Bo Balderson: Der Staatsminister reist aufs Land

  • Bo Balderson, Der Staatsminister reist aufs Land, Stegemann, HC, 237 S., 2007 (1975)


    Wieder einmal begleitet der pensionierte Studienrat Vilhelm Persson seinen Schwager und Staatsminister. Diesmal fahren die Beiden hinaus aufs Land, weil der Staatsminister als Schirmherr für eine UN-Organisation nach einer geeigneten Immobilie für eine Kinderheim Ausschau hält.
    Sie quartieren sich beim dritten Reichstagsvizepräsidenten Akerblom ein, der als Strohwitwer in häuslichem Chaos versunken eine Villa in dem Ort Melanstadt bewohnt. Dort besichtigen sie zunächst das von einer hohen Mauer nebst Stacheldraht und Strom geschützte Anwesen des pensionierten Kommissars Gustaf Wallmann, der sich offenbar mittels Alarmanlage und Revolver vor einer unbekannten Gefahr zu schützen sucht.
    Das zweite in Frage kommende Grundstück, Silvferhus von Mutter und Tochter Silvferlod macht insbesondere auf Vilhem Persson Eindruck. Oder genauer, Frl. Silvferlod, eine dralle Peron mittleren Alters macht auf den Junggesellen Persson Eindruck!
    Später, im Haus des Gastgebers Akerblom, lernen unsere beiden Helden noch das Pastorenehepaar Hallander und den Exil-Ungarn und Arzt Michael Körmendi kennen, eine ungewöhnlich Erscheinung mit dunklem Vollbart, welcher als Einziger im ganzen Ort den Einsiedler Wallmann in dessen Haus aufsuchen darf, um diesen zu behandeln.
    Und schließlich treffen die beiden „Detektive“ noch Nisse Nord, einen Schriftsteller, der von einem Baum aus das Grundstück des Ex-Kommissars in Augenschein nehmen wollte.
    Es kommt, wie es in einem Kriminalroman kommen muß: quasi unter den Augen des (schlafenden) Staatsministers und vor weiteren Zeugen wird der Ex-Kommissar Wallmann ermordet. Wie es scheint, hat der Arzt Körmendi die Tat begangen, denn Zeugen sahen ihn in das ansonsten verschlossene Zimmer von Gustaf Wallmann gehen und wenig später hinaus kommen und davon radeln. Niemand anders hatte die Gelegenheit zur Tat. Als der Arzt wenig später wieder zurück kommt, wird er prompt verhaftet. Aber Dr. Körmendi bestreitet, die Tat begangen zu haben, ja überhaupt am Tatort gewesen zu sein!
    Hier setzt der Spürsinn des Staatsministers ein, der einen komplizierten Mordfall wittert, den er natürlich aufklären muß.
    Schon bald wird klar, dass der wahre Mörder mittels eines raffinierten Planes handelte und in Gestalt des Doktors die Tat ausübte. Der Staatsminister entdeckt, dass das Opfer einige ehrenwerte Mitbürger wegen zurückliegender Verfehlungen erpresste.


    In schönster Agatha-Christie-Manier entwickelt Bo Balderson wieder einmal sein Mord-Szenario vor dem Leser. Herrlich skurile und schrullige Typen werden so überzeichnet, dass sie zwar verdächtig, meist aber doch auch sympathisch daher kommen. Viele kleine Einfälle lockern die Handlung auf und sorgen für den witzigen und schnoddrigen Tonfall, der typisch für Balderson ist und dem Leser einen vergnüglichen Lesegenuß ermöglicht.
    Und wenn der Staatsminister, nach dem Mord an Vizepräsident Akerblom inzwischen selber zum Hauptverdächtigen avanciert, von seinen zahlreichen Kindern unter Anleitung von Vilhelm Persson aus dem Gefängnis befreit wird, gerät das Schmunzeln des Lesers zum Dauergrinsen. Es soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass der Staatsminister zu guter Letzt natürlich mittels zwei fehlender Buchstaben und Dank Vilhelm Perssons guter Beobachtungsgabe den wahren Täter überführt, was durchaus zur Überraschung gerät.


    Das Kabinettstück in diesem Buch ist für mich das Kapitel über eine Geiselnahme durch eine südamerikanischen „Revolutionär“, der von Vilhelm Persson über die schwedische „sozialistische“ Volksdemokratie informiert wird. „„Fernsehen?“ „Staatseigentum. Zwei Kanäle, damit das Volk Abwechslung hat. Wenn das eine ein Programm über Nordvietnam bringt, zeigt das andere einen Film von Kuba.“ „Ist das Eigentum sozialisiert?“ „Nein, wo kämen wir da hin, Eigentum muß gepflegt werden,. Und das ist verflixt schwierig. Nein, wir haben stattdessen das Einkommen sozialisiert. Der Staat behält einfach fünfzig bis achtzig Prozent der Löhne als Steuern ein... Und während der Inflation wird eingedampft, um elegant an das ersparte des kleinen Mannes zu kommen. Einem Rentner jedes Jahr zehn bis vierzehn Prozent seines Spargroschens abzuluchsen, und das, ohne dass sein Vertrauen in die führenden Politiker getrübt wird oder er überhaupt begreift, was eigentlich geschieht - das nenne ich eine Form der Sozialisierung, auf die wir mit Recht stolz sein können.“


    (Diese Rezension wurde bereits auch Amazon veröffentlicht)