Schreibwettbewerb Juli/August 2011 - Thema: "Stadt, Land, Fluss"

  • Thema Juli 2011:


    "Stadt, Land, Fluss"


    Vom 01. bis 31. Juli 2011 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juli 2011 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. August eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!

  • von Sinela



    Einem Lindwurm gleich schlängelten sich die Menschen mit ihren Karren durch das Tal. Schon lange sahen sie die Schönheiten, die es zu bieten hatte, nicht mehr, dazu waren sie nach dem weiten Weg, der bereits hinter ihnen lag, viel zu müde und abgekämpft. Die Füsse waren schwer wie Blei, die wenigen Ochsen, die sie ihr eigen nannten, nicht weniger erschöpft als sie selbst. Sie wollten nur noch eines – endlich ankommen.
    „Und ich sage, wir bauen unsere Häuser auf die Wiese direkt am Fluss. So ersparen wir uns das roden des Waldes und haben es nicht weit bis zum Wasser.“
    Herausfordernd blickte Rudolf in die Runde. Leland schüttelte den Kopf über soviel Dummheit: „Nur zu, wenn du bei jedem Hochwasser nasse Füsse bekommen möchtest. An den Bäumen dort vorne kannst du genau sehen, wie hoch das Wasser in der Vergangenheit gestiegen ist und ich habe nicht vor, innerhalb dieser Zone mein Haus zu bauen. Ich sage, wir bauen unsere Siedlung oben bei dem kleinen Birkenwäldchen.“
    Unruhe breitete sich unter den Menschen aus, die hinter den beiden Männern standen. Diese Lösung würde Tage voller harter Arbeit bedeuten und das, wo sie doch so schnell wie möglich ihre Häuser bauen und das Wintergetreide in den Boden bringen mussten. Die kalten Tage würden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Maximo, der Älteste von ihnen, nickte.
    „Leland hat Recht. Nicht immer ist die einfachste Lösung auch die Beste. Wir werden seinem Rat folgen und unsere Häuser oben am Hang bauen.“
    Murrend fügte sich Rudolf und folgte mit seiner Familie den anderen. Rasch senkte sich die Dunkelheit über das Land, Lagerfeuer flammten am Hang auf, menschliche Stimmen konkurrierten mit dem Rauschen des nahen Flusses, doch schon bald kehrte Ruhe ein und es waren nur noch die Geräusche der Nacht zu hören.
    Schnee fiel lautlos vom Himmel, deckte die Narben, die die Äxte der Menschen in der Landschaft hinterlassen hatten, gnädig zu. Aus den Kaminen der Häuser stieg Rauch in den grauen Himmel. Das Wintergetreide wartete im Boden auf wärmere Tage um zu keimen und zu wachsen. Die mitgebrachten Vorräte würden bis zum Frühjahr reichen, die Wälder waren reich an Wild, niemand würde hungern müssen.
    Leland ließ seinen Blick über das Land schweifen. Wo früher dunkle Wälder standen, wogten nun Getreidefelder im Wind. Die Sonne ließ das Wasser des Flusses hell glitzern. Kinder spielten an seinem Ufer, schwammen in der trägen Strömung um sich abzukühlen. Pferde weideten auf den Wiesen im Tal, Kühe muhten, weil sie gemolken werden wollten. Die Häuser standen dicht an dicht am Hang. Die Siedlung hatte sich in den Jahren, seit sie hier waren, weit ausgedehnt und sie würde weiterwachsen, dessen war sich Leland ganz sicher. Er lächelte. Vielleicht würde an dieser Stelle einmal eine große Stadt stehen, aber das wusste nur Gott allein.

