Jahres-Gewinner Schreibwettbewerb 2004!

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    1. "Das Verschwinden" - Tom (Nov. 2004) (0) 0%
    2. "Ein heißer Tag" - BabyJane (Dez. 2004) (0) 0%
    3. "Froschkönig" - Tom (Sept. 2004) (0) 0%
    4. "Ein schwarzer Tag" - Insomnia (Okt. 2004) (0) 0%
    5. "Klopfzeichen" - Ompa Lompa (Aug. 2004) (0) 0%
    6. "Besucher" - Doc Hollywood (Juli 2004) (0) 0%
    7. "Wunschpunsch" - Alexx61 (Juni 2004) (0) 0%
    8. "Mord" - BabyJane (Mai 2004) (0) 0%
    9. "Vier Sekunden" - Doc Hollywood (Apr. 2004) (0) 0%

    Hallo zusammen,


    hier findet Ihr nun alle Monats-Gewinner-Beiträge des Jahres 2004.


    Ab dem 01.01.2005 könnt Ihr bis einschl. den 10.01.2005 hier in einer Umfrage Eurem persönlichen Favoriten Eure Stimme geben.


    Die Umfrage wird am 10.01.2005, um 21 Uhr geschlossen.


    Der Jahres-Gewinner 2004 erhält von uns einen Büchergutschein von Amazon.de über 25,- EUR.


    Viel Erfolg!

  • "Vier Sekunden"
    Thema: Losgelöst
    Autor: Doc Hollywood



    Weisses Licht. Ihre Mutter nimmt sie gerade ganz sanft in den Arm. Ihr Vater ist auch da, liebevoll und stolz blickt er auf sie herab. Fotos werden geschossen. Blitzlicht. Ihr Lieblings-Teddy ist verlorengegangen. Sie sucht die ganze Wohnung nach ihm ab und findet ihn dann unter ihrem Bettchen wieder. Teddy wird fotografiert. Blitzlicht. Sie steht mit einer übergrossen Schultasche auf dem Rücken im Schulhof, eine grosse blaue Schultüte in der Hand. Es werden Fotos geschossen. Blitzlicht. Im Kino nimmt ein Junge aus der Parallelklasse schüchtern ihre Hand. Dunkel. Sommergewitter. Es regnet und sie ist durchnässt. Das Herz klopft ihr bis zum Hals, als sie in einem Hauseingang umarmt und zum ersten Mal in ihrem Leben richtig geküsst wird. Blitzlicht. Fotos werden geschossen. Ihr Name wird vorgelesen. Sie steht auf und geht nach vorne. Sie bekommt aus der Hand des grauhaarigen Rektors ihr Abschlusszeugnis. Sie lässt die grosse, schwere hölzerne Doppeltür der Schule ein letztes Mal hinter sich zufallen. Winter. Es schneit, Alles ist weiss, auch ihre Schlittschuhe. Mitten auf dem zugefrorenen See wird ihr ein Heiratsantrag gemacht. Das Eis knackt. Blitzlicht. Es werden Fotos geschossen. Das glasklare Wasser umspielt ihren braungebrannten Körper. Ein leichter Wind bewegt die Palmen am Strand hinter ihr. Sie sieht einen Delphin. Sonnenlicht. Ihr letzter Arbeitstag. Ein riesiger Blumenstrauss verdeckt ihre feuchten Augen. Die Kolleginnen verabschieden sie mit herzlichen Worten. Fotos werden geschossen. Blitzlicht. Sie schreit und wird festgehalten. Die Hebamme ist ganz in weiss gekleidet. Draussen strahlt die Sonne, im Kreissaal strahlt ihr Gesicht. Ihr Mann macht Fotos. Blitzlicht. Silvester. Sie tanzt, sie lacht und sie trinkt. Fernlicht. Schweinwerfer im Dunkeln. Ein Reh mitten auf der Strasse, überall Bäume. Blackout. Sie müssen sie aus dem Auto schneiden, es werden Fotos geschossen. Blitzlicht. Sie steht am Grab ihrer Familie. Ihr Mann wurde vierunddreissig, ihre Tochter drei. Angetrunken hat sie beide in den Tod gefahren. Blitzlicht. Fotos werden geschossen. Die Bank lässt das Haus schätzen, sie muss es verkaufen. Sie findet keine Arbeit und wohnt jetzt in einem Wohnsilo mitten in der Stadt. Dunkelheit. Es ist eine klare Nacht, doch die Lichter der Stadt unter ihr machen die Sterne fast unsichtbar. So unsichtbar, wie sie sich fühlt. Verblasst, losgelöst. Hier gibt es Nichts mehr. Es heisst, am Ende sieht man noch einmal sein ganzes Leben vor sich ablaufen - nach einem Sprung vom Dach eines Hochhauses bleiben dafür noch vier Sekunden. Sie sieht weisses Licht.

