Finkenmoor - Myriane Angelowski

  • Kurzbeschreibung
    Zwei Kinder verschwinden an einem düsteren Novembertag spurlos. Das Verbrechen schockiert die ganze Region. Als der Täter endlich gefasst wird, sind die betroffenen Familien fassungslos über das milde Urteil. Nach Jahren voller Verzweiflung, Wut und Schuldzuweisungen nimmt allmählich ein neuer Gedanke von den Hinterbliebenen Besitz: Rache. Als der Täter das Gefängnis verlässt, hat er nicht die geringste Ahnung, was ihn erwartet. Aber auch die Angehörigen wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Denn die Jäger werden zu Gejagten, und ein erbitterter Kampf um Leben und Tod beginnt …


    Über die Autorin
    Myriane Alice Angelowski, geboren 1963 in Köln. Nach einem Jahr in Israel folgte ein Studium der Sozialarbeit und nach mehreren Jahren Arbeit als Referentin für Gewaltfragen 2001 die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Coach. Sie lebt und arbeitet in Köln.


    www.angelowski.de


    Meine Meinung
    Was hab ich erwartet, als ich die Kurzbeschreibung dieses Regionalkrimis las? Ich erwartete einen ruhigen Krimi mit Handlungsort Cuxhaven. Eine gute und spannende Geschichte, mit der man es sich an einem verregneten Sonntag Nachmittag für ein paar Stunden auf der Couch gemütlich machen kann. Wenn man mit solchen Sätzen eine Buchbesprechung beginnt, dann ahnt ihr vielleicht schon, liebe Leser, das ich am Ende etwas völlig anderes bekommen habe, als ich erwartete. Und so ist es auch. Bekommen habe ich einen Blick in die finstersten seelischen Abgründe einer Figur, die nach außen hin so unscheinbar wirkt wie der nette Nachbar von nebenan, deren Wesen aber absolut unfähig ist, soetwas zu empfinden wie Empathie. Ich habe einen Blick erhalten in die zerstörten Seelen von Angehörigen, denen das Liebste genommen wurde und die letztendlich an der Last des Weiterlebens scheitern. Ich habe einen Blick erhalten in die Seelen von Angehörigen, die zu keinem anderen Gedanken mehr fähig sind als dem der Rache an demjenigen, der ihren und ihren Familien Schlimmes angetan hat. Ich hab eine Blick in die Seelen der Opfer erhalten, deren Traumata so stark sind, dass sie nicht mehr ins Leben zurückfinden.


    Mit Finkenmoor hat Myriane Angelowski einen Krimi mit unglaublichem Tiefgang und ungewöhnlicher Sichtweise vorgelegt. Es gibt keine Ermittler, denn die Geschichte ist ausschließlich aus der Sicht der Beteiligten erzählt: den Tätern, der Opfer und deren Angehörigen. Es gibt im klassischen Sinn keinen Fall, der aufgeklärt werden muss, denn hier ist von Anfang an klar, was passiert. Man ist als Leser dann auch hautnah dabei, weil man dem Täter quasi über die Schulter schaut und das so intensiv, dass der Spannungsbogen trotz des Wissens, was als nächstes passiert, mühelos bis zum Ende aufrecht erhalten bleibt. Es geht in diesem Buch um das Warum: Warum wird jemand zum Täter, warum jemand zum Opfer. Kann man mit dem, was geschehen ist, fertig werden und was passiert, wenn der Täter nach einer vermeintlich zu milden Strafe frühzeitig wieder entlassen wird? Myriane Angelowski Geschichte lässt nur wenig Raum für Hoffnung und so gibt es auch nur für ganz wenige Figuren am Ende, wenn sich alle Fäden zusammenfinden und sich der Kreis schließt, einen Lichtblick für die Zukunft. Es ist eine düstere Geschichte, die mich auch lange nach dem Beenden des Buches noch festgehalten und zum Nachdenken gebracht hat und mich auch sicher noch weiter beschäftigen wird. Dies lag nicht nur an der absolut furchtbaren weil so realistischen Figur des Täters (der ganze Abgrund seiner Seele erschließt sich dem Leser spätestens anhand der Briefe, die der Täter seiner Familie aus dem Gefängnis schreibt), sondern auch an der Hilf- und Hoffnungslosigkeit der Familien, die mit Verlust und Trauer leben lernen müssen und deren Gedanken sich im zweiten Teil dieses Buches, der nach der Haftzeit spielt, nur noch um das Thema Selbstjustiz drehen. Die Autorin zeichnet ihre Figuren so plastisch und realitätsnah, dass man als Leser ständig zwischen Verstehen, Mitleid, Wut und Ekel hin- und hergerissen ist.