  • von Lesebiene



    Es war einmal eine Liebe. Am Anfang war sie nur ein ganz kleines Flämmchen aber mit jedem Tag wurde sie größer und brannte tief in ihren Herzen. Doch sie waren jung und dachten, die richtige Zeit kommt noch. Doch dann zog sie in eine andere Stadt und man verlor den Kontakt. Eines Tages traf sie Kommissar Zufall.
    Sie erfuhr, dass die Liebe ihres Lebens weit weg in einer großen Stadt an einem großen Fluss lebt.
    Und sie so saß hier an ihrem Fluss und er an seinem. Sie schrieb ihm einen Brief. In diesem Brief schrieb sie von ihren Gefühlen. Sie schrieb von dem Wunsch, ihn irgendwann wieder zu begegnen, einmal seinen Arm um sie zu spüren, sich fallenlassen zu können und einfach einmal eine schwache Frau zu sein. Sie möchte sich von ihm führen lassen in eine verzauberte Welt der Liebe.
    Diesen Brief steckte sie in eine Flasche. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Flasche gut verschraubt war, ging sie zur Brücke und warf die Flasche mitten in den Fluss. Sie schloss ihre Augen und hoffte, dass die Strömung die Flasche fortträgt – fort zu dem Mann, nach dem sie sich so sehnt und doch keine Hoffnung hat, ihn je wieder zu sehen. Dann ging sie nach Hause.
    Die Zeit verging, die Jahre rannen dahin.
    Dann eines Tages klingelt das Telefon. Hallo, hier ist Pascal. Ein Freund aus Hamburg hat Deinen Brief aus der Elbe gefischt und mir geschickt. Nachdem die Flasche Deine Stadt verlassen hat, schwamm sie durch mindestens 4 Bundesländer bis Hamburg. Und jetzt hat der Brief seinen Empfänger erreicht.

  • von Dori



    Die Sonnenstrahlen hatten das Pflaster der Terrasse, auf der die Familie saß, bereits angenehm erwärmt, sodass die vor Eiswürfeln strotzenden Limonaden-Gläser eine wahre Wohltat versprachen. Achtsam waren sie so zwischen den einzelnen Papierblättern verteilt, dass nichts passieren konnte, sollte eines umfallen. Um die zwei Kinder und ihren Vater herum befand sich wunderschöne Natur, die die idyllische Lage dieses Ferienhauses zu einem Paradies machte.
    „Okay… A! …“ Pauls kleiner Mund verzog sich zu einem Kräuseln, während er mit zusammengekniffenen Augen still das Alphabet aufsagte. Auf das „Stopp!“ seines Bruders Nils posaunte er laut den Buchstaben heraus, bei dem er stehen geblieben war: „P!“
    Sogleich begannen die beiden Kinder, die Tabellen auf ihren Blättern auszufüllen und schirmten ihr Geschriebenes mit Händen und Armen vor der „Konkurrenz“, die aus dem jeweiligen Bruder und ihrem Vater bestand, ab.
    Sie hatten schon einige Runden gespielt, die Zettel waren zur Hälfte vollgekritzelt und mit Punkten versehen worden.
    „Fertig!“ Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht setzte Nils sich auf. Sein Bruder Paul und ihr Vater gaben sich geschlagen, beendeten das Wort, an dem sie gerade geschrieben hatten und warteten darauf, dass Nils seine Ergebnisse vorlas.
    „Also ich hab Potsdam!“
    „Ich hab Passau. Was hast du denn, Papa?“
    „Ja, Passau hab ich auch.“
    „Och man, nur fünf Punkte…“, grumpig malte Paul eine kleine 5 in die Ecke eines Kästchens auf seinem Blatt, „Und welches Land hast du, Nils?“
    „Polen.“ Paul und sein Vater nickten. Fünf Punkte für alle.
    Den Teil „Gewässer“ hatten sie ausgelassen, da das noch zu schwierig für die Jungs war, stattdessen ging es jetzt mit „Tier“ weiter.
    „Das war schwer! Da hab ich nichts. Was hast du denn da hingeschrieben, Nils?“ fragte Paul gespannt.
    „Da hab ich Panther. Und du, Papa?“
    „Ich habe… äh… Pelikan.“ Paul beobachtete, wie sein Vater unsicher auf sein Blatt hinabsah.
    „Steht das da wirklich? Zeig mal her.“
    Der Mann lachte, etwas verunsichert. „Natürlich steht das da, was denkst du denn?“ Er hob sein Blatt auf und verdeckte es somit vor den Blicken seiner Söhne.
    „Papa, ich glaub du schummelst. Lass mich das mal sehen!“
    Der Vater schüttelte den Kopf: „Ich schummle nicht, so ein Unsinn. Womit machen wir weiter? Beruf?“
    Die beiden Jungs sahen auf ihre Blätter, um nachzulesen, was sie unter dieser Kategorie geschrieben hatten. So sahen sie nicht die einsame Träne, die verstohlen die Wange ihres Vaters hinabfloss. Er erhob sich unauffällig, um ins Haus zu gehen.
    Das Blatt, das aus seiner Hand fiel und langsam zu Boden segelte, enthielt eine Tabelle, deren Linien alle das gleiche enthielten: kleine, gezeichnete Nikolaus-Häuser.