  • "Mord"
    Thema: Mord
    Autor: BabyJane



    Es ist 03:14 h. Dunkelheit. Nichts los in der lauen Frühlingsnacht. Plötzlich Hektik. Ein Pkw brennt. Es befinden sich noch Personen im Fahrzeug. Das Blaulicht flackert auf. Man tritt aufs Gas. 120, 190, 210....man fliegt über die Straßen. Keiner der Anderen ist in der Nähe. Die Feuerwehr ausgebucht. Man tritt härter aufs Gas. Sieht wie der Kollege sich mit weißen Fingern an der Türe festhält. "Zu schnell?" " Nein, gib Gas." Nicken. Plötzlich vor einem ein Pkw. Die Fahrerin bremst, haarscharf fliegt man über den Seitenstreifen vorbei. Schnaufen auf dem Beifahrersitz. "Sorry." " Macht nix, gib Gas. Wir müssen dahin." Man sieht die Flammen. "Sieht übel aus." " Ja" Mit quietschenden Reifen kommt man hinter dem Fahrzeug zum Stehen. Personen laufen durchs Dunkel. Der Kollege rennt los. Man selbst spurtet nach vorne, den Feuerlöscher im Arm. Hört Schreie, schiebt Menschen beiseite. Sieht einen Kleinwagen, die Marke ist nicht mehr zu erkennen. Total deformiert. Auf dem Fahrersitz ein Mädchen, höchstens 20. Neben ihr ein junger Mann, bewußtlos. Die Flammen lecken am Fahrzeug Innenraum. Zwei Männer reißen an den Türen, nichts bewegt sich. Einem der Männer drücke ich den Feuerlöscher in die Hände. "Löschen, los." Ich schlage auf die Scheibe ein. Das Glas platzt auf, die Hände des Mädchens recken sich durch das Fenster. "Holt mich raus." Panisch. Ziehen Zerren. Auf der Beifahrerseite das gleiche Bild. Nichts bewegt sich.
    Der Feuerlöscher richtet nichts aus. Ihre Schreie werden schriller, das Feuer stärker. Es nützt nichts. Wir zerren an ihrem Körper können ihn nicht bewegen. Die Menschen schleppen Eimer voll Wasser heran, man versucht sie zu löschen. Vergeblich. Ihre Haare fangen Feuer. Sie schreit panisch. Keine Zeit sich hilflos zu fühlen. Endlich erneut Blaulicht, die Feuerwehr. Wasser und Schaum überall. Dennoch brennt das Fahrzeug weiter. Mein Kollege und ich werden nach hinten gedrängt. Die Feuerwehr braucht Platz. Man will nicht im Weg stehen. Hilflos stehen wir einige Meter entfernt, beobachten. Plötzlich ein fixierenden Blick. Das Mädchen sieht uns, blickt uns an, hebt die Arme. Ich verstehe nicht. Gehe näher, während die Feuerwehrmänner fieberhaft arbeiten.
    Ihr Körper brennt. Sie schreit erneut den gleichen Satz. Jemand greift nach meiner Hand. Mein Kollege.
    Er hat sie auch verstanden.
    Faßungslosigkeit.
    Die Hände an den Waffen, verkampft, bis das Weiße an den Knöcheln hervortritt. Der Griff an meiner Hand wird stärker, ich spüre den Schmerz nicht.
    Sie schreit wieder.
    Diesmal versteht es jeder. Einige sehen uns erwartungsvoll an.
    Eine Frau schreit. "Nun erlöst sie doch schon. Helft ihr ."
    Wieder ihr Schrei.
    "ERSCHIEßT MICH! BITTTTTTTTE !"
    Ich höre nicht mehr was sie ruft. Immer noch wird gelöscht.
    Plötzlich Stille.
    Nur noch das Prasseln des Feuers ist zu hören. Neben uns fällt die Frau auf die Knie. Ich sitze daneben. Spüre nichts. Ein Blick nach oben, mein Kollege weint.
    Ich lege mich auf den Boden. Sehe die Sterne an.


