Schreibwettbewerb Januar/Februar 2013 - Thema: "Streifen"

  • Thema Januar 2013:


    "Streifen"


    Vom 01. bis 31. Januar 2013 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Januar 2013 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Februar eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Dori



    Die Säulen der im klassizistischen Stil erbauten Kunstgalerie in Austin, Texas, warfen lange Schatten zu Salomons Füßen, als er vor ihr stand und den Mond betrachtete, der hinter dem Gebäude hervorlugte.


    Salomon war das zweite von drei Kindern einer sehr bibeltreuen Familie. Sie wohnten in einer Mormonen-Siedlung und die Bevormundung durch die Kirche und seine Lehrer ärgerten ihn schon als Kind. Er lief oft weg, doch irgendein "netter" Nachbar brachte ihn immer wieder zurück.
    So sah sich der nun 18 jährige Salomon vor einer Woche gezwungen, sich den Weg von Zuhause freizuschießen. Die Leichen seiner Familie hatte bisher noch keiner entdeckt. Nun hatte Salomon vor, all das nachzuholen, was ihm bisher vorenthalten wurde, und das Leben richtig auszukosten.


    Gestern erst hatte die neue Ausstellung eröffnet. Das Kernstück bildete ein Werk des französischen Künstlers Claude Rayure, das den klangvollen Titel "9 Streifen" trug.
    Salomon interessierte sich nicht für moderne Kunst, aber dieses Bild würde ihm auf dem Schwarzmarkt sicher ein schönes Sümmchen einbringen.
    Mittels der vorbereiteten Kletterausrüstung begab er sich auf das Dach des Gebäudes, um sich dann durch eine Luke ins Innere abzuseilen. Sein akribischer Plan sah vor, dass er einen Virus in das Computersystem einschleusen würde (das die Alarmanlage deaktivieren sollte), dann den Wachmann durch einen gezielten Fausthieb zu Boden schicken und zuletzt das Bild stehlen würde.
    Gesagt, getan.
    Mit freudiger Erleichterung trug Salomon das in eine Stoffbahn eingewickelte Bild durch den Haupteingang des Gebäudes nach Draußen und re-aktivierte mit seinem Smartphone dann die Alarmanlage.


    Er ging gerade über einen Fußgängerüberweg, als er die Sirenen hörte. Mist! Ein paar Polizisten, die gerade in der Gegend unterwegs gewesen sein mussten, mussten ihn mit dem Bild gesehen haben.
    Er begann, zu rennen. Doch vergeblich, mit ihrem Wagen waren sie viel schneller als er.


    Salomon wurde wegen Diebstals, Totschlags (er erfuhr zu spät, dass er dem Wachmann wohl aus Versehen das Genick gebrochen hatte) und vierfachen Mordes (ups, sie waren ihm wohl auch hier auf die Schliche gekommen) zum Tode verurteilt.


    Als er nun am Tag seiner Hinrichtung in seiner Zelle saß, durfte er sein Lieblingslied hören ("Seven Nation Army") und sein Lieblingsgericht essen (Fischstäbchen und Pommes).


    Dann wurde er zu seiner Hinrichtung geführt: Es ging den langen grünen Flur entlang, dann in den Hinrichtungsraum.


    Bevor er starb, dachte Salomon bei sich, dass es das irgendwie wert gewesen war.


    Wenigstens war sein Leben nicht so eintönig verlaufen.

  • von Kirsten Slottke



    Völlig fertig kam ich endlich daheim an kam. Scheiß Nachtdienste. Mit zittriger Hand schloss ich die Haustür auf und hinter mir wieder zu. Herrliche Ruhe empfing mich. Jacke und Schuhe flogen in die Ecke. Ich wollte nur noch schlafen.
    Elke war mit den Kindern am Freitag, vorgestern, zu ihren Eltern gefahren, damit ich Ruhe hatte.
    Ich schleppte mich ins Bad. War das wirklich ich? Mein Spiegelbild sah so aus, wie ich mich fühlte. Mindestens zehn Jahre älter. Grau und schmal mit dunklen Ringe unter den Augen, die schon von ersten Fältchen umrahmt waren, obwohl ich erst Mitte dreißig war. Endlich plumpste ich ins Bett und meine tonnenschweren Lider fielen sofort zu.


