Der Mord des Jahrhunderts - Paul Collins

  • Inhalt:
    Eine Stadt sucht einen Kopf
    Im Sommer 1897 hält der Fall einer kopflosen Leiche ganz New York in Atem. Die Polizei tappt zunächst im Dunkeln. So sind es Journalisten, die einer spur ins deutsche Immigrantenmillieu des brodelnden Manhatten folgen und mit ihren Schlagzeilen einen wahren Zeitungskrieg entfachen.
    Eine spannende Geschichtsstunde über einen der spektakulärsten Mordfälle, gewürzt mit kuriosen Details und interessanten Portraits der Zeitungsmogule Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst.


    Der Autor:
    Paul Collins ist Schriftsteller, Verleger und Privatdozent für Literatur an der Portland State Universtiy, Oregon. In seinen Büchern, die in zehn Sprachen übersetzt worden sind, greift er vornehmlich historische Figuren auf. Diese wahren Geschichten schildert er mit Feinsinn und Akribie. Als Lehrer für narratives Schreiben schafft er es, den Stoff packend und meisterhaft umzusetzen. Er schreibt für die New York Times, den New Scientist und tritt regelmäßig in der Weekendedition von National Public Radio als Literaturdetektiv auf.


    Meine Meinung:
    Diese von Collins erzählte wahre Begebenheit zum Anfang des letzten Jahrhunderts ist gelebte Geschichte. Man wird beim Lesen in eine Zeit hineinversetzt, Zitat:" Als noch Pferdekutschen das Stadtbild von New York prägten" Die Boulevardpresse und die kriminalistische Aufklärung steckten noch in den Kinderschuhen. Viele der Personen, die in der Geschichte vorkommen, sind Emigranten der ersten Generation und fast alle noch in Europa geboren.


    Als in einem ansonsten eher ereignislosen Sommer des Jahres Teile der Leiche eines Mannes gefunden werden, nehmen dies die beiden Zeitungsmacher Pulitzer und Hearst zum Anlaß, ihre Auflagen zu steigern. Was nun während der Ermittlungen folgt, mutet für heutige Verhältnisse an wie ein schlechter Scherz. Zunächst wird dieser Mord von der örtlichen Polizei nicht mal ernstgenommen, und dann werden die Ermittlungen von der Presse vorangetrieben. Hearst hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Mord medienwirksam aufzuklären und schickt seine Reporter als Ermittler los. Plötzlich sind sie überall, sie interviewen potentielle Hinterbliebene, die Leichenschauen geraten zu Pressekonferenzen und als später zwei Verdächtige gefunden sind, gehen Reporter im Gefängnis ein und aus um sie zu befragen.


    Als dann von beiden Zeitungen auch noch Belohnungen für Hinweise zur Aufklärung ausgesetzt werden, gerät der Fall vollends zur öffendlichen Angelegenheit. Die ganze Stadt sucht nach dem Kopf des Opfers, der nicht gefunden wurde. Hearsts Motto hierbei war: Warum nur über Nachrichten berichten, wenn man sie machen konnte?


    Später wird dann den beiden Verdächtigen Martin Thorn und Augusta Nack der Prozess gemacht, natürlich auch vor den Augen der versammelten Presse.


    Die Anfänge der kriminalistischen Untersuchungen waren wirklich interessant zu lesen, so wie etwa der Versuch, aus charakteristischen Gesichtsmerkmalen auf kriminelle Veranlagung zu schließen. Dagegen wurde die Abnahme von Fingerabdrücken nur als exotische Idee verspottet. Sie machte erst zehn Jahre später Schule.


    Fazit:
    Die Geschichte liest sich sehr gut, denn die umfangreiche Recherche, die der Autor hierfür betrieben hat, spiegelt sich in jedem Kapitel wieder. Es ist weniger ein Krimi als mehr eine Art Zeitzeugenbericht, der wirklich interessant aufbereitet ist!

  • Aus dem East River werden nach und nach Teile eines menschlichen Körpers, die in leuchtendrote Wachstücher verschnürt wurden, aus dem Fluss geborgen. Tote sind im New York des Jahres 1897 an der Tagesordnung und eigentlich keiner besonderen Erwähnung Wert und doch sind es genau diese schaurigen Funde die zur eigentlichen Geburtsstunde des Boulevardjournalismus werden. Die Fragmente der Leiche sind der kleine glimmende Funke der einen wahren Flächenbrand im Zeitungswesen entfacht. Besonders die Sensationsblätter von William Randolph Hearst und Joseph Pulitzer liefern sich einen erbitterten Wettstreit um die Gunst der Leserschaft und möglichst hohe Auflagen. Die Funde werden dramatisch überspitzt in Szene gesetzt und einem Kreuzzug gleich setzen die Zeitungen Belohnungen für Hinweise zur Identifizierung der Leiche und zur Festnahme des Täters aus und sie versuchend den Konkurrenten mit grossen und markanten Schlagzeilen zu überbieten und halten so gleichzeitig die Bevölkerung in Atem. Sie engagieren hunderte von Helfern die jeden Winkel in New York durchstöbern um etwas zu finden nur damit sie Wissensmässig eine Nasenspitze vor ihren ihren Widersachern sind und das sie Fakten, und seien diese noch so banal, ein Tagesausgabe vor ihrem Kontrahenten veröffentlichen können.


    Die gefunden Körperteile werden einem Puzzle ähnlich zusammengesetzt und schliesslich dem verschwundenen William Guldensuppe zugeordnet und bald werden zwei Tatverdächtige festgenommen. Eine Frau und ein Mann sollen Guldensuppe ermordet und zerstückelt haben. Aber waren sie es wirklich? Ist William Guldensuppe überhaupt das Opfer? Die Anklage und der Prozess werden zu einem riesigen Medienzirkus aufgebauscht und das Urteil lautet auf ....