    Das Mädchen und ihr Freund haben den Unfall nicht überlebt. Sind unter Qualen gegangen. Ich hätte helfen können.....sollen? Müssen? Habe ich geholfen?


    Irgendwas in mir sagt: "Das wäre Mord gewesen"


    Wäre es das?

  • "Wunschpunsch"
    Thema: Wünsche
    Autor: Alexx61



    Lydia öffnete die Tür, ein riesiger Blumenstrauß sprang ihr fast ins Gesicht.
    „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“ trompeteten mehrere Stimmen, die sich hinter dem Strauß versteckten.
    Lydia lächelte, ließ die Truppe eintreten und schloß mit einem Seufzer die Tür. Das nächste Ritual stand an, alle umarmten und küssten sie und versicherten ihr, wieviel Gutes und Liebes sie ihr doch wünschten.


    Aufgeregt schnatternd strebten die Geburtstagsterroristen ins Wohnzimmer, stellten ein „freaky gestyltes“ Päckchen auf den Tisch und sahen Lydia fröhlich auffordernd an.


    „ Na, pack schon aus, wir haben uns ja soviel Mühe gemacht beim Aussuchen deines Geschenkes“


    Lydia wurde schlecht, sie kannte diese mit viel Mühe und Geld ausgesuchten Geschenke. Hässliche Teile, die in irgendeiner Frauenzeitschrift in der Rubrik „ausgefallene Geschenke zu finden waren. Sachen die kein Mensch braucht und schon gar nicht will.


    Es nutze nichts, Lydia packte das Geschenk langsam aus, auch das gehört zum Ritual, kein Kind lässt sich solange Zeit, aber von Erwachsenen wird erwartet, dass das teure Papier eben nicht in Fetzen gerissen wird.


    Aha, ein Tischgrill aus Edelstahl, toll, aber was sollte sie damit, alle wussten doch sie aß nicht gerne Fleisch, wieder ein Geschenk dass sich die Freunde selbst machten, nach dem Motto, „Du, kannst du uns mal den Tischgrill ausleihen, den wir dir geschenkt haben, oder schlimmer noch, sie wollen eingeladen werden und bringen natürlich Zutaten mit, für den blöden Tischgrill. So war es immer, an Geschenke wurden Erwartungen geknüpft, sie hasste das.


    Lydia schaute in die Runde, ging in die Küche goß sich ein großes Glas Sekt ein und dachte nach.
    Warum bekam sie nie das, was sie sich wünschte, hört ihr denn Keiner zu?
    Oder lag es daran, dass sie ihre Wünsche nicht richtig artikulierte, hätte die Bande nicht ohne Geschenk auftauchen können, überhaupt, das waren nicht die Leute, die sie sich wünschte, es waren viel Bekannte ihres Mannes dabei, die sie eigentlich nicht mochte, aber ihr Mann Peter „wünschte“ dass sie sich mit ihnen anfreundet. Der Sekt tat seine Wirkung und Lydia schritt ins Wohnzimmer.


    Erwartungsvoll schaute die Runde sie an. Lydia lächelte und sprach“ Ich wünsche dass ihr auf der Stelle mein Haus verlasst und vergesst euren Tischgrill nicht“


    Peter schaute sein Frau entsetzt an, begleitete die betroffene Gruppe nach draußen und entschuldigte sich murmelnd für seine Frau.
    Lydia setzte sich beschwingt auf die Couch, grinste und nahm sich vor, ihre Wünsche in Zukunft so vorzubringen, dass sie Niemand überhörte.

  • "Besucher"
    Thema: Verführung
    Autor: Doc Hollywood



    "Komm schon, Du kannst das.", flüsterte er ihr sanft ins Ohr. Langsam und vorsichtig bewegte er sich um das Bett herum. Das weiße Laken betonte ihre Unschuld. Sie zitterte fast unmerklich und war dem Anlass entsprechend gekleidet. Das war leider nicht immer bei allen so, dachte er sich, als er sie so erwartungsvoll vor sich liegen sah. Er berührte sie sanft und spürte, wie sie es genoss, wie sie sich langsam wohler fühlte. Noch war sie scheu - unsicher über das, was sie heute Nacht erwartete. Das war er gewohnt.