    Mit der Waffe in der Hand stand ich am Hauseingang. Mein Kollege Walter stieß die Tür auf. Ein Schatten huschte über den Flur. „Polizei – stehen bleiben!“, rief ich. Doch der Schatten gehorchte nicht, sondern blieb im Verborgenen. Licht ging an. Walter hatte den Schalter gefunden und für einen kurzen Moment war ich geblendet.
    „Verdammt!“, keuchte er. Dann sah ich es auch. Über den gesamten Flurboden zog ein verschmierter rostroter Streifen. Meine Augen verfolgten ihn, bis er in einem Zimmer verschwand. Blut?, dachte ich, schluckte und zwang mich zur Ruhe, obgleich ich mein Herz bis zum Hals pochen spürte. Wir schlichen durch den Gang, der komischerweise immer länger wurde. Der Weg bis zu der Tür dauerte ewig. Was würde uns dort erwarten? Gelächter drang verzerrt an mein Ohr. Oder war es doch ein Schluchzen? Bildete ich mir das ein?
    „Wach auf“, flüsterte eine Stimme.
    Doch so einfach war das nicht. Meine Gedanken hielten mich fest. Ob ich wollte oder nicht. Walter gab mir ein Zeichen, dann stürmten wir gemeinsam in den Raum und erfassten mit einem Blick die Situation. Eine Frau lag blutüberströmt auf dem Boden. Sie bewegte sich nicht. Der Mann stand neben ihr und hielt sich eine Waffe an die Schläfe.
    BUM!


    Bumbumbumbum. Schweißgebadet wachte ich auf. Allein. Bumbumbum. Ich hörte mein Herz mit einer Frequenz von mindestens 120 pro Minute schlagen. Und den Radiowecker, der mich nach dem letzten Nachtdienst immer schon nach ein paar Stunden aufweckte. Zum Glück! Noch länger hätte ich diesen Alptraum nicht ertragen. Mein Gehirn hatte die Ereignisse der vergangenen Nacht verdammt echt verarbeitet.


    Eine Stunde später stand ich vor dem Haus meiner Schwiegereltern. Ich ging gleich in den Garten. Doch dort war niemand. Die Terrassentür stand offen und ich betrat das Haus. Dann stockte mir der Atem und mein Blut schien zu gefrieren. Déjà vu! Quer durchs Wohnzimmer führte ein roter Streifen bis zur Küchentür. Mit einer Wasserflasche bewaffnet stieß ich – auf alles gefasst – die Tür auf. Elke und meine Mutter starrten mich erschrocken an. Zwischen ihnen saß auf der Arbeitsplatte mein Jüngster. Von oben bis unten rot verschmiert.
    „Hallo Papa“, juchzte er und winkte freudig mit einer Ketchupflasche.
    „Er war schneller als wir“, meinte meine Frau zerknirscht.
    „Ach. Wenn's nur das ist“, erwiderte ich und drückte sie erleichtert an mich.

  • von Fay



    Saskia saß fingernagelknabbernd auf dem Sofa und starrte die Uhr an. Eigentlich war die Wartezeit schon längst um. Allerdings hielt sie die Angst, wie das Ergebnis ausgefallen war, noch immer vom Gang ins Badezimmer ab. Wie lange war sie überfällig? Die letzte Periode war doch pünktlich eingetreten. Okay, sie war viel schwächer als üblich ausgefallen. Grübeln half nichts, sie musste sich endlich Gewissheit verschaffen. Im schlimmsten Fall war der Test positiv. Heutzutage musste niemand mehr ein Kind gegen seinen Willen bekommen. Abrupt stand sie auf und ging zum Bad. Im Türrahmen verharrte sie noch einen Augenblick, dann griff sie zum Schwangerschaftstest und las das Ergebnis ab. Im Testfeld war eine rosa Linie aufgetaucht: „Scheiße!“


    Es kam nur dieses eine Mal vor ungefähr acht Wochen in Frage. Saskia hatte einen Typen in der Disco aufgerissen und war mit ihm in der Kiste gelandet. Beim Sex mit ihm war das Gummi geplatzt. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern. Wozu auch, sie würde diese kleine Kaulquappe eh wegmachen lassen. Abtreibungsgegner verstand sie nicht: Die machten so einen Aufstand wegen eines nicht lebensfähigen Haufen von Zellen. Als nächstes brauchte sie unbedingt einen Termin bei ihrer Frauenärztin, damit sie diese leidliche Sache hinter sich bringen konnte.


