Die Südamerika-Reise der Hedwig Pringsheim 1907/08
Rowohlt, 2006
Kurzbeschreibung:
Er hat Schulden gemacht, mit ungedeckten Wechseln bezahlt, am Ende sogar den Familienschmuck versetzt: dieser Sohn war nicht mehr tragbar. Erik Pringsheim, der älteste Spross von Alfred und Hedwig Pringsheim, wurde vom Vater 1905 nach Argentinien verbannt. Doch seine Mutter ließ das Schicksal des Lieblingssohnes nicht ruhen. Zwei Jahre später reiste sie zu ihm – und erlebte eine für sie neue, fremde Welt. Sie lernte Buenos Aires kennen, fuhr zusammen mit Erik über die Anden nach Chile und besuchte deutsche Auswanderer im Landesinneren von Argentinien. Inge und Walter Jens erzählen die spannende Geschichte dieser ungewöhnlichen Reise. Sie folgen akribisch den Spuren von Thomas Manns Schwiegermutter – und denen ihres Sohnes Erik, der schließlich im Jahre 1909 unter mysteriösen Umständen zu Tode kam. Hedwig Pringsheim hielt ihre Erlebnisse und Erfahrungen in einem Reisetagebuch fest, das im vorliegenden Buch erstmals vollständig veröffentlicht wird. Die Chronistin schildert in ihrem Diarium großartige Natureindrücke, unerhörte Strapazen und zahlreiche Begegnungen mit interessanten Menschen. Sie schreibt in einem unverwechselbaren, lebendigen Stil, der durch selbstbewussten Witz und scharfsinnige Urteile besticht.
Über die Autoren:
Inge Jens, geboren 1927 in Hamburg. Herausgeberin der Briefe und Tagebücher Thomas Manns. Gemeinsam mit Walter Jens schrieb sie die Biographien Frau Thomas Mann und Katias Mutter.
Walter Jens, geboren 1923 in Hamburg, Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher und essayistischer Bücher und Studien.
Inge und Walter Jens sind seit 1951 verheiratet. Als Grenzgänger zwischen Macht und Geist wurde ihnen 1988 der Theodor-Heuss-Preis mit der Begründung verliehen: Gemeinsam geben Inge und Walter Jens sowohl durch ihr schriftstellerisches Wirken wie durch ihr persönliches Engagement immer wieder ermutigende Beispiele für Zivilcourage und persönliche Verantwortungsbereitschaft.
Mein Eindruck:
Als Inge und Walter Jens vor einigen Jahren mit ihrem Erfolgsbuch “Frau Thomas Mann” auf Lesereise gingen, sprachen sie schon von diesem Hedwig Pringsheim-Buch über ihre Südamerikareise. Eigentlich erstaunlich, ein Buch über Thomas Manns Schwiegermutter und deren Sohn zu machen, der Thomas Mann-Gehalt ist vorhanden, aber gering.
Das Buch besteht aus zwei Teilen. Zum einen die eigentliche Geschichte, die von Walter und Inge Jens sachlich, aber mit viel Engagement und Anteilnahme recherchiert und geschildert werden.
Natürlich ist diese alte Geschichte relativ banal und taugt nicht als alleiniger Inhalt für ein Buch.
Dennoch wird das Buch schnell spannend, da es über eine interessante Persönlichkeit geht. Hedwig Pringsheim, eine assimilierte jüdische Deutsche in der Zeit Anfang des 20.Jahrhunderts, die sich selbstbewusst und durchsetzungsfähig auf die Reise von Deutschland über Portugal nach Argentinien machte. Hier besucht sie ihren Sohn, der im Gegensatz zu ihr eher labil und wenig lebenstüchtig ist. Durch seinen finanziellen Bankrott wurde er nach Argentinien verbannt”.
Als zweiter Teil des Buches wird hier das komplette Reisetagebuch Hedwig Pringsheim aus dem Jahr 1907/1908 abgedruckt. Die Hauptfigur kommt somit prägend selbst zu Worte. Sie hatte eine eigenwillige sicht und Art zu schreiben. Das schlägt sich in einer ungewöhnliche Orthographie nieder. Manche Worte wurden altmodisch geschrieben. Aber selbst Thomas Mann hatte in seinen Tagebüchern manche Eigenart. Den Lesefluß hat das nicht gestört. Weiterhin hat mich Hedwig Pringsheims Tonfall an dem ihrer Tochter Katia Mann aus deren ungeschriebenen Erinnerungen. Lakonie und Ironie gepaart mit Selbstbewusstsein.
Der Verlag Rowohlt hat die Hardcoverausgabe gut gestaltet: mit einigen alten Fotos und mit einer Speisekarte und einem Diner-Concert-Programm des Dampfschiffes von 1908.
“Auf der Suche nach dem verlorenen Sohn” ist kein sehr wichtiges Buch, doch immerhin ein Zeitdokument und aufgrund des Stils insbesondere für ein Sachbuch sehr lesbar und lesenswert.