Deutschstunde - Siegfried Lenz

Die tiefgreifenden System-Arbeiten sind soweit abgeschlossen. Weitere Arbeiten können - wie bisher - am laufenden System erfolgen und werden bis auf weiteres zu keinen Einschränkungen im Forenbetrieb führen.
  • Bin im Rahmen der Leserunde - und nach etwas laenger als zwei Wochen :wow - auch damit fertig geworden. Auch wenn ich es bewusst nicht so schnell weg lesen wollte, bin ich ueberrascht, so lange dafuer gebraucht zu haben.


    Besonders den Stil finde ich wunderbar, das Buch wirkt nicht geschrieben, sondern gemalt. Jede einzelne Szene ist eine Art Bild, und das Umblaettern der Seiten ein bisschen wie langsames, gehaltvolles Daumenkino. Beeindruckend, dass die Sprache den gesamten Roman ueber beibehalten wurde, im Nachhinein ist die detaillierte Darstellung beinahe ueberwaeltigend, ich weiss nicht mal, ob ich alles mitgenommen habe.


    Besonders interessant fand ich die Vielfalt an Figuren, zu viele um sie alle aufzuzaehlen; dennoch hat man ueber alle etwas zu sagen, in den 570 Seiten werden sie einem ausreichend vorgestellt. Da gibt es den Maler und den besessenen Polizeiposten, Klaas, den Bruder des Erzaehlers, der aus dem Lazarett flieht, Hilke, seine Schwester, Addi, den Akkordeonspieler, Doktor Busbeck, den sanftfreundlichen Freund des Malers und natuerlich den Erzaehler selbst, Siggi Jepsen, der aus einer Anstalt fuer schwer erziehbare Jugendliche heraus im Rahmen einer Strafarbeit die Geschichte erzaehlt, sorgfaeltig eingearbeitet in das Aufsatzthema: Die Freuden der Pflicht.


    Als Leser taucht man gaenzlich ein in die Nordwindatmosphaere, in die bedrueckte Stimmung, in die Spannungen und in die manchmal langsame und zoegerliche, manchmal schnelle und wirkungsvolle Zerstoerung der grossen und kleinen Dinge, die aus den Kriegsjahren resultiert.


    Trotz der teils anstrengenden Passagen und der ausschweifenden Beschreibungen, die doch sehr an der Aufmerksamkeit zehren - um sie dann wieder auf faszinierende Art und Weise zu beanspruchen - habe ich 'Deutschstunde' sehr, sehr gerne gelesen.

  • Ich habe es nicht beendet und nach einem gestern noch mal gestartetem Leseversuch, werde ich das wohl auch nicht mehr tun.
    Es langweilt mich. Die Sprache ist nicht die meine und die Geschichte an sich interessiert mich nur gering.
    Dafür ist mir meine Zeit zur Zeit zu kostbar, vielleicht bekommt es in ein paar Jahren eine neue Chance....

  • Ich würde Lenzens Deutschstunde als gutes, aber nicht sehr gutes Buch bezeichnen.


    Für "gut" spricht der interessante Plot: Der Vater nimmt seine Pflichten als Polizeiposten, auch nach Kriegsende, noch wahr, sodass er sein soziales Umfeld, in immer engeren Kreisen, damit verstört, letztendlich sogar seine eigenen Kinder verstößt. Auch während des Krieges nimmt er durch die Überwachung des Malers Nansen Einfluss auf das Zusammenleben im Dorf Rugbüll. Gut auch, da verschiedene Zeitabschnitte im Verlauf der Erzählung verwoben werden, ohne die das Buch nicht halb so interessant wäre.


    Warum nicht "sehr gut"? Das Ende ist wirklich recht lose zusammenerzählt, da gebe ich den Vorrednern unbedingt recht. Zuvor wurden einzelne Episoden detailgenau erzählt (siehe Geburtstagstisch), das Leben zu Hause ebenso. Gegen Ende sind die Geschwister irgendwo in Hamburg verstreut, wo Siggi derweil vor seiner Haft ist, war für mich nicht ersichtlich: Harrte er zu Hause aus oder war er doch öfter bei Hilke? Schade finde ich, dass, obwohl der Roman ich Ich-Form erzählt wird, nichts Genauers über Siggis Innenleben geschildert wird. Alles ist relativ gleichgültig und neutral bei ihm, so wie die dahinfließende Elbe und wogende Meer, auch das Ende zeigt keinen richtigen Höhepunkt, wie auch die Geschichte mit dem Psychologen Wolfgang.


    Warum fand ich's dennoch gut? Das lag wohl an der verwendeten Sprache und der detailgetreuen Schilderung verschiedener Situationen. Und Siggis feiner Ironie. An Hilkes stämmigen Beine weniger.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ich habe es nicht beendet und nach einem gestern noch mal gestartetem Leseversuch, werde ich das wohl auch nicht mehr tun.
    Es langweilt mich. Die Sprache ist nicht die meine und die Geschichte an sich interessiert mich nur gering.
    Dafür ist mir meine Zeit zur Zeit zu kostbar, vielleicht bekommt es in ein paar Jahren eine neue Chance....


