Eine Bewertung zu diesem Film fällt mit einerseits schwer - andererseits aber ziemlich leicht.
Jakob ist 15, besucht ein Gymnasium, liebt seine Videokamera, seine Gitarre, die Photographie, das Internet und Hannah. Seine Eltern sind gerade dabei, sich zu trennen. Er ist ganz normaler Jugendlicher, vielleicht etwas sensibel, aber dennoch gut integriert in die Klassengemeinschaft. Eines Tages, da er so ziemlich alles filmt, filmt er sich selber beim Onanieren. In der Schule verspricht er zwei Freunden, ihnen diese Kamera zu leihen. Und als diese Freunde bei ihm vorbei schauen und er nicht da ist, verleiht seine Mutter aus Gedankenlosigkeit mitten in den Trennungswirren kurzerhand diese Kamera samt Speicherkarte. Jakob ist schon verzweifelt genug, dass diese beiden das Video gesehen haben, aber einer der beiden verlangt 500 Euro, sonst landet das Video im Netz. Und Jakob kann das Geld nicht auftreiben. Fortan wird Jakob von allen ausgelacht, beschimpft, bedroht, sogar der Schule verwiesen, weil einige aufgebrachte Eltern unterstellen, er hätte dieses Video selbst verschickt an ihre Töchter. Am Ende sieht Jakob nur einen Ausweg.
Der Film ist leider voller Klischees. Die Mutter verlässt die Familie nicht wegen eines anderen Mannes oder weil Sie einfach mit ihrem Mann nicht mehr leben kann, nein, sie ist plötzlich lesbisch geworden. Der Vater, Polizist, begeht im Suff Fahrerflucht. Der Junge, der Jakob erpresst und das Video ins Netz stellt und per Handy verschickt, nimmt Drogen und lebt mit einer Mutter, die selber Drogen nimmt oder trinkt, und einem Vater, der ständig auf Geschäftsreise ist.
Ich gebe dem Film dennoch 9 von 10 Sternen. Denn all das ist zwar störend und hätte man besser weggelassen, aber die Hauptthematik ist dank Jonas Nay (Jakob) brillant und sehr nachfühlbar dargestellt. Was geschieht mit einem Jugendlichen, wenn derart intimes Material an alle Welt verbreitet wird? Er macht die Verzweiflung, Scham, Angst, Wut, Hilflosigkeit und Paranoia (lächelt der mich einfach nur an? oder hat er es auch gesehen und lacht mich aus? ) derart nachspürbar, dass man richtig mitleidet. Wie soll man weiterleben mit so einer Scham? Wie kann man verhindern, dass sich das an noch mehr Menschen verbreitet? Die traurige Antwort des Films: gar nicht.
Ich würde wünschen, dass viele, gerade junge Leute, diesen Film ansehen. Im Film ist zwar leider derjenige, der das Video verbreitet, ein ausgemachter Bösewicht. Aber ich denke, in der Realität machen sich Jugendliche oft gar nicht bewusst, dass sie ein Leben zerstören, wenn sie intime, peinliche Dinge über andere im Internet oder per Handy verbreiten. Und wenn das einmal losgeschickt ist, gibt es kaum Hoffnung, das zu unterbinden. Wie heißt es im Film: Mutter: "Wir fragen Christoph, der ist doch Rechtsanwalt!" und der Vater sagt: "ja, und was soll der machen??? Der kann doch nicht alle Handybesitzer verklagen!"