    Darf man das Thema Strafe in die eigenen Hände nehmen? Oder muss man lernen, zu vergeben? Wir wissen möchte, wie sich die Familien entscheiden, der sollte sich schnell dieses Buch zulegen. Dies empfehle ich aber generell auch gerne jedem Krimi-Fan, der Bücher abseits des klassischen Ermittler-Schemas lesen möchte. Für mich war dieses Buch eine echte Überraschung, eine große mentale Herausforderung und eines meiner Lesehighlights des Jahres 2012.

  • Dieses Buch wäre übrigens absolut etwas für eine Leserunde, nicht nur wegen der Thematik sondern auch wegen der diffizilen Figuren, die viel Diskussionsstoff bieten. Es gibt zwar nichts zum Mitraten, mich würden hier aber wirklich sehr die Sichtweisen anderer (Mit-)Leser interessieren.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Dieses Buch wäre übrigens absolut etwas für eine Leserunde, nicht nur wegen der Thematik sondern auch wegen der diffizilen Figuren, die viel Diskussionsstoff bieten. Es gibt zwar nichts zum Mitraten, mich würden hier aber wirklich sehr die Sichtweisen anderer (Mit-)Leser interessieren.


    Mich auch!! Bouquineur, du warst doch am letzten Wochenende auf der Lesung von der Autorin. Kannst du sie nicht vielleicht mal für uns fragen, ob sie eine Leserunde begleiten mag? :wave

  • Bei einer allfällig stattfinden Leserunde wär ich auf jeden Fall mit dabei. Wenn Bouqui von einem Buch begeistert ist genügt mir dies als Qualitätsnachweis.

  • Zitat

    Original von sapperlot
    Bei einer allfällig stattfinden Leserunde wär ich auf jeden Fall mit dabei. Wenn Bouqui von einem Buch begeistert ist genügt mir dies als Qualitätsnachweis.


    Geht mir nicht anders.

  • Ich bin ja sonst nicht so aktiv im Forum (leider wenig Zeit) und ich habe auch erst an einer Leserunde teilgenommen (hatte damals das Gefühl ist eher nichts für mich), aber hier würde ich auch gern mitlesen.


    LG katinka

  • Einen in positiven Sinne sehr ungewöhnlichen Kriminalroman ist Myriane Angelowski mit Finkenmoor gelungen. Sie vereint die Sichtweisen von Tätern, Opfern und Angehörigen und beleuchtet so zwei Verbrechen von wirklich allen Seiten.


    Der Roman setzt noch vor den eigentlichen Taten ein. Eindringlich werden Vorgeschichte und die Verbrechen geschildert. Der Leser lernt sowohl den Täter wie auch die Opfer und ihre Angehörigen sehr intensiv kennen. Es gibt keinen Ermittler, den braucht es auch nicht, denn man ist von Anfang an dabei. Warum tut ein Mensch so etwas Grausames einem anderen Menschen an? Wie stehen es Angehörige durch, dass ihnen das Liebste genommen wurde und der Täter in ihren Augen viel zu milde bestraft wird? Wie kann man so ein traumatisches Erlebnis verarbeiten, wenn in Deutschland sich mehr um die Täter als um die Opfer und ihre Angehörigen gekümmert wird? Kann Selbstjustiz wirklich helfen, die Trauer zu überwinden? Wie rechtfertigt sich ein Täter vor sich selbst?


    Der Krimi ist düster und an manchen Stellen auch brutal, aber gleichzeitig so spannend, dass ich ihn innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe. Die kurzen Abschnitte aus der Sicht eines Beteiligten werfen Schlaglichter auf ihre Gefühle, ihr Erleben. Dabei verwebt die Autorin diese Kapitel so geschickt, dass man erst am Schluß wirklich das ganze Ausmaß der Tragödien überblicken kann. Man leidet mit den Opfern und ihren Angehörigen mit und muss sich selbst auch so manches Mal die Frage stellen, wie man sich in einer solchen Situation verhalten würde. Die Emotionen sind sehr plastisch und praktisch mit den Händen greifbar. Mich hat der Roman erschüttert und lange nicht losgelassen. Auch heute, ein paar Tage nachdem ich das Buch beendet habe, denke ich noch über die einzelnen Figuren und ihr Schicksal nach.


    Ein Lesehighlight, das mich neugierig auf die früheren Romane der Autorin werden lässt.