    So in etwa ging es mir als ich das Buch in der 11 Klasse gelesen hab. ich habe es zwar irgendwie zuende geelsen, aber wie das wundert mich heute noch. Ich finde den Stil so geschwollen und langatmig. Und ich weis irgendwie nie was ich von Siggi halten soll

  • Ich finde, dieses Buch ist großartig und ergreifend. Die Sprache ist nicht nur bildhaft und sinnträchtig, sondern ich habe das Gefühl, dass ich meine Kindheit in Rugbüll verbracht habe, dass Siggi mein kleiner Bruder war, und dass ich in dem Atelier des Malers gesessen und ihm beim Arbeiten zugeschaut habe. Als ich die Bilder von Emil Nolde gesehen habe, war ich erschrocken, wie sehr sie meiner Vorstellung nach der Lektüre entsprechen. Ich finde es sehr passend, dass das Ende lose erzaehlt wurde, und dass über die Gefühle von Siggi nicht direkt berichtet wurde, wir erfahren ja im Roman, dass die Bewohner von Rugbüll und Bleekenwarf kaum über ihre Gefühle sprechen, ja vieles zwischen den Zeilen kommuniziert wird.
    Mein Lieblingszitat: "Die Hauptstaedte, die wir brauchen, liegen in uns selbst."
    Einfach großartig.

  • Deutschstunde - Siegfried Lenz


    Mein Eindruck:
    Lange schon wollte ich Die Deutschstunde lesen. Das war aufgrund des Umfangs und der Komplexität ein größeres Projekt und endlich kam ich dazu.
    Tatsächlich handelt es sich um ein bemerkenswertes Werk, auch wenn es sprachlich nicht den Erneuerungen entspricht, die Günter Grass und andere in dieser Zeit schafften. Das war aber vermutlich auch nicht Lenz Intention.
    Er zeigt auf eine zwingende Art etwas über Menschen im Alltag in diktatorischen Verhältnissen. Alles wird nicht erklärbar, zum Beispiel warum der Dorfpolizist so an der Pflichterfüllung als oberstes Prinzip festgehalten hat. Die Deutschstunde zeigt aber ausführlich die sich auswirkenden Folgen und Zwänge aus der Umgebung.

    Siegfried Lenz nutzt eine geschickte Erzählperspektive durch den 20jährigen Icherzähler Siggi Jepsens mit Rückblenden auf sein Erleben als 9 bis 10jähriger. Er erzeugt außerdem eine Empathie für den Icherzähler beim Leser. Das liegt mit daran, dass Siggi zum Zeitpunkt der Ereignisse als Kind hilflos zwischen den Fronten stand und doch versuchte, das richtige zu tun.
    Viele der Nebenfiguren sind ebenfalls eindrucksvoll, besonders der Maler Max Ludwig Nansen und Siggis Familie.


    Mich hat das Buch fasziniert. Ich bin aber auch froh, dass ich keinen Aufsatz mit Gliederung, Einleitung, Aufbau, Hauptteil und Wertung darüber schreiben muss.

  • Ab 3.Oktober 2019 wird eine Verfilmung in den Kinos zu sehen sein:

    http://www.filmstarts.de/kritiken/259283.html

    Danke für den Hinweis.

    Ich bin bei solchen Verfilmungen ja immer skeptisch, vor allem dann, wenn es um eines meiner Lieblingsbücher eines meiner Lieblingsautoren geht.

    Aber der Trailer gefällt mir und die Besetzung finde ich großartig (vor allem Ulrich Noethen und Tobias Moretti).

    Ich bezweifle zwar, dass sie es schaffen, Lenz wunderbare Sprache auf die Leinwand zu bringen, aber die Stimmung des Buches schon.

  • Ich befürchte, die neue Verfilmung wird Probleme bekommen, weil der Maler Nansen abermals bedingungslos als Opfer gezeigt wird. (So schließe ich jedenfalls aus dem Trailer).


    Das ist zwar werkgetreu, aber da Nansen so offensichtlich auf Emil Nolde basiert und dieser auch in letzter Zeit wieder in der Diskussion stand, wäre es wünschenswert, das in eienr Neuverfilmung irgendwiezu berücksichtigen und das wurde offenbar versämt.


    Emil Nolde selbst hatte sich als NS-Opfer in der Nachkriegszeit stilisiert. Das angebliche Malverbot gab es aber so direkt nicht.

  • Das sehe ich in dem Fall anders. Hier geht es ja um eine Neuverfilmung des Romans, u. a. wegen seines 50. Jubiläums im letzten Jahr und nicht um die berechtigte Korrektur einer Biographie Emil Noldes.

    Warum sollte die Verfilmung hierauf eingehen? Das, was Lenz mit seinem Roman erzählen wollte, kann man auch losgelöst von Nolde betrachten und verfilmen. Siegfried Lenz kann man ganz sicher keinen Vorwurf machen.

    Ich halte das Buch trotzdem für einen wichtigen Roman über diese Zeit und hoffe, der Film wird ihm bzw. dem, was Lenz vermitteln wollte, gerecht.