  • von Prombär



    Stadt – Land – Fluss (Gewässer) – Berg (Gebirge) – Pflanze – Tier – Name – berühmter Schriftsteller – Heiliger – Figur in der Bibel – Politiker – Speise – Fernsehserie – Sehenswürdigkeit – Preis – Kleidungsstück – Film – Sportart – Farbe – Zustand – Marke – Fahrzeug – berühmte Internetseite – Fremdwort – Währung – Instrument



    Berühmte „französische“ Stadt, nicht an der Côte d’Azur, kann bei flüchtigem Betrachten für eine Befestigungsanlage für Paviane gehalten werden. **
    Ihr habt sicher schon Namen gehört, die man heute als Maler noch hoch verehrt. Euch sind Rembrandt und Ruben bekannt und sie malten alle im Flandernland. **
    Berühmtes Süßwasser-Meer, Insel mit Kloster, Ufer mit Klinik für Essstörungen … allerhand Sehenswürdigkeiten. **
    Nicht nur eine Marke für Sportartikel, sondern auch ein begehrtes Ziel für Bergsteiger. **
    Vermeintliche Bundeshymne sowie Zahlungsmittel mit geringem Wert. **
    Rockt nicht nur Amadeus, sondern auch Freya und Horus. **
    Hans und Gans im Glück. **
    Der Zug war pünktlich, trotzdem fragte er „Wo warst du, Adam?“ und dieser sagte kein einziges Wort. **
    Obwohl ein Schlauer Junge, klappte das mit den Englischen Fräulein erst Jahre danach. **
    Prophet für die Völker. **
    Inhaber eines gefährlichen Amtes: Nur zwei Personen dieser Funktion überlebten diese. Er
    nicht. **
    Nicht alle Katzen würden Whiskas kaufen. **
    Obwohl sie wie die Sonne lacht, wurde sie aufgrund zu hoher Brutalität nie gänzlich ins Deutsche übersetzt. **
    Der Name ist Programm, zumindest in der Sprache der Indianer. **
    Sehr begehrt, obwohl er Onkel und Ex-Ehemann verblüffend ähnlich sieht. **
    Zumindest in China Zeichen für Wohlstand und Coolness. **
    Ich gehe nach Rom, um mich erneut kreuzigen zu lassen. **
    Das Glück der Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde. **
    Liebe geht durch alle Zeiten. **
    Man hat’s nicht leicht, aber leicht hat’s einen. **
    Was haben Bubo Bubo und Hubba Bubba gemeinsam? Sie kleben! **
    Warum sind Hornissen nicht in Kirchen? – Weil Sie In-Sekten sind! **
    Schnell und interessant, nur nicht immer richtig. **
    Du bist anders! Du bist doof! **
    Hundertwasser ist mehr wert als Hundert-Senne. **
    Nicht der dritte Mann, sondern die letzte österreichische Kaiserin. **


    Lösung:
    [sp]Aschaffenburg – Belgien – Chiemsee – Dachstein – Edelweiß – Falke – Gustav – Heinrich Böll – Ignatius von Loyola – Jeremia – Klestil, Thomas – Lasagne – Mila Superstar – Niagarafälle – Oscar – Pyjama – Quo vadis? – Reiten – Saphirblau – tod – Uhu – Vespa – Wikipedia – Xenophobie – Yen – Zither[/sp]

  • von churchill



    Es ist nicht unbedingt so, dass ich oft derartige Orte besuche. Ich lebe und arbeite in der Hauptstadt. Am Puls der Zeit, im Zentrum der Aktion. Ich schreibe. Alles, was ich dazu brauche, finde ich hier. Hervorragende Kontakte inklusive. Einer der Kontakte hat mir diesen Termin vermittelt. In Lüglitz an der Obermümme.


    Es geht um mein neues Buch. Man könnte es „Schlüsselroman“ nennen. Zeitgenössische Literatur. Anspruchsvolle Unterhaltung. Mit Tiefgang. Perfekt recherchiert, Ähnlichkeiten mit lebenden und politisch handelnden Personen sicher nicht zufällig.