    Er war schon ein paar Mal bei ihr gewesen und hatte versucht ihr die Angst zu nehmen, ihre Bedenken zu zerstreuen. In einer schwierigen Phase war er bei ihr aufgetaucht. Viele schwerwiegende Entscheidungen mussten getroffen werden und er versuchte zu helfen, doch verlor er sein Begehren dabei nie aus den Augen. Er wollte sie.


    Mit jeder Begegnung wuchs ihre Sehnsucht. Er war sich seiner Sache stets sicher und erreichte am Ende immer, was er brauchte: völlige Hingabe. Seine Worte machten Eindruck, genauso, wie es sein Körper tat. Das war ihm bewusst, auch wenn es für ihn keine Rolle spielte. Einfühlsam und verständnisvoll hörte er ihr zu. Wie in einem Spiel, tat sie so, als ob sie nicht wüsste, was er von ihr verlangte. Doch Wort für Wort, Berührung um Berührung, näherte er sich ihr - und heute lag sie vor ihm.


    Mit einem einschmeichelnden Tonfall und einer Stimme, die bei ihr wohlige Schauer verursachte verriet er ihr seine Geheimnisse. Sie schloss dabei die Augen und seine Worte nahmen in ihrem Kopf Gestalt an. Zögerlich, aber unverkennbar, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Als sie ihre Augen wieder öffnete, sah sie direkt in sein Gesicht. Mit einem unendlich sanften, aber durchdringenden Blick beugte er sich über sie und küsste sie auf die Stirn. Es war nur ein Hauch, und trotzdem ging ein Schauer durch ihren ganzen Körper. Ihre Hände wanderten über die Muskeln seiner nackten Brust. Er gab ihr Zeit, ließ sie gewähren. Als sie sein Lächeln bemerkte, machte sie einen tiefen Atemzug. Ihre Anspannung löste sich und sie war endlich bereit sich fallenzulassen.


    Ohne Hast begab er sich an das Fußende des Bettes, streckte ihr seine starken Arme entgegen und entfaltete dabei seine schneeweissen Schwingen. Als sie ihre Hände in die seinen legte, ging ein gleissendes, verheissungsvolles Licht von ihm aus. Sie hatte keine Angst mehr, als der Engel sie endlich erlöste und mitnahm.

  • "Klopfzeichen"
    Thema: Hoffnung
    Autor: Ompa Lompa



    Es ertönt wie ein Klopfen an eine Tür. Jedesmal, wenn jemand aus meiner ICQ-Liste online geht, bekomme ich ein akustisches Signal. Manchmal löst es Emotionen in mir aus und ich zucke zusammen. Zucke zusammen, wenn ich mir eine bestimmte Person online wünsche. Dann bin ich nur eine winzige Handbewegung und einen Klick von der Realität entfernt.


    Bilder schießen mir durch den Kopf. Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich endlich wieder deinen Namen aufblinken sehen würde. Aber nichts.
    An dem Tag, als ich es erfahren habe, saß ich stundenlang vor meinem PC. Und habe gehofft.


    Es hat oft geklopft. Jedesmal wieder diese Aufruhr in mir, wollte doch nur ein Lebenszeichen wahrnehmen. Aufregung und kurz darauf bittere Ernüchterung. Enttäuschung. Ein Spiel, das meine Gefühle mit mir spielten, und mich beinahe wahnsinnig machte.


    Je länger ich saß und betete, endlich „Di“ in meinem Fenster zu sehen, desto schmerzlicher wurde alles. Meine Hoffnung, mein Wunsch, dass alles anders war, als es meine Mutter mir berichtete, war der einzige Antrieb.


    Tränen der kurzweiligen Verzweiflung weinte ich. Ich war zu feige, deine Eltern anzurufen. Oder jemanden, der besser Bescheid wußte. Und ich bin mir jetzt auch gar nicht mehr sicher, ob ich wirklich Gewissheit wollte.


    Nils schritt durch meine Tür. Ich sah ihn nur kurz an, da ich nicht vom Monitor lassen wollte. Ich weiß auch gar nicht mehr, ob und was er gesagt hat. Nach einigen Momenten vernahm ich erst leises, dann heftiges Schluchzen an meiner Seite. Kurz darauf vereinte es sich mit meinem. Ich glaube, das ganze Haus hat uns gehört.


