Unionsverlag
Taschenbuch: 137 Seiten
Kurzbeschreibung:
Der zärtlich und augenzwinkernd geschilderte Weg dieser marokkanischen Mutter führt aus einer vorindustriellen Welt mitten in die Turbulenzen dieses Jahrhunderts. Mit dreizehn Jahren hat man sie verheiratet, seither führt sie, trotz funkensprühender Lebenskraft, ein eingeschlossenes Dasein hinter den Mauern ihres Hauses. Ihr magisches Denken bemächtigt sich der neuen Dinge, die in ihren Lebenskreis eindringen: Im Radio sieht sie Zauberei am Werk, trägt Gefechte aus gegen Bügeleisen, Kochherd, Telefon und andere Segnungen der Zivilisation. Und dann der große Einschnitt: Nach zwanzig Jahren begibt sie sich zum erstenmal wieder auf die Straße. Zuerst zaghaft, dann immer selbstbewusster erobert sie sich die bis dahin unbekannte Welt, den Markt, die Natur, die Politik. Mit ihrer archaischen Wahrhaftigkeit stellt sie, die Lernende, ihre Umwelt auf die Probe. Ohne es zu wollen, wird sie eine Symbolgestalt, sammelt sich eine Bewegung marokkanischer Frauen um sie.
Über den Autor:
Driss Chraïbi wurde 1926 in El Jadida in Marokko geboren und ging nach dem Abitur 1945 nach Paris, um Chemie und Medizin zu studieren. 1952 wandte er sich jedoch von den Naturwissenschaften ab, um sich ganz der Literatur zu widmen. Er unternahm zahlreiche Reisen und arbeitete in den unterschiedlichsten Berufen: als Ingenieur, Journalist, Nachtwächter und Arabischlehrer. Für sein Werk erhielt er die Auszeichnung »Chevalier des Arts et Lettres«. Sein Roman »Die Zivilisation, Mutter!« gilt als eines der originellsten Werke in der nordafrikanischen Literatur. 2007 starb Driss Chraïbi an seinem Wohnort in Frankreich.
Mein Eindruck:
Das Portrait einer marokkanischen Frau in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, erzählt von ihren zwei Söhnen.
Die beiden sind sehr unterschiedlich und teilen sich als Erzähler das Buch.
Driss Chraibis Humor ist manchmal etwas derb, aber sehr von Sympathie durchzogen.
Im dem der Autor die Lebensweise der Frau so im Detail zeigt, wird auch deutlich, warum es wichtig ist, Beschränkungen und Grenzen aufzubrechen.
Sie wurde jung verheiratet, kennt nichts außer der Wohnung, kochen und Kindererziehen.
Das treibt die Söhne an, ihrer Mutter die Zivilisation nahe zubringen. Sie holen ein Radio und Telefon ins Haus, das ändert die Welt der Mutter. Sie fängt an aus den Schulbüchern ihrer Söhne zu lernen und später besucht sie sogar die Abendschule. Immer mehr Potenziale setzen sich bei ihr frei.
Neben der Mutter sind auch ihre Söhne gute Hauptfiguren. Der eine, der die erste Hälfte des Romans erzählt, ist intelligent und wird später ein Studium in Frankreich absolvieren.
Nagib hingegen ist groß und stark, so lustig wie gutmütig. Er hat keine Minderwertigkeitsgefühle und neidet seinen Bruder nichts, denn die „Penne“ ist seine Sache nicht. Dennoch ist er voller Lebensklugheit und ein Fels in der Familie. Als er die zweite Hälfte des Buches übernimmt, ändert sich der Ton, es wird spielerischer, ironischer und temporeicher.
Ich glaube, dass beide Söhne einen Teil von Driss Chraibis eigenem Charakter darstellen, da bei diesem Autor autobiographische Bezüge offensichtlich sind.
Das Buch ist witzig und positiv gehalten, jedoch mit sozialkritischen Untertönen. Es st ein Vergnügen dieses Buch zu lesen, dem man sprachlich nicht anmerkt, dass es schon 1972 geschrieben wurde.
Abschließend ist noch das kluge Nachwort zu erwähnen, indem auf kurzen Raum ein ausführlicher Blick auf Driss Chraibis Werk geworfen wird.