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Finkenmoor ist wirklich kein klassischer Kriminalroman, aber ein sehr guter. :anbet
    Obwohl, es keinen unbekannten Mörder zu finden gibt, hat mich die Geschichte total gefesselt. Die Personen sind unheimlich intensiv beschrieben und an manchen Stellen konnte ich kaum weiterlesen, da ich sehr mit den Personen mitgefühlt habe.
    Das Thema an sich wird ja in letzter Zeit von sehr vielen Autoren aufgegriffen, dieser Roman unterscheidet sich aber sehr vom üblichen Einheitsbrei.


    Von mir gibt's volle Punktzahl.

  • Ich kann mich meinen VOrrednern nur anschließen, habe nichts mehr hinzuzufügen !!


    " Ein supergelungenes Buch, welches mich von der 1. bis zur letzten Seite mitgerissen hat " und mich auch sicher noch weiter beschäftigen wird.


    Auch von mir gibt es auf jeden Fall 10 von 10 Punkten !!!

  • Wie hier schon geschrieben wurde, ist es kein Krimi im eigentlichen Sinne, in welchem es ein Verbrechen gibt, dass dann durch langwierige Ermittlungen aufgeklärt wird.
    Nein, man weiß wer es war und man fühlt mit den Angehörigen und fragt sich wie krank so ein Täter sein muss. Es geht um Rache und Selbstjustiz.


    Im ersten Teil des Buches, wo die Taten beschrieben werden, hatte ich das Problem, dass ich mir die Zusammenhänge der einzelnen Erzählstränge nicht erklären konnte. Allerdings wird das im zweiten Teil, in dem es dann um die Gefühle der Angehörigen und auch der Täter geht, sehr gut zusammengefügt.


    Dies ist ein Kriminalroman, der mich sehr nachdenklich zurücklässt und auch mich noch eine ganze Weile beschäftigen wird.

  • „Dieser Krimi geht unter die Haut“, steht auf dem Buchrücken – und das kann man wohl sagen.


    Myriane Angelowski konfrontiert ihre Leser schonungslos mit den dunkelsten Seiten, die das Leben bereit halten kann. Ein Buch über Täter und Opfer - Täter, die selbst irgendwo auch Opfer ihrer eigenen Lebensumstände und Triebe sind - und Opfer, die zu Tätern werden. Unvorstellbares Leid verändert das Leben der Hinterbliebenen für immer, die einen richten die Vorwürfe und Rachegefühle gegen die Täter, andere gegen sich selbst.


    Sprachlich hervorragend und hoch emotional schreibt die Autorin über das problematische Thema Selbstjustiz und schreckt dabei nicht vor drastischen und grausamen Szenen zurück. Sie wertet die Handlungsweisen ihrer Personen nicht, bringt auch nicht jeden Handlungsstrang zu einem Ende, sondern überlässt den Leser seinen Gedanken und Eindrücken zu diesen aufwühlenden Geschehnissen.


    Ein Buch, welches sicher jeden Leser tief berührt und zum Nachdenken anregt, sehr spannend geschrieben.


    Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es auf den relativ wenigen Seiten extrem viel Drama an quasi allen Fronten gab, man (ich) kam überhaupt nicht zum Luft holen, und die ein oder andere Entwicklung, vor allem aber das Ende nach meinem Empfinden zu reißerisch war.


    8 Punkte

  • Ich lese gerne Regionalkrimis und bevorzuge dabei den Emons-Verlag. Bei diesem Buch habe ich den Klappentext gelesen und wurde neugierig. Erwartet hatte ich also eine spannende Lektüre während der man es sich auf der Couch so richtig bequem macht. Wem es ähnlich geht, der sei gewarnt. Dieses Buch ist vollkommen anders! Es handelt sich hier um keinen „normalen“ Krimi mit einem Ermittlungsteam und der Tätersuche. Die Täter sind von Anfang an bekannt.


    In verschiedenen Handlungssträngen werden die Schauplätze und Figuren sehr detailliert vorgestellt. Man lernt die Opfer, die Täter und das Umfeld vor der Tat und dann die eigentliche Tat kennen. Hier bleiben dem Leser auch grausame Details nicht erspart. Dann ein größerer Zeitsprung und eine völlig andere Situation. Es geht um den Umgang der Opferangehörigen mit dem Täter und die ihre damit verbundene Verarbeitung und Rache bzw. Selbstjustiz.


