Romane, die ungewollte Kinderlosigkeit theamtisieren

  • John von Düffel ist nicht allein ein begnadeter Stilist und großartiger Beobachter, er ist vor allem auch ein richtiger Erzähler.« FocusDer Erfolg seiner Familienromane »Vom Wasser« und »Houwelandt« hat John von Düffel bekannt gemacht - sein neuer Roman erzählt davon, wie wenig selbstverständlich Familie geworden ist: Bis in die besten Jahre hinein scheint die Gründung einer Familie nur eine Option unter vielen. Ein Schauspieler stellt fest, dass das Dramatische aus seinem Leben verschwunden ist. Mit Anfang Vierzig muss er nicht mehr jedem Rock hinterherlaufen. Zusammen mit seiner Frau Lisa genießt er die ruhiger gewordene Zeit. Da taucht im Grundriss der neuen Wohnung das Wort »Kinderzimmer« auf. Die beiden gestehen sich ein, dass sie mit einem Kind noch glücklicher wären. Doch auf Kommando ist da nichts zu machen, ihr »Fruchtbarkeitswett bewerb« kennt keinen Sieger. Also lassen sie sich helfen - und das Dramatische kehrt in ihr Leben zurück.John von Düffel macht aus dem ebenso wichtigen wie aktuellen Thema der späten Familie einen höchst gewitzten Roman: »Beste Jahre« erzählt eine verwickelte Liebesgeschichte aus Deutschland - der Weg vom Paar zur Familie hält manche Überraschung bereit. John von Düffel wurde 1966 in Göttingen geboren, zurzeit ist er als Dramaturg am Hamburger Thalia Theater tätig. Für sein Erfolgsdebüt »Vom Wasser« (1998) wurde er u. a. mit dem Aspekte-Literaturpreis und dem Ernst-Willner-Preis/Klagenfurt ausgezeichnet. Darüber hinaus erschienen von ihm die Romane »Zeit des Verschwindens« (2000) und »Ego« (2001). Für seinen Roman »Houwelandt« (2004) wurde er mit dem Nicolaus-Born-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte er 2006 die Erzählung »Hotel Angst

  • Alles begann mit zwei Fahrrädern, deren Lenker sich ineinander verhakt hatten. Wenig später schon träumen Judith und Paul vom Glück zu dritt. Judith wird schwanger. Drei wunderbare Monate genießt sie ihre Schwangerschaft vor den Augen der Welt. Dann plötzliche Blutungen, Fehlgeburt, Ausschabung: Sie verliert Zwillinge. Es folgen Trauer und erneute Hoffnung, Fehlgeburten, Eileiterschwangerschaften, Operationen, schließlich wiederholte Versuche künstlicher Befruchtung. Alles ohne Erfolg. Die Sehnsucht nach einem Kind gebiert nur Tränen, Schmerz und Verzweiflung. Tabulos gewährt Judith Uyterlinde Einblick ins Intimste. Die Behandlung wird zur Dauerübung in Geduld und Leidensfähigkeit. Doch diese persönliche Geschichte vom beharrlichen Ausschöpfen aller Möglichkeiten, ein Kind zu bekommen, ist nicht nur tragisch. Die selbstironische Scharfzüngigkeit und der trockene Humor der Autorin erlauben ebenso befreiendes Schmunzeln über den geschilderten Ausnahmezustand der Möchtegern-Eltern. Eine Erfahrung, die Millionen Paare teilen.

  • Hier ist es in den meisten Fällen bewusste Kinderlosigkeit, trotzdem ein tolles Buch über unsere Einstellung zur Mutterschaft.