    Tränen der Trauer weinten wir. Das war der Augenblick, als Gewissheit kam. Aber Hoffnung? Die verschwand nicht. Sie wurde kleiner. Und wenn ich ehrlich bin, ist sie bis heute nicht verschwunden.


    Deine Beerdigung, Maus, war das Schlimmste, was ich bis jetzt erlebt habe. Die Musik, die Menschen, der Sarg.
    Du bist tot? Nein, du bist nur nicht mehr hier. Deine Seele ist doch da. Ich kann sie fühlen. Wer will mir denn weis machen, dass du dich umgebracht hast? Ich spür dich doch. Und ich sehe deinen Namen in meiner Liste.


    Gelöscht habe ich dich nie. Du kannst jederzeit online gehen. Und jedesmal, wenn es „klopf klopf“ macht, denk ich an dich. Weil ich hoffe, dass du hier irgendwo bist.... ... ich weiß es ... ...

  • "Froschkönig"
    Thema: Helden
    Autor: Tom



    „Heulsuse!“ brüllte Lehrer Schwaniger durch die Klasse. Und: „Siegfried, ab in die Ecke!“
    Die anderen Schüler kicherten. „Ruhe!“, donnerte Schwaniger. Sofort wurde es still.
    Siggi drückte sich hinter seinem Pult hervor, wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen und ging langsam in die hintere Ecke des Klassenzimmers. „Mädchen! Mädchen!“ wisperte Harry Blork gehässig, als Siggi an ihm vorbeiging. Siggi neigte den Kopf, schlurfte in die Ecke und starrte seine Schnürsenkel an.
    „Noch jemand, der zu feige ist?“ schrie der Biologielehrer, seine Stimme überschlug sich fast. Gleich im Anschluß quakte es; Harry Blork lachte laut. „Harald, in die andere Ecke!“ befahl Schwaniger. Siggi drehte vorsichtig den Kopf, der verhaßte Mitschüler stellte sich grinsend in die freie hintere Ecke. Wieder quakte es, aber jetzt lachte niemand mehr.
    „Ihr setzt den Schnitt hier an“, erklärte der Lehrer, immer noch ziemlich echauffiert. „Iiii!“ piepste eine Mädchenstimme von weiter hinten, Schwaniger ignorierte es. „Und dann von oben nach unten.“ Es quakte, Harry Blork kicherte leise. Dann klopfte jemand an die Tür des Klassenzimmers.
    „Was?“ grummelte der Biologielehrer.
    Ein Schüler trat ein, wie Siggi über die Schulter beobachtete.
    „Der Direktor möchte, daß sie zu ihm kommen“, sagte der Siebtklässler kleinlaut, die Hände vor dem Bauch gefaltet, Blick zum Boden.
    „Muß das sein?“
    „Er sagte, daß sie bitte sofort kommen möchten.“
    Schaniger schwieg einen Moment, sagte dann: „Neumann, du sorgst dafür, daß Ruhe ist.“ Er ging mit dem Siebtklässler. Wieder quakte es. Siggi drehte sich vorsichtig um.
    Zweiundzwanzig Mitschüler saßen hinter ihren Pulten, Skalpelle in den Händen, vor ihnen kleine Kunststoffschüsseln, in denen leicht anästhesierte Frösche zappelten. Es roch irgendwie chemisch.
    Siggi atmete tief ein, drehte sich um. Ein paar Mitschüler sahen ihn an. Ihren Gesichtern war Angst und Ekel abzulesen, nur Harry Blork grinste vergnüglich.
    Am Boden neben dem Lehrertisch stand ein großer Karton, in dem Schwaniger die Kunststoffschüsseln gebracht hatte. Siggi ging nach vorne, nahm den Karton, ging zu seinem Platz und legte den zappelnden Laubfrosch hinein. Zweiundzwanzig Gesichter beobachteten ihn, fragende Blicke. Siggi nickte. Dann ging er durch die Reihen, sammelte Frösche ein.
    „Habt keine Angst“, sagte er. „Niemand kann dafür bestraft werden, wenn er nicht töten möchte.“ Den Satz hatte er vom Vater gehört, er fand, daß er gut paßte.
    Er nahm die Kiste mit übereinander krabbelnden Fröschen und ging zum großen Fenster links von der Tafel. Siggi kletterte auf die Heizung, bekam das Fenster aber nicht auf. Der Griff saß zu fest.
    „Laß mich mal machen“, sagte jemand neben ihm. Harry Blork. Er lächelte, hielt sich am Steigrohr fest, schwang sich auf das Fensterbrett und wuchtete das große Fenster auf. „Gib her“, sagte er. Siggi reichte ihm die Schachtel. Zweiundzwanzig Frösche plumpsten aus dem Hochparterre. Die beiden Jungs standen nebeneinander und beobachteten, wie die etwas lethargischen Frösche ein paar kurze Sprünge machten, die Wangen aufblähten und quakten. Dann kam der Lehrer zurück.


