Verlag: Fischer
Kurzbeschreibung:
Thomas Mann über das geistige Klima in Deutschland während der Nazi-Herrschaft
„Die Primitivisierung. Die Nuance als das rote Tuch. Die fast jähe Niveau-Senkung, der Kulturschwund, die Verdummung und Reduzierung auf eine Kleinbürger-Massen-Mentalität, von den Intellektuellen nicht mit Schrecken, sondern mit perverser Bejahung als «Barbaren-Einfall von innen» begrüßt. Ihr törichtes Schwelgen im machtvoll-dunklen Volkhaften. Ohne Sinn dafür, dass das Moralische mit dem Intellektuellen zusammenhängt, dass sie zusammen steigen und fallen und die moralische Verwilderung die Folge der Vernunftverachtung ist. Vernunft hat etwas mit Sittlichkeit zu tun, sie ist die Sittlichkeit des Lebens.“ (Leiden an Deutschland, S. 9)
Über den Autor:
Thomas Mann, geboren am 6. Juni 1875 in Lübeck, entstammte einer Kaufmannsfamilie. Seit 1893 wohnte er in München und war seit 1894 freier Schriftsteller. 1929 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. 1933 verließ er Deutschland und lebte zuerst in der Schweiz am Zürichsee, dann in den Vereinigten Staaten, wo er 1939 eine Professur in Princeton annahm. Später hatte er seinen Wohnsitz in Kalifornien, danach wieder in der Schweiz. Er starb in Kilchberg bei Zürich am 12. August 1955.
Mein Eindruck:
Thomas Mann war ein nicht zu unterschätzender Essayist. Das gilt besonders für seine politischen Schriften.
In diesem Essayband, das aus einer 8bändigen Ausgabe der Essays Thomas Mann stammt, sind viele kleine Reden, die Thomas Mann an diversen Orten hielt und sich dabei schon früh, z.B. 1930 in „Die Bäume im Garten“ als Mahner und Warner gegen die Zustände in Deutschland erweist, die an Schärfe zunahmen.
Das hebt sich schon deutlich ab von den Tönen, die er noch 1914 in „Gedanken im Kriege“ anschlug.
Am meisten hat mich aber folgender langer und interessanter Essay gefesselt.
„Leiden an Deutschland. Tagebuchblätter aus den Jahren 1933 und 1934“
Das wurde 1946 bei der Los Angeles: Plantin Presse als Privatdruck der Pazifischen Presse von Ernst Gottlieb und Felix Guggenheim herausgegeben.
Es umfasst in meiner Ausgabe ca. 61 eng beschriebene Seiten.
Ich dachte immer, dass Thomas Manns Tagebücher erstmals 1975, also 20 Jahre nach seinem Tode geöffnet und publiziert wurden, dabei gab es hier in kleiner Auflage doch schon einmal einige Auszüge aus den Tagebuchblättern von 1933 und 1934.
Thomas Mann hat hier aber eine Auswahl getroffen und sie nachträglich bearbeitet.
Sie sind mit nachträglichen Einschüben und Reflexionen versehen, ohne die chronologische Anordnung zu beachten. Leider wird in den bibliographische Nachweisen nicht genannt wird, wann die Ergänzungen vorgenommen wurden.
Alles Private wird ausgespart. Es sind ausschließlich Reflexionen und Äußerungen zu Deutschland und den Geschehnisse dieser Zeit. Es sind also keine reinen Tagebucheinträge, sondern ein gestalteter, literarischer Text.
Das exakte Datum bei den Einträgen fehlt weitgehend, so ist z.B. ein langer Abschnitt nur mit März 1933 bezeichnet.
Dieser Text zeigt gut, was damals geschah und wie das einen Intellektuellen in der Emigration bewegte.
Schnell wird Thomas Mann deutlich: Weg mit Hitler, weg mit Göring, weg mit Goebbels.
Er beklagt auch, wie die breiten Schichten der deutschen Gesellschaft das Geschehen lässt.
Für die Mitläufer unter den Schriftstellern hat er harte Worte, vor allen Gerhard Hauptmann oder Fallada.
Ausführlich kommentiert er den Prozess um den Reichstagsbrand und weitere Ereignisse in diesen beiden Jahren.
Wer sich mit dieser Zeit beschäftigen möchte, kann in Thomas Manns detailreichen Essay einiges finden. Da er zeitnah zu den Geschehnissen entstanden ist, fehlt die Distanz, die spätere Biographen dieser Zeit nicht vermeiden können.