    Die Journalistin Viola Roggenkamp lud zwölf Frauen zwischen 31 und 53 Jahren zu einem üppigen Menü in ihre Küche, um mit ihnen über ihre gemeinsame Kinderlosigkeit zu sprechen. So verschieden die Frauen sind, allen ist gemeinsam, dass sie einen qualifizierten Beruf haben, an dem sie sehr hängen. Beschreibungen der Völlerei am Küchentisch wechseln mit denen engagierter Diskussionen und Einzelbeiträgen der Besucherinnen ab. Die Gründe für die bewusst gewählte Kinderlosigkeit aller Frauen in der Runde sind nicht überraschend: es gibt zu wenig nette Typen; Er will nicht und Sie leidet darunter; verschiedenste Zufälle oder ambivalente Gefühle zur Mutterschaft. Der Parität halber hat eine der Frauen ein ausführliches Gespräch mit einem Nachbarn geführt, der sich zu seiner Kinderlosigkeit und seiner sozialen Vaterschaft gegenüber Jugendlichen äußert, die er beruflich betreut. Sehr deutlich wird in Roggenkamps Bestandaufnahme, wie leicht Mütter und Nichtmütter sich gegenseitig abwerten und wie schnell das auch Großmütter und Nichtgroßmütter tun. Auch Feministinnen pflegen ihre kleinen Klischees: klar, dass eine Frau, die einen Kinderwagen schiebt, nicht zusätzlich auch noch kompetent in anderen Fragen sein kann. Eine Teilnehmerin gibt einen treffenden Rückblick auf die Geschichte der Frauen-Berufstätigkeit seit 1900 und auf spezielle Bosheiten des (inzwischen reformierten) deutschen Eherechts. Eine andere spricht über den Kinderwunsch von Frauenpaaren. Die sehr persönlichen und sehr offenen Stellungnahmen überzeugen durch Mütterlichkeit und Einfühlungsvermögen. Roggenkamps Schlemmerinnen sind sich einig: ein frauenfeindliches Land ist konsequent auch kinderfeindlich. Die derzeitige Situation von Frauen und Müttern in Deutschland und die zukünftige Bevölkerungsentwicklung werden in eingeschobenen Info-Kästen mit Zahlen und treffenden Zitaten belegt. Obwohl Roggenkamps Tafelrunde die Situation kinderloser Frauen thematisiert, ist ihr Buch (gerade deshalb oder trotzdem?) ein elegant formulierter Text über die Mutterschaft. Am Ende der Lektüre drängt sich die indianische Weisheit auf: Urteile erst dann über eine andere Person, nachdem du einen halben Mond in ihren Schuhen gegangen bist. (buchdoktor)

  • Wie füllt man sein Leben, wenn die geplante Erfüllung ausbleibt? Ines und Daniel sind Mitte dreißig und leben seit anderthalb Jahren in Hamburg. Nicht irgendwo in Hamburg, sondern in einer der begehrten Immobilien der HafenCity - mit Blick zwar nicht aufs Meer, wovon Ines geträumt hat, doch immerhin auf den Fluss, der bald in die Nordsee mündet. Daniel ist Städteplaner bei einer Unternehmensberatung, Ines führt ihre eigene Weinhandlung in Uhlenhorst. Die Enge ihrer Pfälzer Herkunft haben sie hinter sich gelassen; die Großstadt fühlt sich noch nicht nach Zuhause an, liegt aber als Verheißung vor der Tür. Ines und Daniel lieben sich. Sie wünschen sich ein Kind. Als ihr Wunsch nicht so schnell in Erfüllung geht wie erhofft, zeigen sich, zunächst fast unmerklich, feine Risse in der Beziehung - und das Paar gerät in einen Strudel, dem sich keiner der beiden mehr entziehen kann. In atemlosen Erzählrhythmus und mit analytischer Brillanz kratzt der Autor an der glatten Oberfläche einer Ehe. Stück für Stück, schonungslos und behutsam zugleich, legt er die Psychologie hinter dem rücksichtsvollen Umgang zwischen den Liebenden frei. Stefan Mosters Roman ist auch das scharfsinnige Porträt einer rasant wachsenden Metropole, in der Erfolg und Schiffbruch, Tradition und Überdruss nahe beieinanderliegen.