    Sie mußten fünf Stunden nachsitzen, beide zusammen, aber Frösche zum Sezieren gab es keine mehr.

  • "Ein schwarzer Tag"
    Thema: Mißverständnis
    Autor: Insomnia



    „Und es besteht wirklich keinerlei Hoffnung mehr?“
    Sie spürte, wie es ihr den Hals langsam zuschnürte.
    „Wie lange hat er noch? ... aha ... aber ... genauer können Sie es nicht sagen?!“
    Ihre Knie wurden schwach, langsam sackte sie vor dem Telefon zusammen und setzte sich auf den Fußboden.
    „Danke Herr Doktor, auf Wiederhören!“
    Langsam und nachdenklich legte sie den Hörer aus der Hand. Wie sollte sie ihm das nur beibringen? Sie griff nach dem Zigarettenetui auf dem Couchtisch und zündete sich mit zitternder Hand eine Zigarette an, sog den Rauch tief in ihre Lunge und schloss dabei die Augen...
    <KLACK!>
    Sie riss die Augen auf und blickte sich entsetzt um. Ganz deutlich hatte sie das Geräusch einer zufallenden Tür vernommen. Ob er das Telefonat mitbekommen hatte? Nein, sicher nicht...oder?!
    „Vera, ganz ruhig jetzt! Du musst wieder einen klaren Kopf bekommen! Vollkommen ruhig und gelassen...!“ Sie erinnerte sich an ihren letzten Autosuggestionskurs und es funktionierte – langsam lies der Druck nach, das Gedankenwirrwarr in ihrem Kopf ergab nach und nach wieder einen Sinn. Sie musste es ihm so schnell wie möglich mitteilen, aber wie nur? Wie würde er reagieren, ob er es verkraften würde?
    Es ging nicht anders, sie musste es tun und zwar jetzt. Schweren Herzens begab sie sich auf den Weg in Richtung Terrasse. Draußen war wunderschönes Wetter, Max saß auf seiner Schaukel und arbeitete wie wild an seinem ultimativen Ziel – dem Überschlag.
    „Maaaaamaaaaaaa, guck doch mal – gleich hab ich´s!“ Als sie in seine leuchtenden Augen blickte schossen ihr die Tränen in die Augen, sie konnte es nicht verhindern. Würde der Glanz aus seinen Augen verschwinden, wenn er es wüsste?
    „Mäxchen, komm mal her zu Mama, ich muss dir was sehr trauriges sagen!“ schluchzte Vera.
    Max bremste die Schaukel behutsam und setzte sich dann vor seine Mutter und blickte sie mit großen Augen ganz erwartungsvoll an.
    “Du musst jetzt ein ganz tapferer kleiner Mann sein, Mäxchen! Die Tierklinik hat eben angerufen, unser Hasso ist sehr krank. Er wird bald sterben und die Ärzte können nichts mehr für ihn tun.“
    Vera weinte nun jämmerlich und drückte ihren Sohn dabei ganz fest an sich. „Hasso kommt dann doch in den Hundehimmel, oder Mama? Das ist dann nicht so schlimm, die Engel werden sich dort bestimmt ganz gut um unseren Hasso kümmern!“
    „Ja mein Schatz, das werden sie. Es wird ihm an nichts fehlen!“
    „Dann müssen wir ja auch nicht traurig sein, Mama! Weiß Papa denn schon bescheid?“
    „Nein Mäxchen, ich muss es ihm noch sagen. Wo ist er eigentlich, hast Du ihn gesehen?“
    Vera schaute sich im Garten um. Seltsam, Manfred wollte doch eigentlich den Rasen mähen. Wo er nur schon wieder steckte?!
    “Der Papa ist eben ins Haus gerannt als das Telefon geklingelt hat, dann hat er ganz komisch geguckt als er wieder rauskam. Er hat mich furchtbar fest gedrückt und mir gesagt, wenn ich groß bin sollte ich nie zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen, und dann ist er mit einem ganz langen Seil in die Garage gegangen...“