    Die ersten Rezensionen sind vielversprechend. Zur Zeit bin ich natürlich rund um die Uhr unterwegs. Vorlesend. Aktuell in Lüglitz an der Obermümme. Die Fahrt war komfortabel, zumindest die ersten 400 km. Erste Klasse ICE, Großraumwagen mit Handyverbot, Service am Platz, Büchlein mit Gedichten von Rilke und Zeichnungen von Loriot, kredenzt durch die kurvige Zugbegleiterin.


    Gut, die letzten 34 km hätten mich stutzig werden lassen können. Theoretisch immer noch erste Klasse. Praktisch fand ich sie in keiner der vier Regionalbahnen. Im Bus auf dem letzten Teilstück natürlich auch nicht. Erstklassig war dann wieder der Empfang in Lügnitz. Bereits im Vorfeld war mir der Bürgermeister persönlich als Abholkommando avisiert worden. Er ist auch der Inhaber der einladenden Buchhandlung. Eines Toto-Lotto-Ladens mit zwei Taschenbuch-Dreh-Ständern.


    Mein Gastgeber führte mich sofort zu meinem Hotel. Sagen wir besser „Unterkunft“. Ein sehr nettes Zimmer im Haus seiner Schwester. Ein Bett, ein Schrank, kein Schreibtisch. Frühstück in der Bäckerei gegenüber. „Einen Fernseher brauchen Sie ja für die eine Nacht sicher nicht!“ Natürlich nicht. Internet ist auch nicht so wichtig. Es macht auch nichts, dass kein Handynetz existiert. So einen Tag und eine Nacht in der Provinz habe ich mir immer schon spannend vorgestellt. Abenteuerurlaub.


    Halt, kein Urlaub. Die Lesung! Siebzehn ältere Damen im Hinterzimmer der Dorfkneipe. Der Toto-Lotto-Bürgermeister. Und ein supersüßes Mädchen mit einem Schreibblock. Aha, die Redakteurin vom Lüglitzer Tageblatt. Bin natürlich gerne zu einem Interview bereit. Sie hat zwar nicht gefragt. Garantiert gehemmt. Ich senke die Stimme und raune ihr im Vorbeigehen zu: „Nach der Lesung stehe ich zu Ihrer Verfügung“. Niedlich, ihr verlegener Blick. Kommt wohl nicht allzu oft vor, dass Prominente sich nach Lüglitz verirren. An der Obermümme.


    Ich lese die üblichen Abschnitte aus dem Buch. Appetithappen und sprachliche Schmankerl. Über die diversen Anspielungen lacht kaum jemand. War an der Obermümme auch nicht zu erwarten. Die Signierschlange ist überschaubar. Zwei Frauen. Legen mir allerdings nicht mein Buch vor. Ich signiere trotzdem die Exemplare von Anne Hertz und Sarah Lark. Die Aussicht auf die Redakteurin macht’s möglich.


    Der Gastgeber strahlt ob des großen Erfolgs der Veranstaltung. Ich blicke auf einen leeren Stuhl, der eben noch von der Redakteurin besetzt war. Na dann. Gute Nacht. Schlechter Schlaf, lasches Frühstück, rasche Abreise, Bus, Regionalbahnen, endlich ICE, erste Klasse. Fensterplatz. Am Tisch gegenüber: Sie. Die Redakteurin. Hat in einem Hotel geschlafen. Vier Sterne. Nur fünf Kilometer von Lüglitz entfernt. Untermümme. Kommt nicht vom Lüglitzer Tageblatt, sondern aus der Hauptstadt. Nachrichtenmagazin. Testet Bügernähe von Prominenten. Ich lande bei „Ausreichend“. Bei ihr nicht.

  • von wirbelwind



    Als sie erwachte und vorsichtig die Lider bewegte, blickten ihre Augen in diffuse Dunkelheit. Alles um sie herum erschien verschwommen, nahezu unwirklich. Sie verspürte ein eigenartiges Wattegefühl im Kopf und eine leichte Übelkeit. Ansonsten – nichts.Ihr kläglicher Versuch sich aufzusetzen, misslang. Ihre Arme und Beine fühlten sich schwer an, viel zu schwer. Alles war so dunkel. Ihre Augen gaben nach und sie verschwand wieder im tiefen Abgrund eines traumlosen Schlafes.


