George Tenner: Insel der tausend Puppen

  • George Tenner, Insel der tausend Puppen. Lasse Larssons dritter Fall, Schardt Verlag, Oldenburg, 2009, Klappenbroschur, 302 Seiten


    Der Legionär und das Mädchen


    Theres Wilding hat nur einen Wunsch: sie möchte den Mann tot sehen, der sie vor fast 30 Jahren vergewaltigt hat. Die nunmehr erfolgreiche Geschäftsfrau konnte diese schreckliche Tat nie verwinden und sieht sich endlich am Ziel, als sie in dem Serben Dobroslav Nicolic ihren Peiniger aus Jugendtagen erkennt. Sie erkennt, dass sie allein keine Chance haben würde, an diesen schwer bewachten Geschäftsmann, der mit der Yacht Morningstar auf der Insel Usedom weilt, heranzukommen. Also setzt sie einige Hebel in Bewegung und erhält Kontakt zu einem Ex-Legionär, Chevalier Oberst Armand Beauvais, einem Kämpfer mit Irak-Erfahrung. Sein erteilt ihm und seinem Männern den Auftrag, Nicolic und alle an Bord der Yacht befindlichen Personen zu liquidieren.
    Beauvais kontaktiert einige erfahrene Kameraden und beginnt mit der generalstabsmäßigen Planung der Aktion.
    Auch einem jungen muslimischen Pärchen aus Greifswald fällt die Yacht Morningstar bei einem Ausflug ins Auge. Als Aischa Husejnow in dem Schiffseigner Dobroslav Nicolic einen der Schlächter von Srebrenica erkennt, ist sie erschüttert.
    Einige Tage später treibt die Yacht Morningstar scheinbar führerlos bei Warthe im Achterwasser. Die Mannschaft vom Polizeiboot Damerow stellt mit Entsetzen fest, dass sieben Menschen an Bord auf grausamste Weise gefoltert und ermordet wurden, lediglich der italienische Kapitän überlebte schwerverletzt. Mit großer Hektik beginnt eine der aufwendigsten Ermittlungen auf der Insel. Die Männer um KHK Lasse Larsson müssen vielen Spuren nachgehen, doch viele verlaufen im Sande.
    Da erreicht die Behörden eine Nachricht der polnischen Polizei: in Gryfino und Swinoujscie wurden zwei Säuglinge entführt, eine Telefonüberwachung weist auf eine Verbindung zur Yacht Morningstar hin. Gemeinsam mit den Behörden des Nachbarlandes ermittelt Larsson im Dunstkreis des ukrainischen Schiebers und Menschenhändlers Furmanow, der sich zur Zeit auf Usedom aufhalten soll und in geschäftlichen Kontakten zum ermordeten Nicolic stand.
    Durch eine Zeugenaussage gerät auch Theres Wilding in die Ermittlungen Larssons. Sie war nachts in der Nähe der ankernden Morningstar gesehen worden. Doch es scheint vorerst nicht möglich, ihr eine Verbindung zur Tat nachzuweisen.
    Durch mühevolle Kleinarbeit, aufwendige Recherchen und eine Portion Glück gelingt es der Usedomer Polizei nach für nach, das Puzzle um diesen grausamen Massenmord zusammen zu setzen. Was Larsson und sein Team ans Tageslicht bringen, ist die traurige Geschichte eines Mädchens, welches zum Opfer einer menschlichen Bestie wurde und nun selber mit der Schuld einer schweren Straftat leben muß.


    Es gelingt George Tenner mit diesem dritten Usedom-Krimi einmal mehr, präzise in seelische Abgründe zu blicken und plastisch die Gefühle und das Denken von Menschen in Extremsituationen zu beschreiben. Das ist neben der präzisen Beschreibung der Örtlichkeiten und der Abläufe der Ermittlungen die Stärke dieses Thrillers, der weit über die Sonneninsel Usedom hinaus reicht und einen ungemein spannenden und erhellenden Einblick gewährt in die Strukturen international agierender Krimineller im Ostsee-Raum. Einmalig genau sind auch die Ausführungen des Autors zur Zusammenarbeit der polnischen und deutschen Sicherheitsorgane im Bereich der organisierten Kriminalität, hier kommt eine der Stärken des ausgewiesenen Journalisten Tenner – exakte Recherche des Themas – zum Tragen. Gleichzeitig entwickelt der Autor auch das private leben seines Serien-Helden weiter. Lasse Larsson wird sich zu seiner Liebe Monika Landris bekennen und muß erfahren, was es heißt, plötzlich Vater zu sein. In der konsequenten, psychologisch gut durchdachten persönlichen Entwicklung der Hauptfigur liegt eine weitere Stärke dieser Roman-Reihe um einen mutigen, aufrichtigen und menschlichen Polizisten mit seinen kleinen Schwächen. Das liest sich immer spannend, meist sehr erhellend und regt zum Nachdenken über so manche Zustände bei uns und in der Welt an
    Tenner schreibt präzise, prägnant und mit der menschlichen Wärme, die angesichts solch kaltblütiger Verbrechen nötig ist. Das ist viel mehr, als man von einem Regionalkrimi erwarten kann. Man kann nur wünschen, dass dem Autor, der sein siebzigstes Lebensjahr bereits überschritten hat, noch viele ähnlich gute Bücher gelingen!


    (Diese Rezension habe ich bereist bei Amazon veröffentlicht)