    Schon am folgenden Tag nahm Saskia im Sprechzimmer der Frauenarztpraxis Platz. Ihr Blick glitt über die schwangeren Frauen. Das war doch verrückt! Da saßen diese dickbäuchigen Austern und streichelten verzückt lächelnd ihre geschwollenen Leiber, als würden sich darin Perlen von unschätzbarem Wert befinden. Wartet ab, ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Diese windelvollpupenden Monster werden euch den letzten Nerv rauben und alles was ihr dafür bekommt sind: Schwangerschaftsstreifen und Hängetitten. Der Gedanke erheiterte sie, denn sie würde nicht dazu gehören. Sie wollte keine Kinder. Nie!


    Die Ärztin bat Saskia, auf den Untersuchungsstuhl Platz zu nehmen, damit sie einen klärenden Ultraschall durchführen könne. Das kalte Gel auf ihrer Haut war ekelig. Als der Sensor über ihren Bauch glitt, hoffte sie, dass es schnell vorüber wäre.


    „Herzlichen Glückwunsch, Sie werden Mutter“, erklärte die Ärztin und drehte den Bildschirm in Saskias Blickrichtung.


    Was sie zu sehen bekam, verschlug ihr den Atem. Das da, war kein lebloser Zellhaufen. Es sah auch überhaupt nicht wie eine Kaulquappe aus. Da schlug ein Herz, schnell wie der Flügelschlag eines Kolibris, in einem winzigen Körper, auf dem ein überdimensionaler Kopf ruhte. Sogar die Wirbelsäule war sichtbar. Sie hörte kaum, wie die Ärztin: „17 mm“ erklärte. Saskia kullerten bereits dicke Krokodiltränen über die Wangen. Der Schock, das dort sichtbar ein Teil von ihr heranwuchs und das damit verbundene Glücksgefühl, veränderte schlagartig alles. Die grenzenlose Fassungslosigkeit über diese Erkenntnis hielt ihren Blick unabwendbar auf den Monitor gerichtet. Als sie später das Foto in ihren Händen hielt, streichelte sie liebevoll über ihren Bauch. In ihr wuchs eine Perle von unschätzbarem Wert und sie würde sie wie ihren Augapfel hüten. Erst jetzt verstand sie die anderen Frauen.

  • von Inkslinger



    Lisa saß mit ihrer Mutter Eva bei Kaffee und Apfelstrudel zusammen. Die frischsten Neuigkeiten waren ausgetauscht und nun genossen sie ihr längst überfälliges Treffen. Seit mehr als einem Jahr hatten sie sich nicht mehr gesehen sondern nur per Telefon Kontakt gepflegt.
    „Es ist schön, mal wieder bei dir zu sein.“ sagte Eva fröhlich.
    Von ihrem aufgespießten Stück Strudel tropfte auf dem Weg zum Mund Schlagsahne auf ihre Bluse. Mit vollen Backen schimpfte sie über sich selbst und den Kuchen.
    Lisa reagierte sofort. Sie stellte ihre Kaffeetasse auf dem Tisch ab und stand auf.
    „Warte, ich hol dir was zum Saubermachen.“
    Schnurstracks eilte sie ins Bad, befeuchtete ein Handtuch und brachte es ihrer Mutter. Diese tupfte behutsam den Fleck ab. Mürrisch schaute sie zu ihrer Tochter, die vor ihr stand, auf.
    „Hast du nichts Besseres als dieses billige Baumwollimitat aus dem Discounter? Das ist das reinste Gift für meinen exquisiten Stoff.“
    Lisa schüttelte den Kopf und bevor sie etwas sagen konnte entfuhr Eva plötzlich ein herzzerreißendes „Oh mein Gott!“. Mit versteinertem Gesicht starrte sie aus dem Fenster.
    Erschrocken fuhr Lisa herum, doch außer den Dächern der Nachbarhäuser konnte sie nichts sehen.
    „Was hast du denn?“ harkte sie unsicher nach.
    „Da, am Fenster...“ Eva stand auf und ging darauf zu.
    Langsam streckte sie ihren Zeigefinger aus und strich über das Glas. Angeekelt verzog sie die Mundwinkel.
    „Bäh! Guck dir das an... Hässliche Schlieren! Mädchen, was ist bloß los mit dir?“
    Lisa schnappte nach Luft.
    „Wegen dem einen Steifen am Fenster machst du hier so einen Aufstand? Mutter, du übertreibst!“
    „Das will ich jetzt nicht gehört haben!“ empörte sich Eva.
    „Schon EIN weißer Streifen kann aus einer schwarzen Katze ein Stinktier machen! Ich dachte, ich hätte dich besser erzogen.“
    Energischen Schrittes rauschte sie an ihrer Tochter vorbei in die Küche. Dort riss sie alle Schubladen und Schranktüren auf, die sie zu fassen bekam.
    „Was machst du da, Mutter? Das ist ja wohl nicht dein Ernst!“
    Unbeirrt wühlte sich Eva weiter durch die fremden Stauräume, bis sie schließlich fündig wurde und mit einem euphorischen „Voilá!“ ein Fensterleder herumschwenkte.


