendlich großen Körpern passt.


    Und er lässt keine Beobachtung aus. Selbst die Hinweisschilder an Bord müssen dran glauben. Auch hier stehen, wie selbstverständlich, kleine Sätze, die Foster ernst nimmt, analysiert und somit der Lächerlichkeit preis gibt. Dabei scheint alles auf einem Luxus Kreuzfahrtschiff passiert nach dieser Lektüre geradezu lächerlich zu sein. Ob es sich dabei um Tischtennispartien bei Windböen oder dem Zimmerservice handelt. Alles wird haargenau beschrieben und dadurch entlarvt sich, das selbst eine Kreuzfahrt nichts anderes ist, als eine große kommerzielle Verblödung für gutbetuchte Menschen, die das besondere suchen, aber diese Suche am Ende als erfolglos betrachten müssen. Eine Welt für sich eben. Ein Kosmos dessen Magie durch das geniale Hörbuch für viele Personen ewig im schwarzen Loch dieser Weltmeere verloren zu scheinen geht. Eine Kommödie, die seines gleichen sucht. So beschreibt er die Seviceaktion des Personals, jedesmal für frische Handtücher zu sorgen, wenn ein Gast sein Liegestuhl verlässt, so, als würde er mit Absicht nach fünf Minuten aufstehen, um zur Reling zu gehen. Das auch der Liegestuhl wieder in der richtigen Ausgangsposition steht, versteht sich hier -natürlich- von selbst.


    Wir folgen dem Sprecher [ein super aufgelegter Dietmar Bär] vom warten auf das einchecken, über das eintreffen an Bord bis hin zum traditionellen Ententanz von amerikanischen Leistungsträgern. Wir erleben Touristen, die sich gegenseitig mit früheren Kreuzfahrten brüsten, die zum x-ten mal auf dem Schiff sind und jedes Mal neues entdecken. Wallace hat beim ersten mal schon alles gesehen und er warnt seine Leser vor.


    Ob man nach dem Genuss der vollständigen Lesung [!!] noch den Mut hat, eine Kreuzfahrt zu unternehmen bleibt jedem selbst überlassen. Eigentlich spricht alles dagegen. Auf der anderen Seite möchte man doch schon gerne selber erfahren, ob es an Bord eines Meeresriesen wirklich so zugeht, wie es Wallace beschrieben hat.


    Der als Kölner “Tatort” Kommissar bekannt gewordene Schauspieler Dietmar Bär, vermag es wie kein anderer diesen genial komischen Roman eine Stimme zu geben.


    Das Hörbuch gibt es über den Hörverlag unter: Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich

  • Warum dieses Hörbuch immer wieder als "umwerfend witzig" oder "brüllend komisch" bezeichnet wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist lustig, keine Frage, aber auf eine launige, leicht zynische Art und Weise und beileibe nicht in dieser behaupteten Schenkelklopfermanier.
    Was dieses Hörbuch auszeichnet, sind die ungemeine Beobachtungsgabe des Autors und seine Fähigkeit, diese Beobachtungen sprachmächtig zu Papier zu bringen. Da wird etwa ein farbtechnisch gewagtes Sakko eines Gastes als "menstruales Rosa" bezeichnet, um nur ein Beispiel zu nennen.
    Ich denke, David Foster Wallace polarisiert - er war ein ungemein kluger Autor, aber sicher nicht der zugänglichste. Insofern dürfte dieses Hörbuch über eine Luxus-Kreuzfahrt ein guter Einstieg in sein Werk sein; ich werde jedenfalls beizeiten weiteres von ihm lesen.