Der Mythos von Iphis
Berlin Verlag, Berlin 2007. 142 Seiten
Kurzbeschreibung:
Der Kreter Ligdus wünscht sich sehnlich einen Sohn, und sollte seine Frau Telethusa stattdessen ein Mädchen gebären, soll es umgehend sterben. Telethusa erhält jedoch vor der Niederkunft eine Prophezeiung der Götter: Sie soll dem Gatten das Geschlecht des Kindes vorenthalten und das Mädchen Iphis als Jungen großziehen. Das Geheimnis bleibt lange unentdeckt, doch dann soll Iphis mit der schönen Ianthe verheiratet werden — und die junge Frau verliebt sich in ihre/seine künftige Gattin ...
Ali Smith widmet sich einer Episode aus dem 9. Buch von Ovids Metamorphosen, dem Wunder der Verwandlung der Iphis.
Über die Autorin:
Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt heute in Cambridge. Sie hat bisher drei Romane und vier Erzählbände veröffentlicht, stand bereits zweimal auf der Shortlist des Booker Prize und einmal auf der Shortlist des Orange Prize. Für »Die Zufällige« (Luchterhand 2006) wurde sie mit dem Whitbread Award für den besten Roman ausgezeichnet.
Mein Eindruck:
Das Buch teilt sich in 3 Teile auf. Ich, Du (der längste Teil) und schließlich „Jetzt alle zusammen“.
Der kurze Roman nutzt Assoziationen des in der Kurzbeschreibung oben beschriebenen Mythos, der von Ovid geschrieben wurde, und entwickelt daraus eine zeitgenössische Geschichte um Geschlechtertausch, Homosexualität und Reaktionen der Gesellschaft. Angesiedelt ist der stilistisch frisch erzählte Roman in Schottland, zentral in einer Werbefirma, in der die Geschwister Anthea und Imogen arbeiten.
Beide Geschwister sind Ich-Erzähler.
Vorangestellt ist zuerst eine wirklich ausgezeichnet geschrieben Erinnerungsszene aus der Kindheit der Schwestern. Ihr Großvater erzählt ihnen dabei auf humorvolle Art die Geschichte von Feuer-Lily, die im vergangenen Jahrhundert aktiv für Bürgerrechte eintrat.
Erst als Erwachsene bemerkt Imogen, dass ihre Schwester lesbisch ist. Schockiert nimmt sie daraufhin bewusster die Reaktionen der Gesellschaft wahr, zum Beispiel herablassende Bemerkungen der Männer in den Pubs. Obwohl sie Antheas Liebe zu Robin beschäftigt, gehen ihre Gedanken auch zu Paul, in den sie sich verliebt hat.
Die Multiperspektivität verleiht dem Buch zusätzlichen Reiz und wird auch sinnvoll eingesetzt. Wie Ali Smith verschiedene stilistische Einflüsse zu ihrem ganz eigenen Ton verschmilzt, finde ich sehr gelungen.
Mich persönlich hat dabei der Mythos, von dem sich die Geschichte ableitet, überraschenderweise wenig interessiert, spannender waren die Betrachtungen auf die moderne Gesellschaft in Schottland.