    Fünf Stunden und eine mütterliche Sauberkeitslektion später saß Lisa auf dem Sofa. In ihrer rechten Hand hielt sie eine Tasse Espresso, in der linken eine Zigarette.
    Eva setzte sich neben sie, nahm ihr den Glimmstängel ab und legte ihn in den Aschenbecher auf dem Stubentisch.
    „Nicht den Boden vollaschen, Kind. Ist doch frisch shampooniert und ausgesaugt! Ich dachte, du hast mit Rauchen aufgehört?“
    Lisa nickte. „Vor ungefähr einem Jahr.“
    Ihre Mutter machte eine abschließende Handbewegung. „Naja, ich will mich nicht in deine Sachen einmischen, du bist ja schließlich schon 34. Ich mach mich jetzt auch auf den Weg.“


    Mutter und Tochter verabschiedeten sich ausgiebig, und als die Tür ins Schloss fiel atmete Lisa erleichtert auf. „Hoffentlich kommt die Katze ihr Stinktier erst in ein paar Monaten wieder besuchen...“

  • von Johanna



    So wunderbar hat er begonnen, sein Ruhm, der nun zerronnen
    Trickreich war er, klug und sehr charmant, daher oft unterschätzt, weil so galant
    Reif war er früh, ein kluger Kopf, hatt nie im Leben große Müh
    Eloquent und weltgewand, elegant und maßgeschneidert war er, als Meisterdieb, bekannt
    In aller Munde, sehr beliebt; es traf nur Reiche, war allgemein die Kunde
    Fatal für ihn wurd schließlich das Vertrauen, das er oft hegt für schöne Frauen
    Es kam so wie es kommen muß, verraten und verkauft durch seine Neider; mit der Karriere war ganz plötzlich Schluss
    Nun sitzt er hier auf seiner Pritsche, oh nein, wie bitter, sieht Sonnenstrahlen nur noch geteilt durchs Gitter

  • von arter



    "Mama, was sind das für Striche?


    "Lukas, sitz still! Der Wagen fällt um, wenn du so rumzappelst!"


    "Mama wozu sind die Striche da drauf?"


    "Ja? Hallo? Martin! - Lukas setz‘ dich gerade hin, sonst musst du laufen - Ich bin noch beim Einkaufen. Hier ist die Hölle los. Ich steh hier schon geschlagene zehn Minuten an der Kasse"


    "Will nicht laufen!"


    "Nein, ich weiß nicht, wann ich komme... Ja, ich hab einen - Lukas leg den Topf wieder in den Wagen - Du kannst schon mal den Kohl und die Rote Bete kleinschneiden"


    "Hören Sie mal, ihr Sohn tritt mich ständig mit seinen Dreckschuhen, das muss ja wohl nicht sein!"


    "Was? Moment. Also was heißt das jetzt du weißt nicht wie? Du bist doch schon zigmal dabei gewesen, wenn ich den Borschtsch vorbereitet habe"


    "Iiiiiih. Klebt!"


    "Können sie ihrem Sohn nicht sagen, dass er damit aufhören soll?"