    Ein warmer Sonnenstrahl auf der Haut, ein Gefühl von Sommerferien. Ausschlafen. Grenzenlose Freiheit. Die Stimme der Mutter, die zum Frühstück ruft. Noch einmal gemütlich im Bett umdrehen... Ein Schlag ins Gesicht holte sie schnell in die Realität zurück. Die Taschenlampe, die gerade noch ihre Wange erwärmt hatte, blendete ihr nun brutal in die Augen. Sie konnte nicht erkennen, wer die Person war. Sie hörte nur Gemurmel. Was war los? Mit ihren Augen, ihren Ohren, ihrem Körper? Hatte sie Schmerzen? Nein, zumindest verspürte sie keine. Ein gutes Zeichen, das war es doch, oder? Der Strahl der Taschenlampe entschwand ihrem Blickfeld. Ruhe. Eine gefühlte Ewigkeit lang. Sie spürte eine Berührung am Arm,am Bein, nein, überall, erahnte weitere Personen. Sie zerrten an ihr. Was war denn nur los? Ein merkwürdiger Traum? Es fühlte sich alles so real an. Sie wurde in die Höhe gezogen, getragen, verfrachtet. Versuchte, aus ihrer Umgebung klug zu werden. Genauer hinzuhöre n. Doch sie war zu schwach. Ihre Augen schlossen sich erneut vor Erschöpfung, sie konnte gar nichts dagegen unternehmen.


    In den Minuten, Stunden - oder Tagen? danach hörte sie in unregelmäßigen Abständen Stimmen. Sie konnte sie verstehen, erkannte jedoch weder einen Zusammenhang, noch konnte sie reagieren. Ihre Augen wollten sich einfach nicht öffnen. Immer noch erschien ihr alles so unwirklich. Wenn die Versuche des Zuhörens zu anstrengend wurden, drifteten ihre Gedanken ab in die Vergangenheit. Zu glücklichen Momenten ihres bisherigen Lebens. Ihre Füße auf dem weichen Gras im Garten ihres Elternhauses. Die langen, von lautem Lachen erfüllten Abende, bei denen sich die Familie gegenseitig beim Spiel "Stadt, Land, Fluss" überbieten wollte. An ihren 17. Geburtstag. Dieser Zustand schien ewig anzudauern.


    Bis eines Tages Licht am Ende des Tunnels auftauchte. Mühsam öffnete sie die Augen. Es war sehr schwierig. Alles war so hell. Ungewohnt hell. Sie sah sich um. Entdeckte weisse Wände, Metallgegenstände. Stellte fest, dass sie in einem Bett lag. Bewegen konnte sie sich nicht.


    Nachdem die anwesenden Leute entdeckt hatten, dass die junge Frau bei Bewusstsein war, eilten sie schnellen Schrittes herbei. Überprüften ihre Reflexe, versorgten ihren Körper. Als die junge Frau stark genug war, um mit ihnen zu sprechen, erzählten sie ihr die Wahrheit. Und die junge Frau fing an zu schreien. Es waren Laute voller Verzweiflung und angefüllt von Trauer. Denn sie war mit ihren Eltern auf dem Weg in den Urlaub gewesen und es hatte einen furchtbaren Autounfall gegeben. Das Fahrzeug war nicht mehr als eine Sammlung an Schrottteilen. Sie war die einzige Überlebende und ihre schweren Verletzungen hatten sie wochenlang ans Bett gefesselt, im künstlichen Koma gefangen, um die Schmerzen nicht ertragen zu müssen.

  • von rienchen



    Das Jahr ist vergangen. Es ist Zeit.
    Sie sortiert seine alten Zeitschriften für den Papiermüll, Unmengen von Rätselheften dominieren das Sammelsurium aus Auto- Motor und Sport und einigen anderen merkwürdigen Blättchen. Sie teilte viele seiner Vorlieben, aber die der Rätsel und Spiele im Allgemeinen gehörten nicht dazu. An besonders rotweinseeligen, langen Winterabenden allerdings hatten sie manchmal Stadt- Land- Fluss gespielt, diesen altmodischen Zeitvertreib.
    Sie lächelt, als ihr ein einzelnes, loses Blatt aus einer Illustrierten entgegen flattert.


    Gundelfingen - Griechenland - Gundi - Gutshofbesitzer - Gelster - Gams


    ist dort in seiner Handschrift zu lesen. Sie erinnert sich augenblicklich an diesen Abend und an die hitzige Diskussion darüber, ob „Gutshofbesitzer“ nun ein anerkannter Beruf sei, oder nicht. Die Diskussion wurde später unter viel Gekichere ebenso ausgelassen- hitzig im Bett fortgesetzt.


