Rosamond Smith (d. i. Joyce Carol Oates): Schlangenhaut

  • Rosamond Smith: Schlangenhaut
    dtv 1998. 318 S.
    ISBN-13: 978-3423151085
    Originaltitel: Snake Eyes
    Übersetzerin: Maria Poelchau


    Inhalt
    Lee Roy Sears ist als Veteran des Vietnamkriegs versehrt und drogenabhängig in seine Heimat zurückkehrt. Aus der Armee wird Sears nach einer Prügelei unehrenhaft entlassen und 1983 wegen Mord zum Tode verurteilt. Sears hat die Tat begangen, doch das Urteil ist angesichts der schwachen Beweislage ungerecht. Sears' Pflichtverteidiger vermasselt den Fall, weil er das Zusammenwirken von Sears Posttraumatischer Belastungsstörung und Agent Orange vor Gericht nicht plausibel darlegen kann. Als Sears angeklagt wird, sind in den USA bereits kritische Zeitungsartikel erschienen über den Zusammenhang zwischen der auffälligen Gewaltneigung unter Vietnam-Veteranen, ihrer PTBS und der Wirkung des von den US-Streitkräften in Vietnam eingesetzten Entlaubungsmittels. Der Jurist Michael O'Meara erreicht als ehrenamtlicher Vertreter einer Bürgerrechtsinitiative wegen Verfahrensmängeln für Sears die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe. Sears wird überraschend nach wenigen Jahren aus der Haft entlassen, weil er sich im Gefängnis therapiewillig und gottesfürchtig gegeben hat. Michael ist inzwischen in der Rechtsabteilung eines Pharmakonzerns beruflich aufgestiegen, Vater eines Zwillingspaars und von der Freilassung seines damaligen Schützlings ziemlich überrumpelt.


    Früh heizt Rosamond Smith (d. i. Joyce Carol Oates) die Spannung kräftig an durch rätselhafte Andeutungen auf Michaels Herkunfts-Familie, die von einem düsteren Geheimnis umwabert sein könnte, und auf andere als ehrenhafte Motive, die Michael gehabt haben könnte, um sich damals so flammend für Sears einzusetzen. Sears bekommt einen von liberalen Schöngeistern finanzierten Job, um mit traumatisierten Vietnam-Veteranen kunsttherapeutisch zu arbeiten. Obwohl Michael beruflich mit mehreren Schadenersatzklagen in Millionenhöhe wegen unberechenbarer Nebenwirkungen von Psychopharmaka zu tun hat, realisiert er nicht, auf welch gefährliches Spiel er sich mit dem Kontakt zu Lee Roy eingelassen hat. Der entlassene Häftling, der regelmäßig Medikamente nehmen muss, wirkt mit seinen Problemen alleingelassen. Außer Michael kümmert sich nur ein gutmütiger Bewährungshelfer um Sears. Der Mann, der als Findelkind die übliche Odyssee zwischen Pflegestellen und Erziehungsheim durchlief, findet es an der Zeit sich endlich Respekt zu verschaffen - und zwar besonders bei Frauen. Michaels Frau Gina, gelangweilt, wohlhabend und nicht allzu gebildet, ist in dieser Konstellation nicht nur keine Hilfe, sondern heizt die gefährliche Situation in ihrer Blauäugigkeit weiter an. Nicht nur Lee Roys gewaltiges Schlangen-Tattoo auf dem Unterarm sorgt für gepflegten Schauer, sondern auch die schwierige Persönlichkeit Michaels. Vordergründig glücklich und erfolgreich, wirkt Michael in Privat- und Berufsleben als trage er sein Leben wie ein zu groß geratenes Kleidungsstück. Michael hat sowohl eine Ausbildung zum Pfarrer wie auch ein Medizinstudium abgebrochen. Er wird von unerklärlichen Selbstzweifeln und diffusen Schuldgefühlen angetrieben, Gutes zu tun.


    Fazit
    Wenn auch die Konstellation blauäugiger Gutmenschen, die dem realen Leben nicht gewachsen sind, stark an Lockender Engel erinnert, ist Rosamond Smith mit "Schlangenhaut" ein weiterer fesselnder Psycho-Thriller gelungen.


    9 von 10 Punkten