  • "Das Verschwinden"
    Thema: Sarkasmus
    Autor: Tom



    Brigitte klopft leise an die Schlafzimmertür. Das Zeichen für mich, das Licht auszumachen. Danach höre ich das Rascheln ihres Nachthemdes, ihr Tasten nach dem Gitter am Fußende des Bettes, ein Seufzen. Bettdeckengeräusche. Sekundenlang ist es still, dann zieht sie umständlich ihr Nachthemd aus, rutscht unter das Bettzeug und deckt sich bis zum Kinn zu. „Okay“, murmelt sie. Ich schalte meine Nachttischlampe wieder ein. Jeden Abend das gleiche Ritual.
    „Ich fühle mich schwer“, sagt sie.
    „Wie eine trächtige Elefantenkuh“, gebe ich zurück.
    „Ja“, antwortet Brigitte.
    Ich nehme mein Buch hoch, versuche, mich auf irgendwas zu konzentrieren.
    „Ich könnte Fett absaugen lassen“, sagt sie, zum x-ten Mal.
    „So leistungsfähige Saugmaschinen gibt es noch nicht.“.


    Morgens muß ich die Augen zukneifen, bis Brigitte angezogen ist. Sie trägt weites Zeug, monströse Hosenschläuche, riesige Hemden, darüber einen Poncho. Ich darf sie nicht nackt sehen, oder ihre Figur. Dann schleicht sie ins Badezimmer. Zu der neuen Waage, die ich gekauft habe, das einzige, was sie gefreut hat in den letzten drei Monaten. Als ich Geräusche aus der Küche höre, gehe ich ins Bad, drücke ein paar Tasten an der Seite der Waage. 32,5 Kilo, wieder eins weniger. Brigitte weiß nicht, daß die Waage diese Funktion hat. Brigitte hat glücklicherweise kein Händchen für Technik. Sonst wüßte sie auch, daß ich die Waage so kalibriert habe, daß fünf Kilo zu wenig angezeigt werden. Es ist nutzlos. Selbst mit null Kilo Gewicht würde sich Brigitte fett fühlen.


    Ich nehme das Nutellaglas und mansche mir eine Riesenfuhre auf das Brötchen. Brigitte hat ein Glas mit destilliertem Wasser vor sich, daneben einen Teller, auf dem ein verschrumpelter, winziger Apfel liegt, der fast drei Euro gekostet hat, von einem speziellen Landgut in Südfrankreich. Sie nimmt das Messer, um den Apfel zu schälen. Ihre Hand zittert, ihre Finger sind so knochig, daß der Ehering wie ein Hula-Hoop-Reifen um den Ringfinger oszilliert.
    „Der hat doch sicher mindestens 30 Kalorien“, sage ich. Brigitte sieht mich ernst an, die dunklen, matten Augen tief in den Höhlen, ihre Augenränder sehen aus wie die Tarnung der Marines. Ich kann die genaue Kontur ihres Nasenbeins sehen, als hätte sie keine Haut.
    „Meinst du?“ fragt sie vorsichtig. Ich hebe die Zeitung, damit sie meine Tränen nicht sehen kann. „Der kostet dich einen Zentimeter Hüftumfang“, antworte ich mit trockenem Hals. Sie legt den Apfel zurück, nimmt einen Schluck Wasser. Dann kommt ihr Husten.


    Ich habe alles versucht, ihr zugeredet, Therapeuten eingeschaltet, Freunde, Familie. Ich habe ein aktuelles Ganzkörperbild maßstabsgetreu auf das eines superschlanken Supermodels geklebt. Trotz Brigittes Kluft nahm ihre Körper lediglich die Hälfte des anderen ein, aber sie schüttelte nur den Kopf. Ich habe die Feuerwehr gerufen. „Ich bringe mich um, wenn du das nochmal machst“, sagte sie.