    Unter das Lächeln mischen sich Tränen der Rührung und des Schmerzes über den Verlust ihres geliebten Mannes. Sie lässt es zu, schluchzend und bebend, schüttelt aber nach einigen Minuten energisch den Kopf und steht auf. Seine Kleider sind für das DRK sortiert und warten im Flur auf Abholung. Diesen befremdlichen Wunsch hatte er geäußert, nun empfindet sie es richtig.


    Wie wenig von einem Menschen doch übrigbleibt. CDs, Bücher, Kosmetikartikel. Düfte, verschlossen in Flakons. Wenige Haare im Kamm. Das alles verschwindet irgendwann, löst sich auf. Zersetzt sich in die Ausgangsform. Der Gedanke allerdings bleibt. Er verblasst mit der Zeit, er wird schwächer wie ein Traum, den man als Kind geträumt hat. Aber er bleibt. Man kann ihn nicht einfach wegschmeißen wie einen Sack gertragener Kleidung. Man kann ihn vergraben und wiederfinden, wie einen Schatz. Das gefällt ihr, spendet Trost. Wie einen Schatz.


    Es ist heute heiß draußen und schön. Sie legt das schwarze Kostüm ab, atmet tief in den unteren Bauch, um schließlich das bunte Sommerkleid anzuziehen, das sie sich für diesen Tag gekauft hat. Die Frau im Spiegel sieht ihr fremd entgegen, scheu, aber aufmunternd. Die schwarzen Kleidungsstücke stopft sie zu den anderen in den Altkleidersack, nimmt den Papiermüll und verlässt die Wohnung. Ingo, ihr Nachbar, steht vor seiner Wohnungstür, noch ganz außer Atem vom Treppensteigen. „Gundula“ strahlt er sie an und seine Augen leuchten, als er an ihr herunter sieht. „Gut siehst Du aus. Lust auf Kaffee?“


    Die Stadt verändert fortwährend ihre Struktur. Es gibt neue Clubs, Cafes und Kinos. Die lieb gewonne Eisdiele, die den Geschmack der Kindheit geprägt hat, muss schließen und wird durch ein mittelmäßiges Restaurant ersetzt. Das Land unterliegt dem Wandel der Jahreszeiten, dem Zauber des Frühlings, der Hitze des Sommers, der Melancholie des Herbstes und der schmerzhaften Kälte des Winters. Der Fluss sucht unaufhaltsam seinen Weg zum Meer, um sich schließlich in seiner Weite zu verlieren.


    Sie legt den Stadt- Land- Fluss- Zettel auf den Altpapierstapel. Gundi verschwimmt vor ihren Augen. Ich vergrabe Dich jetzt. Mein Schatz.


    Alles auf Anfang steht auf einer vergilbten Frauenzeitschrift, die zuoberst liegt. Das Covermodel sieht auf das Meer hinaus, lächelnd.


