Porträt eines Süchtigen als junger Mann - Bill Clegg

  • OT: Portrait of an Addict as a Young Man
    Gebundene Ausgabe, September 2011
    S. Fischer Verlag, 270 S.


    Klappentext:
    Bill Clegg war gerade dreißig, und ein erfolgreicher Literaturagent, als er plötzlich nicht mehr in seinem Büro auftauchte. Niemand wusste, wo er war.
    Alles, was er wollte, war Crack. Es folgt eine Zeit voller Drogen, Sex und Zerstörung.


    Bill Clegg erzählt mit Sensibilität und Ernsthaftigkeit von einem Horrortrip, dem er auf fast unerklärliche Weise doch noch entkommen konnte.
    Ein unvergessliches Zeugnis einer Sucht, die sein Leben verändert hat.
    Eine wahre Geschichte.


    Über den Autor:
    Bill Clegg arbeitet als Literaturagent in New York.
    „Porträt eines Süchtigen als junger Mann“ ist seine eigene Geschichte.


    Übersetzt wurde sie von Malte Krutzsch, der seit 1978 als Übersetzer tätig ist und in der Eifel lebt.


    Meine Meinung:


    Oft wünsche ich mir, alles wäre so, wie es scheint, ich könnte das Leben, das alle vor Augen zu haben meinen, wirklich führen.
    Aber es kommt mir arg provisorisch vor, eine Schraubendrehung vom Zusammensturz entfernt.


    Das Umschlagbild des Autors zeigt einen attraktiven Mann mit markanten Gesichtszügen und entschlossenem, selbstsicherem Blick.
    Man hat keine Probleme, sich Bill Clegg in der Rolle des erfolgreichen, dynamischen, scharfsinnigen und feingeistigen Literaturagenten vorzustellen, als der er in der Branche und im Freundes- und Familienkreis gilt.
    Bills Realität sieht anders aus. Er fühlt sich all der Anerkennung und Bewunderung nicht wert, ist überfordert von den damit verknüpften Erwartungen und Verpflichtungen und lebt in ständiger Angst vor dem Moment, in dem sein Umfeld erkennt, „was für ein hirnloser Blender“ er ist.
    Bills Beschreibungen seiner Selbstzweifel sind von beklemmender Intensität. Und ebenso eindringlich und plastisch schildert er den Trost, den er in den Armen der Droge erfährt:


    Hinter seinen Augen kehrt so etwas wie Frieden ein.
    Der Frieden wandert von seinen Schläfen hinunter zur Brust - kinetisch, sexuell, euphorisch -
    wie ein wundervoller Hurrikan, der mit Lichtgeschwindigkeit tobt.
    Es ist die wärmste, zärtlichste Liebkosung, die er je erlebt hat,
    und als sie nachlässt, die kälteste Hand.


    Bill geht nicht länger in die Agentur, lässt seinen Lebensgefährten, einen angesehenen Filmemacher im Unklaren über seinen Verbleib, mietet sich in Hotels ein und gibt sich ganz dem Crackrausch und dem Vergessen hin.
    Er trinkt Wodka wie Wasser, isst und schläft kaum noch und stillt seine Sehnsucht nach Gesellschaft und menschlicher Wärme mit schmutzigem Sex mit Junkies, Dealern, Taxifahrern …
    Am absoluten Tiefpunkt angelangt, hat Bill an die 70.000 Dollar verprasst, ist abgemagert bis auf die Knochen, schwer depressiv und hoch paranoid.
    Trotz seiner Todessehnsucht gibt er noch nicht auf, wagt noch (verzweifelt) zu hoffen, eine Romansentenz als Mantra:


    Wenn es sich anfühlt wie das Ende der Welt, ist es nicht das Ende.


    In „Porträt eines Süchtigen als junger Mann“ geht es um nicht viel mehr als um die Sucht.
    Ich hatte erwartet, auch etwas über Bills Arbeit als Agent zu erfahren,
    hatte auf Anekdoten und Begegnungen von und mit namhaften Literaten gehofft, stattdessen konzentriert sich der Autor konsequent auf die einzelnen Aspekte seiner Sucht.
    In kurzen Absätzen und bildlicher Sprache reihen sich Beschaffung, Rausch und Absturz in gefühlter Endlosschleife aneinander.
    Unterbrochen wird diese bisweilen zähe Monotonie durch Rückblenden in Cleggs Kindheit.
    In der dritten Person erzählt Clegg von sich als kleinem Jungen und seinem quälenden, traumatischen Problem.


    Obwohl mir ein wenig die Literatur gefehlt hat (auch in sprachlicher Hinsicht), bin ich beeindruckt, wie ehrlich und radikal der Autor hier Bilanz zieht.
    Ein mutiges und lesenswertes Buch.