    "Lukas halt‘ die Füße still – Martin, du weißt doch hoffentlich, dass in gut zwei Stunden die Gäste kommen? NUN STELL DICH NICHT SO AN!"


    "Mama, das Papier mit den Strichen is klebig"


    "Ja, ... ich dich auch, bis dann."


    "Ihr Rotzbengel hat mich schon wieder getreten."


    "So, jetzt ist aber genug. Raus mit dir. Du bist sowieso schon zu alt für den Kindersitz - Entschuldigen Sie..."


    "Bääääääääh, bäääääääh!"


    "Lukas bleib hier! Wo rennst du hin?


    ... Wären Sie so freundlich, meinen Wagen weiterzuschieben? Ich muss ihn wieder einfangen.


    "Klar!"


    "Der Bengel tanzt ihr auf der Nase rum. Das hätte wir uns mal trauen sollen, damals."


    "Na, sie ist ganz schön im Stress"


    "Eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet."


    "Offensichtlich wohl doch."


    "Was?"


    "Nichts für ungut."


    "Unverschämtheit!"


    ... "Nein, es gibt jetzt kein Ü-Ei - Vielen Dank fürs Weiterschieben"


    "Gerne doch."


    "Ü-EI!"


    ... "Martin? Hallo? Was ist denn?"


    "Ü-EI!!"


    ... "Den halben Finger abgeschnitten?"


    "ÜÜ-EIII!!!"


    ... "Kann man so ungeschickt sein?"


    "ÜÜÜÜÜ-EIIIII!!!!"


    ... "Muss auflegen bin jetzt dran, verblute mir nicht - Lukas jetzt reicht‘s!"


    "Tut mir leid, ich kann den Topf nicht scannen, der ist nicht ausgezeichnet!"


    "Neunundzwanzig fünfundneunzig stand dran."


    "Ja, aber ich muss ihn scannen."


    "ICH BRAUCHE DIESEN TOPF!"


    "Moment…


    ... Hallo? Ja Haushaltswaren. Habe hier einen Topf, nicht ausgezeichnet.
    ... Hm, recht groß, ungefähr fünfunddreißig hoch, fünfundzwanzig Durchmesser, Glasdeckel.
    ... Ja. Hm. Na gut. Danke.
    ... Tut mir leid, aber diesen Topf gibt es nicht."


    "Wie, den Topf gibt es nicht? Ist das eine Fata Morgana?"


    "Also solche Töpfe haben wir nicht im Sortiment!"


    "Ach, dann ... ja, jetzt da sie es sagen, sie haben recht ich muss ihn wohl von zu Hause mitgebracht haben ich Schusselchen"


    "Sie können den Topf nicht mitnehmen. Das ist Diebstahl!"


    "ICH BRAUCHE DIESEN TOPF!"


    "Tut mir leid, der bleibt hier. Das andere sind dann zweiunddreißig achtundsiebzig.“


    "AAAARRRRGGHHH! Lukas komm! SAFTLADEN!"


    "Hey, sie können nicht einfach verschwinden, das ist schon alles eingebongt!"


    "… sag ich doch, völlig überfordert, die Dame. Tss, tss"


    "Ach, übrigens, Sie haben da was auf ihrem Rücken kleben."


    "Was?"


    "Das ist …
    ... ein Barcode!"


    "Waaas?"


    "Junge Frau?...


    … Hallo????"