    „Hallo, Ingo“, sagt sie. Danke, sehr gerne.“

  • von vogelscheuche



    Markus’ Füsse waren eiskalt.
    Gerötet, steif und eiskalt. Kein Wunder. Es war Mitte Januar und der Fluss war an den meisten Orten zugefroren.
    Nur hier, wo die Sonne beinahe ganztags auf das Gewässer schien, versteckte es sich nicht unter einer kühlen Decke seiner selbst.
    Markus gab ein seltsames Bild ab, wie er da eingemummelt in einen alten Mantel, Mütze und Schal, barfuss im Fluss stand.
    Die vielen Sonntagsspaziergänger, die dem gewundenen Weg am Ufer des Stromes folgten, unterbrachen ihre belanglosen Gespräche als sie den alten Mann mit den langen, zerzausten Haaren erblickten, warfen ihm entsetzte Blicke zu und beschleunigten ihre Schritte um schnellstmöglich von dem Verrückten wegzukommen.
    Ja, Markus gab ein seltsames Bild ab, wie er, die Arme ausgebreitet, den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, mitten im Fluss stand.
    Er genoss die Kälte des Wassers, er genoss es, wie sie langsam seine Beine hinaufkroch, seinen Bauch erreichte, sich unter der schützenden Kleidung hindurchzwängte und seine Arme umklammerte.
    Er lächelte, als er spürte wie sich die Gänsehaut auf seinem Rücken ausbreitete und ihn erschaudern liess.
    Als er die Augen öffnete, sah er über sich den Himmel und in regelmässigen Abständen eine Atemwolke, die ins strahlende Blau hinaufschwebte. Er sah die nahe Stadt nicht, er sah die ihn umgebenden, streng eingezäunten Felder nicht.
    Er sah nur den unendlich weiten Himmel über sich, spürte die glitschigen Steine unter seinen Füssen und das Wasser, das beissend kalt an seinen Waden riss.
    In diesem Moment, fielen all die düsteren Gedanken, all die Probleme von ihm ab und ein zufriedenes Lächeln legte sein Gesicht in noch tiefere Falten.
    „Ist dir nicht kalt“, erklang eine erschrockene Stimme vom Flussufer her.
    Verwirrt liess Markus die Arme sinken und kniff die Augen zusammen, um die verschwommene Gestalt am Ufer besser sehen zu können.
    Mühsam watete er zum Rand des Flusses und erkannte ein kleines Mädchen, das ihn mit grossen, neugierigen Augen anstarrte. Jungen, unwissenden Augen, die noch nichts von der Welt gesehen hatten.
    Nichts von ihrer Schönheit, aber auch noch nichts von der Brutalität, die sie umgab. Sie wussten nicht, was die Menschen einander antun konnten, nichts von den Kriegen die dort draussen tobten.
    Markus blickte ins sprudelnde Wasser, das seine Füsse umspülte.
    „Ist dir nicht kalt?“, fragte das Mädchen wieder.
    „Nein.“, seufzte er. „Mir ist nicht kalt“
    Er log.
    Da war sie wieder, die innere Kälte, die er durch den eiskalten Schmerz in seinen Füssen für einen kurzen Moment verdrängt hatte. Sie brachte alles zurück. Den Schmerz der Hilflosigkeit, des Verlustes, des Alleinseins…
    Markus schloss die Augen und wiederholte: „Nein, mir ist nicht kalt“
    Das Mädchen wandte sich ab, hüpfte pfeifend davon und liess den alten Mann alleine zurück.
    Nein, nicht alleine…
    Sie liess ihn mit einem alten Freund zurück.
    Der Fluss hatte noch viel mehr erlebt als Markus, viel mehr Leid und viel mehr Schmerz gesehen als er, und er hatte überlebt.
    Er hatte das alles überlebt, und das spendete Markus Trost.
    Und das spendete ihm Trost…

  • von fantasy



    Es war ein heißer Sommertag und ich verbrachte den Nachmittag mit meinen beiden Freundinnen Nele und Lina am See. Bald würden die Sommerferien anfangen und wir würden alle drei zusammen in den Urlaub fahren. Nun saßen wir aber hier und hatten nichts anderes zu tun, als dazuliegen und die Sonne zu genießen. Doch auch das wurde
    uns bald langweilig.
    „Wollen wir nicht etwas spielen, Ava?“, Nele drehte sich zu mir um und blickte mich erwartungsvoll an. „Wir haben nichts mitgenommen“, entgegnete ich. Lina durchsuchte ihre Tasche: „Ich habe Zettel und Stifte dabei. Lasst uns doch Stadt, Land, Fluss spielen, wie in der Schule.“
    Lustlos nahm ich das Papier entgegen. An die Schule wollte ich jetzt gar nicht denken. Kurz vor den Ferien war die nämlich immer besonders langweilig.
    Aber mit einem Spiel ließen sich diese Gedanken leicht vertreiben und so schritt der Nachmittag schnell voran.
    Nach einiger Zeit, wir waren gerade beim Buchstaben „L“ und ich kritzelte eifrig auf meinem Blatt herum, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir: „Lukas.“ Ich drehte mich verdutzt um und erblickte einen Jungen hinter mir. Er lächelte mich verschmitzt an: „Du brauchst noch einen Namen: Lukas.“
    Ich war gefangen in seinen tiefen braunen Augen.



    Es ist ein warmer Sommermorgen und ich blicke hinaus auf den See. Das Ufer ist dichter, als damals. Die Sonne geht gerade auf und über dem See breiten sich Nebelschwaden aus. Es ist so friedlich.
    Plötzlich umschließen mich starke Arme. Ich lasse mich in die Umarmung sinken. Lukas flüstert in mein Ohr: „Weißt du noch Ava, hier sind wir uns das erste Mal begegnet.“