    Die hier erzählte Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten und hat sich genauso zugetragen. Mit einem Augenzwinkern erzählt der Autor pointiert von der Geburtsstunde des Boulevardjournalismus und auch die Herkunft des Begriffs Yellowpress wird erklärt. Die vielen erzählenswerten Anekdoten in diesem Fall lassen den Leser immer wieder schmunzeln und sind zugleich sehr lehrreich. Es gibt keine Hauptprotagonisten im klassischen Sinne denen die Leser/-innen folgen können. Mal sind es die Zeitungsmogule, dann Journalisten oder die Polizei die im Blickpunkt stehen und von denen erzählt wird oder eben die beiden Angeklagten. Diese eher neutrale und häufig wechselnde Erzählperspektive ist ungewöhnlich und etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist nicht immer ganz einfach den Überblick zu behalten und dem gerade aktuellen Brennpunkt des Geschehens zu folgen. Leider fehlt ein Personenverzeichnis was bei der Vielzahl an Namen die erwähnt werden doch ganz hilfreich gewesen wäre.


    Der Roman lässt sich denn nicht in ein bestimmtes Genre einordnen. Es ist ein Mix aus Kriminalroman, Sachbuch und Historischem Roman. Obwohl es zwischendurch etwas anstrengend zu lesen ist und ein hohes Mass an Aufmerksamkeit erfordert lohnt es sich aber in jedem Fall am Ball zu bleiben. Wertung: 8 Eulenpunkte

  • Meine Meinung:
    Der Fall Guldensuppe, der zunächst nach einem Streich von Medizinstudenten ausgesehen hatte, wäre von der Polizei sicherlich anders behandelt worden, hätte sich die New Yorker Presse nicht darauf gestürzt. Ein derart gefundenes Fressen hatte es für Pulitzers „World“ und Hearsts „Journal“ vorher nie gegeben. Mord, Ehebruch, illegale Abtreibung, Glücksspiel, Identitätsschwindel – daraus lassen sich prima Schlagzeilen gewinnen.
    Ich fand es erschreckend zu verfolgen, wie unverblümt und skrupellos sich die Reporter im Kampf um Auflagenhöhen in die polizeilichen Ermittlungen einmischen, manipulieren, lügen und bestechen. Und man fragt sich als Leser unwillkürlich, ob und wieviel sich daran bis heute geändert hat.


    Paul Collins Roman eine Mischung aus Sachbuch, Dokumentation und historischem Krimi, bei dem der Leser durch die eingestreuten Zeitungsausschnitte und Zitate zum Zeitzeugen wird. Nicht immer ist diese Mischung gelungen, streckenweise gerät sie etwas zäh. Auch wenn man immer wieder interessante Details erfährt, zum Beispiel wie der Begriff „yellow press“ entstanden ist. Gelegentlich fällt es schwer, bei der großen Personenanzahl den Überblick zu behalten.
    Sehr gut gefallen hat mir allerdings, dass sich durch das Buch ein deutlicher ironischer Unterton zieht und Collins seinen Zynismus nicht immer verbergen kann.

  • Drei Jungen entdecken beim Sonnenbaden am alten Pier von Brooklyn ein Paket im Wasser. Schnell herausgeholt mussten sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass der Oberkörper einer männlichen Leiche – jedoch ohne Kopf – darin eingepackt war. Wenig später fand ein kleiner Junge an einer entlegenen Stelle ebenfalls einen Teil – diesmal den Unterkörper ab Taille bis ca. 10 cm unter der Hüfte. Die Teile passten zusammen. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die Boulevard-Presse. Ein Zeitungsverlag versuchte den anderen mit der Berichterstattung über den Fund und die Recherchen zu übertrumpfen. Zu nennen wäre hier Joseph Pulitzer und Randolph W. Hearst, sprich die World und das Journal. Aber auch andere Zeitungsverlag mischen noch mit, u. a. die Herald, die seriösere Times und, und, und. Über das rote Wachstuch, in das die Leichenteile eingewickelt waren, und über die feinen Hände des Ermordeten fand man heraus, und die Polizei war sich ziemlich sicher auch ohne den Kopf, dass es sich um William Guldensuppe handelte, der als Masseur gearbeitet hatte. Der Fall Guldensuppe hielt alle in Atem und es gab immer wieder neue Schlagzeilen. In Verdacht gerieten die Hebamme Augusta Nack, die mit Guldensuppe zusammengelebt hatte und Martin Thorn. Thorn war Augustas neuester Freund, und als Guldensuppe die beiden erwischte, hatte er Thorn verprügelt. Martin Thorn wurde schließlich des Mordes angeklagt – der Kopf der Leiche war immer noch nicht gefunden…
    Wer wissen will, ob es wirklich Thorn war, der Guldensuppe umbrachte, oder vielleicht doch Augusta Nack, oder evtl. jemand ganz anderes, der sollte dieses Buch lesen.
    Das Buch ist ein Sachbuch, und Sachbücher sind eigentlich nicht so mein Fall. Wenn ich das Ende so betrachte, dann bin ich mir nicht so ganz sicher, ob hier der tatsächliche Mörder verurteilt worden ist. Vielleicht waren es ja zwei. Manchmal konnte man meinen, es ginge gar nicht um den Mord des Jahrhunderts, sondern um die höchste Auflage, die höchsten Belohnungen, um den Krieg zwischen den Zeitungsverlagen eben. Nichtdestotrotz hat es mir, unter der Berücksichtigung, dass es eben ein Sachbuch ist, sehr gut gefallen, und bekommt deshalb auch acht Punkte von mir.