  • von Sinela



    Dunkle Tannen bedeckten die Hänge der Berge. Leise plätschernd suchte sich das Wasser des Baches seinen Weg durch die Wiesen des Tales, bevor es in den von Bibern gestauten See floss. An seinem Ufer äste eine Herde Hirsche, die von einem ihnen unbekannten lauten Geräusch aufgeschreckt in die Sicherheit des Waldes floh. Das Knallen der Peitsche trieb die beiden Pferde vor dem Planwagen nur leicht an. Sie waren müde, es war ein langer Weg gewesen. Mit langsamen Schritten bahnten sie sich ihren Weg durch das hohe Gras.
    „Brrr!“
    Mit einem Ruck kam der Wagen zum stehen. Der große Mann auf dem Bock schaute sich um.
    „Hier wollen wir bleiben, Eliza. Dieses Tal ist ideal zum siedeln. Die Berge halten den kalten Nordwind ab, im See gibt es bestimmt jede Menge Fische, im Wald viel Wild und der Boden ist fruchtbar, wir werden bestimmt nie Hunger leiden müssen.“
    „Ich weiß nicht, John. Ich würde lieber näher an einer Stadt wohnen.“
    John sah seine Frau an.
    „Wir können nur hier im Westen der Appalachen freies Land in Besitz nehmen. Weiter östlich ist schon alles vergeben. Wir können es uns nicht leisten, dort zu bleiben, das weißt du.“
    Eliza seufzte.
    „Du hast ja recht, es ist nur...“
    „Schluss jetzt. Lass uns nach einem Platz Ausschau halten, an dem wir unser Haus bauen wollen. Außerdem muss ich so schnell wie möglich die erste Saat ausbringen, damit wir im Winter Brot haben.“
    Mc Clintock trieb die Pferde wieder an. Mit einem lauten rumpeln setzte sich der Wagen wieder in Bewegung und hinterließ zwei Spuren im bis dahin jungfräulichen Gras.



    Das Pferd trug schwer an dem jungen Rehbock, den sein Besitzer geschossen und vor sich auf den Widerrist seines Reittieres gelegt hatte. John Mc Clintock war zufrieden. Der Weizen stand dicht und gelb auf den Feldern, es würde eine gute Ernte geben. Es war die richtige Entscheidung gewesen, alle Brücken hinter sich abzubrechen, das Risiko einzugehen und hierher ins Grenzland zu ziehen. Und im nächsten Frühjahr würden Eliza und er ein Kind haben, sie hatte es ihm gestern erst gesagt. Gedankenverloren verließ er den dichten Wald, doch plötzlich schreckte er auf. War da nicht Rauch in der Luft? Er blickte sich um. Dichter schwarzer Qualm stieg am See auf.
    „Oh mein Gott!“ stieß der Reiter hervor. John warf den Rehbock vom Pferd, zog sein Gewehr aus dem Futteral und galoppierte an. Das Blockhaus brannte lichterloh als er dort ankam.
    „Eliza? Wo bist du?“
    Da sah er sie liegen, eine große Blutlache breitete sich unter ihr aus.
    John sprang vom Pferd, kniete sich neben seiner Frau auf den Boden und nahm sie in den Arm.
    „Nein! Nein! Nein! Eliza, bitte nicht!“
    Er hörte ein Geräusch hinter sich und blickte sich um. Griff zum Gewehr, doch er war nicht schnell genug. Ein Indianer in voller Kriegsbemalung war das letzte, was John Mc Clintock sah, bevor ein Tomahawk seinen Schädel spaltete.

  • von Holle



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    STREIFEN
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    So, alle Familienmitglieder und die, welche sich dafür halten, sind abgefüttert. Vorübergehend herrscht Ruhe im Rudel. Mein ruheloses Gehirn untersucht die imaginäre Sparte „Anstehende Aufgaben“.
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    „STREIFEN“
    Oje! Nur noch drei Tage Abgabefrist für den aktuellen Beitrag des Schreibwettbewerbs. Aber die Muse küsst mich momentan nicht! Wahrscheinlich hat sie sich noch nicht von der Vorstellung erholt, gefälligst – bevor sie mich für den Wettbewerb inspiriert – fünfhundert buchrelevante Beiträge zum Nachweis meiner Qualifikation herbeizuzaubern. Mein kreatives Zentrum will sich sofort in den Urlaub begeben. Ohne Muse arbeitet es nicht. Ich setze beide mit einer Tüte Popcorn zum Zuschauen auf´s Sofa.

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    Ich werde den Wettbewerbsbeitrag rational-analytisch angehen. Dazu lehne ich mich in meinem Computerstuhl zurück. „Denkdenkdenk!“ Etwas zu trinken wäre nicht schlecht. Aufstehen, Sprudel holen, zurückkommen, hinsetzen, nochmal anfangen.
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    „STREIFEN, rational“
    Wenn ich die Buchstaben des Begriffs „STREIFEN“ untereinander aufliste, erhalte ich durch Einfärben, unter nur einmaliger Berücksichtigung des Buchstabens „E“, sieben potentielle Streifenanfänge. Dann beginne ich die Jagd nach Worten aus diesen Buchstaben und vervollständige die Streifen. Halali!