    Ich stelle die kleine Urne mit Brigittes Asche neben das Nutellaglas auf den Küchenschrank. Dann hole ich meine Dienstpistole und setze mich ins Auto, um zu Brigittes Schulfreundin zu fahren, die sie vor einem halben Jahr wiedergetroffen hat, nach Ewigkeiten. „Hast aber ganz schön zugelegt“, waren ihre Begrüßungsworte gewesen.

  • "Ein heißer Tag"
    Thema: Behinderung
    Autor: BabyJane



    „Kann ich ihnen helfen?“ Die Frau im Auto lächelt. „Mir wurde schwarz vor Augen, da hab ich einen Moment angehalten.“ Vor uns hält der Rettungswagen „Steigen sie doch aus und schnappen ein bißchen frische Luft?“ Sie schüttelt lächelnd den Kopf, sagt nichts. Ich sehe den Rollstuhl auf dem Rücksitz. Zack, Fettnapf. Ich öffne ihr die Türe und mein hünenhafter Kollege hebt sie lächelnd aus dem Auto. „Schöne Frau, darf ich sie zu ihrem Wagen geleiten.“ Sie lacht und läßt sich zum Rettungswagen tragen. Ich folge, fühle mich befangen, weiß nicht wohin gucken. Sie hat einen kurzen Rock an. Ich stiere auf ihre hellen irgendwie leblosen Beine. Sie merkt es und lächelt mich trotzdem an, während der Sani eine Infusion legt und etwas von Kreislaufzusammenbruch wegen der Hitze murmelt. Unwohl trete ich von einem auf den anderen Fuß. Endlich fällt mir ein was ich tun könnte. „Dürfte ich ihren Autoschlüssel haben? Dann bringen wir ihr Auto zum Krankenhaus.“ Sie nickt und reicht mir ihren Schlüssel. Ihre Hände sind kalt und weich, die Fingernägel rot lackiert. Ich seh sie noch mal an. Sie ist hübsch. Dann entferne ich mich.
    Erleichtert der Situation entkommen zu sein steige ich in den Wagen,stecke den Schlüssel ins Zündschloss, will die Kupplung treten, finde kein Pedal. Schaue mir den Schalthebel an.... Automatik.... hätte ich mir denken sollen. Der Motor läuft. Ich will Gas geben. Fühle kein Pedal unter meinen Füssen. Bücke mich stiere in den Fußraum, tatsächlich keine Pedale da. Mir bricht der Schweiß aus. Hektisch suche ich im Fußraum herum. Ich schlage mir vor den Kopf, als ich die Hebel und Schalter am Lenkrad sehe, klar wie soll sie auch sonst fahren.
    Ratlos sehe ich die Hebel an. Vorsichtig probiere ich einen, der Motor heult auf. Ok. Gas gefunden. Ich lasse das Auto anrollen und drücke auf alle Hebel und Knöpfe. Keine Bremse. Ich seufze und bremse mit der Handbremse, ganz vorsichtig. Funktioniert. Dann geht's los. Der Rettungswagen vorne, dann ich, gefolgt vom Streifenwagen. Seltsam so zu fahren, zweimal trete ich unkontrolliert im Fußraum herum, hab nicht genug Gefühl in der Hand, um vernünftig Gas zu geben und immer wieder ruckelt und schaukelt das Auto. Die Leute starren mich an. Zwei zeigen mir einen Vogel. Ein Kind lacht, als ich an der Ampel den Motor absaufen lasse.
    Ich fühle mich hilflos.
    Als ich im Krankenhaus den Schlüssel zurückgebe, lächelt sie wieder. Ich stiere nicht mehr auf ihre Beine, sondern lächel zurück. „Ich hoffe mein Auto hat ihnen keine Probleme gemacht?“ Ich werde rot, schüttel den Kopf. Sie grinst verschmitzt. Schwingt sich ausm Bett in den Rollstuhl. Rollt vor mir her den Gang entlang zum Fenster. Ich muß fast rennen, um mit ihr mitzuhalten. Bin aus der Puste, als ich am Fenster ankomme. Ich zeige ihr, wo ihr Auto ziemlich schief steht, weil ich zuerst mit den Füssen bremste, bevor mir einfiel, daß das nicht geht. Sie bedankt sich lächelnd.


    Als ich gehe denk ich: „Jane,nicht sie, sondern du bist behindert.“