    Die Autorin lässt den Leser hautnah miterleben und mitfühlen wie es den einzelnen Personengruppen in ihrer Situation geht, hier vor allem mit den Angehörigen. Wie weit dürfen sie gehen, sollten sie mit der Tat leben und dem Täter verzeihen? Sind die Täter einsichtig oder wurden sie während der Haft therapiert?


    Dieses Buch ist von Anfang an spannend, emotional und aufwühlend. Die Atmosphäre durchgehend düster und bedrohlich. Der Schreibstil liest sich flüssig und packend. Es ist ein Buch, das mich nach Beendigung gedanklich noch länger beschäftigt hat.


    Von mir eine Leseempfehlung!

  • Dem Grunde nach kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. "Finkenmoor" kommt zunächst wie ein gewöhnlicher Regionalkrimi daher, entpuppt sich dann doch aber als dramaturgisch dichte Erzählung, bei der die Opfer eines Verbrechens im Mittelpunkt stehen. Es ist ein Buch, das nachwirkt und den Leser zum Nachdenken bringt. Die verschiedenen Handlungsstränge, die zunächst unzusammenhängend scheinen, werden im Laufe der Geschichte miteinander verwoben, so dass zum Schluss alles einen tragischen Sinn ergibt.


    Vom Klappentext her hatte ich erwartet, dass das Buch mit dem Verbrechen beginnt oder gar erst danach ansetzt, aber die Autorin lässt den Leser die Tat miterleben, was auch klar dazu beiträgt, dass man sich mit den Opfern und Angehörigen identifiziert und sich fragt, wie man selbst nach einer solchen Tat weiterleben würde oder könnte.


    Ich konnte dieses Buch nur schwer aus der Hand legen. Es hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen und mich aufgewühlt. Ich gebe daher 9 Punkte und eine absolute Leseempfehlung!

    With freedom, books, flowers and the moon, who could not be happy? - Oscar Wilde


    :lesend Rock My World - Christine Thomas

  • Ein Thriller der ohne einen Problembeladenen Kommissar auskommt. Wer das sucht wird hier fündig.


    Hier geht es um Rache und um Verständnis, hier wird die andere Seite mal beleuchtet. Ich fand es gut. Nur der Schluss war mir zu viel.


    Ein Regional Krimi der Besonderen Art.

  • Zwei verschwundene Kinder – Rachepläne der Angehörigen.. Der Klappentext von diesem Buch stimmt nicht ganz. Der erste Teil des Buches handelt von den Kindern, vor und nach der Entführung. Erst im zweiten Teil geht es um die eigentlichen Gefühle und Gedanken der Hinterbliebenen. Dass die Jäger zu Gejagten werden ist ein bisschen überspitzt und entspricht nicht ganz der Geschichte.


    Am Anfang brauchte ich ein wenig Geduld, da sehr viele unterschiedliche Personen auftauchen und auch die Zeitzuordnung fast bis zum Schluss nicht ganz eindeutig ist. Gut gefallen hat mir die Aufdeckung der Identität der Personen und wie sie in die Geschichte integriert werden.
    Teilweise, vor allem aber der Schluss des Buches war mir zu überspitzt, zu unglaubwürdig. Die Personen sind fast vollständig blass geblieben und die Handlungsweisen waren nicht immer nachvollziehbar. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen, dafür hätte ich mir an anderen Stellen mehr Tiefgang gewünscht.
    Im Großen und Ganzen hat mir das Buch allerdings gut gefallen: Es war auf jeden Fall sehr spannend und ich konnte es teilweise kaum noch aus der Hand legen.


    Fazit: Ein spannendes Buch über Rache und Selbstjustiz, leider für mich aber nicht ganz überzeugend. 7 von 10 Punkten.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Dem Tipp von Büchereule Bouquineur folgend bin ich auf das Buch von Myriane Angelowski aufmerksam geworden. Vom Cover her spricht es mich nicht sonderlich an und ohne Hinweis wäre es an mir ungelesen vorüber gegangen. Ich erlaube mir früh zu erwähnen das dies ein Buch über wahnhafte Zwangsvorstellungen und perverse Grausamkeiten ist das die Leserschaft nicht schont. Ich habe gleich zu Beginn ein paar Mal leer geschluckt und hatte gleichzeitig so etwas wie einen dicken Kloss im Hals. Verbrechen an wehrlosen Kindern und Tieren machen mich zugleich sprachlos und lassen einen Hass auf den Täter auflodern. Es ist kein Krimi wie wir ihn kennen und es geht nicht darum einen Täter zu ermitteln. Diese(r) ist den Lesern bekannt, es geht darum sich in die krude Gedankenwelt zu versetzen und sich in den Strudel menschlicher Abgründe ziehen zu lassen.