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    „Streifen streifen Streife …“
    Hab ich eigentlich noch Schlagsahne im Kühlschrank? Die muss unbedingt auf die Einkaufsliste, damit Herr Ehegefährte zu seinem Geburtstagskaffeetrinken auch die Zimtschnitten bekommt.

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    „Triefen tiefe Tier…“
    Frau, du bist wahnsinnig! Diese Jagd sollte nicht in deinem Gehirn stattfinden. Gibt es eigentlich keine Möglichkeit, die Wortableitungen durch den Computer suchen und darstellen zu lassen? Googlen ist angesagt. Aber Google versagt Hilfe. Bah!!! Wie formuliere ich mein Anliegen nur so, dass der Compi das macht, was ich will? “And if I am a number I'm infinity plus one”, singt Sia mir ins Ohr. Ok, das kann ich nachvollziehen.

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    „Rein Reis riefen…“
    Hmm, dieser Link hier interessiert mich. Mal reinlesen. Unglaublich, die schwarzen und weißen Streifen der Interferenzfigur, nicht erklärbar mit den Mitteln „normaler“ Physik.* Tja. Ich bin leider keine Physikerin… also lasse ich diese Streifen im Multiversum liegen. [SIZE=7]* http://www.urania-dresden.de/O…arbeiten/multiversen.html[/SIZE]

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    „Eisen Eis Este…“
    Gähn. Eisstreifen? SchokoErdbeerVanille? Fürst Pückler? Auwei!

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    „in Ire ist…“
    Wie wär´s mit Mode? Aber Streifenstoffe sind Geschmackssache und sollten sowieso von kurvigen Figuren gemieden werden. Es ist immerhin schon fast halb sechs Uhr abends. Ich komme meinem Ziel, streifenförmige Ordnung im Gewirr meiner Einfälle zu schaffen, nicht näher.

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    „Frei(e) fein(st)(e) Friese(n)…“
    Vielleicht sollte ich doch lieber Pause mit meinem bedürfnisorientierten eReader machen. Die Geschichte war gerade so schön lebendig.

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    „niese nie Nest…“
    Boah! Ich gebe auf. . Und wo ist meine Musik geblieben? Sia´s CD heißt „Some People Have Real Problems“. Wo die Frau recht hat, hat sie recht. Ich lasse sie nochmal starten. Muse und kreatives Zentrum: Sofapause beendet! Kreise und Spiralen, die mag ich!

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    S Streifen streifen Streife
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    T triefen Tiefe(n) Tee
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    R rein Reis riefen
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    E(2) Eisen Eis Este
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    I in Ire ist
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    F Frei(e) fein(st)(e) Friese(n) Fest(e) Feste Fee(n) feiern feierst feist
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    N niese nie Nest

  • von Groupie



    Gefesselt sitze ich in der Dunkelheit. Erkennen kann ich lediglich ein paar vermummte Männer. Die Pistolen sind auf uns gerichtet. Wo habe ich mich da nur wieder reinmanövriert. Als Nicolas mich heute Morgen nach einem Date gefragt hat, war noch alles super. Mehr als das. Den halben Tag habe ich mit Styling verbracht. Nervenzusammenbruch inklusive. Das hätte ich mir wirklich sparen können. Immer wieder schließe ich die Augen und wünsche mir, woanders zu sein. Selbst die Schule würde ich vorziehen. Eins steht fest: Das ist mit Abstand das schlimmste Date meines Lebens.


    Nicolas dreht seinen Kopf und schaut mich mit besorgtem Blick an. Er will wissen, ob alles in Ordnung ist. Davon sind wir zwar weit entfernt, aber trotzdem nicke ich. Er muss sich ja nicht auch noch Sorgen um mich machen. Wie gern würde ich jetzt einfach von ihm in den Arm genommen werden und das ganze Drumherum vergessen.


    Die Männer vor uns reden schnell und fuchteln immer wieder mit ihren Waffen in der Gegend rum. Zwei Mädchen liegen leblos am Boden. Ich kann dem Gespräch nicht folgen, weil mich das Blut zu sehr ablenkt. Ich taste nach meinem Wasser, doch das Rascheln der Eiswürfel erregt zu viel Aufmerksamkeit. Deshalb stelle ich den Becher wieder hin.