    Den Emons Verlag kenne als Herausgeber zahlreicher Regionalkrimis. Diese bestechen durch viel Lokalkolorit und durch ein klassisches Handlungsschema mit Täter und Ermittler. In diesem Buch geben Cuxhaven, die Dünenlandschaft sowie das an den Wernerwald angrenzende Finkenmoor die leicht schaurige Bühne für diesen "anderen Krimi" der andere Schwerpunkte setzt. Man muss sich in die moorigen Senke der menschlichen Psyche begeben und erlebt Täter, Opfer und Angehörige mit ihrem Denken, Fühlen und Handeln. Die verschiedenen Geschichten scheinen zu Beginn lose erzählt aber sie verbinden sich nach und nach und ergeben ein Ganzes das von der Autorin ziemlich klug eingefädelt wurde. Mit etwas Distanz zum Leseschluss hätte ich mir den Krimi gerne etwas ausführlicher gewünscht und einen kleinen Epilog am Schluss. Das Potential bei ein paar Figuren scheint mir nicht ganz ausgeschöpft zu sein und es hätte hie und da, besonders im zweiten Teil, etwas mehr Tiefe vertragen können.


    Menschen trauern unterschiedlich. Da gibt es kein genug und richtig und schon gar kein falsch. Es gibt kein Patentrezept wie mit den Emotionen umgegangen werden soll. Wo die einen sich ins ins Schneckenhaus ihrer einsamen Gedankenwelt zurückziehen steigern andere sich in ihre ohnmächtige Wut hinein. Das Verhängen von Strafen über den Täter muss man dem Staat und den Richtern überlassen aber was wenn das Urteil zu Milde erscheint? Angehörige von Gewaltopfern können längst nicht immer nachvollziehen warum ein Täter nach ein paar Jahren die Strafe verbüsst haben soll und das Verbrechen rechtlich somit gesühnt ist während ihr Leben immer noch von den schrecklichen Ereignissen geprägt ist. Da kommen Rachegedanken auf... aus Phantasien werden lose Hirngespinste die sich langsam zu konkreten Plänen entwickeln. Aber wo kommen wir hin, wenn jeder selbst über Leben und Tod entscheidet? Ansichten und Gefühle sind sooo subjektiv. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns auf die objektive Gerichtsbarkeit verlassen sonst herrscht Anarchie.


    Lesenswert weil die Autorin mutig einen kleinen aber düsteren Pfad abseits der breiten ausgetrampelten Wege der Kriminalromane beschreitet und so der Leserschaft eine interessante Abwechslung zu herkömmlichen Krimis bietet. 8 Eulenpunkte von mir.

  • Wer liest heutzutage schon die Bibel, oder glaubt an das was da steht? Rächet euch selber nicht, meine Liebsten, sondern gebet Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: "Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der HERR." So steht es im Brief an die Römer, im 12 Kapitel Vers 19. Aber heute, wo jeder nur noch an sich selber glaubt, wo der einzige HErr das eigene Ego ist, da pflegt man die Rache nicht anderen zu überlassen. Der Staat straft- nach Kriterien, die den Aspekt Rache nicht beinhalten. Für das Ego der Opfer, die wissen Opfer bin ich lebenslänglich ist jede Strafe unterhalb Lebenslänglich mit Sicherungsverwahrung zu milde. Myriane Angelovski beschreibt in ihrem Krimi der besonderen Art was sich entwickeln kann, wenn der Rachegedanke ausgelebt wird. Kein klassischer Whodunit, keine Ermittler und ihre Wehwehchen oder Liebesgeschichten, kein Gerichtsmediziner, sondern Angehörige von Entführten, mißbrauchen und ermordeten Kindern stehen im Mittelpunkt dieses Romans. Schon für diese ungewöhnliche Perspektive hat das Buch eine Leseempfehlung verdient. Es regt dabei zum Nachdenken an, ohne eine Meinung provozieren zu wollen. Obwohl man den, bzw. die Täter als Leser kennt ist das Buch durchaus wie ein klassischer Krimi mit Spannungselementen versehen und lässt sich gut lesen. Die Autorin beschreibt aber auch andere Formen der Opfertraumatisierung, neben der Rache, die Versuche die Trauer irgendwie zu überwinden, ein normales Leben zu führen und zu wissen, nichts wird wieder so sein wie früher.


    Fazit: ein Buch zum Lesen und darüber nachzudenken.