    Seit fast zwei Stunden sitzen wir jetzt schon hier fest. Ich bete, dass es endlich vorbeigeht. Dabei bin ich nicht mal gläubig. Hilft Beten dann überhaupt? Über welchen Scheiß man sich in den unpassendsten Momenten Gedanken macht.


    Brutal werde ich ins Hier und Jetzt zurückgeholt, als ein weiterer Schuss fällt. Das Blut spritzt und der Mann ist sofort tot. Lecker. Normalerweise wird mir schon schwindelig, wenn ich Blut nur rieche. Sehen geht eigentlich gar nicht. Glücklicherweise habe ich das heute im Griff. Ich versuche, mich mit Summen zu beruhigen. Vielleicht ein bisschen zu laut, denn alle sehen zu mir rüber. Ich bin sofort wieder still. Nicolas beobachtet mich immer noch besorgt. Selbst jetzt entgeht mir nicht, wie unglaublich gut er aussieht. Ganz falscher Zeitpunkt.


    Apropos Zeit … Ich habe jedes Gefühl dafür verloren und die Hoffnung auf ein baldiges Ende schon fast aufgegeben, als plötzlich die Türen auffliegen und die Polizei den Raum stürmt. Na, geht doch. Die Männer werden überwältigt und abgeführt. Alles ist ganz schnell vorbei. Ich kann es gar nicht fassen. Wir dürfen endlich wieder nach Hause. Nicolas bringt mich bis zur Haustür. Ich zittere immer noch leicht. Er sieht mich irgendwie merkwürdig an. Dann küsst er mich einfach. Das stabilisiert meine Knie jetzt nicht unbedingt. Bevor ich noch komplett zusammenbreche, verabschiede ich mich schnell und taumele sofort ins Haus. Im Wohnzimmer sitzt meine Familie und starrt mich an.


    „Alles in Ordnung?“, fragt meine Mutter. „Du bist ja leichenblass.“ Na, das nenne ich Ironie. Mit einem knappen „Alles gut!“ verziehe ich mich auf mein Zimmer. In meinem ganzen Leben werde ich mir nie wieder so einen Streifen anschauen. Da kann der Typ noch so heiß aussehen. Das ist definitiv kein Date der Welt wert. Der Kuss allerdings …

  • von xania



    Gewissenhaft und konzentriert arbeitete Jenny. Die Aufgabe war nicht leicht und bis zum Abend musste sie unbedingt fertig sein. Um sich selbst das Leben zu vereinfachen ließ sie hier und da ein paar Kleinigkeiten verschwinden, von denen sie wirklich sicher war, dass M. das Fehlen nicht bemerken würde. Denn sonst Gnade ihr Gott.


    Jenny arbeitete unermüdlich und nach einiger Zeit schaute sie sich völlig verschwitzt und erschöpft um. Alles war perfekt. M. würde zufrieden mit ihr sein und Jenny konnte sich anderen Aufträgen widmen.


    Einen kleinen Kontrollgang machte sie dann doch noch, um sich zu vergewissern, dass alles ganz genau so war, wie M. es wünschte. Entsetzt stellte sie fest, dass das Wichtigste fehlte! Jennys Herz begann zu rasen, ihre Hände wurden feucht. Wie hatte sie das Übersehen können? Das sollte nicht sein, das konnte nicht sein und das durfte schon auf gar keinen Fall so bleiben. So einen Fehler würde M. ihr nie verzeihen, M. war unerbittlich.


    In Panik durchsuchte sie noch einmal alles. Die eben so sorgfältig hergestellte Ordnung wurde gnadenlos zerstört, nichts konnte Jenny aufhalten. Doch das Wichtigste blieb verschwunden.


    Völlig verzweifelt gab Jenny die Suche auf, hetzte zu ihrem Auto und gab Vollgas. Verkehrsregeln waren unwichtig, das einzige was zählte war M. zufrieden zu stellen und das konnte ihr nur gelingen, wenn sie irgendwo ein vollkommen identisches Ersatzstück fand. Jenny wollte gar nicht wissen, wie M. auf dieses Verschwinden reagieren würde. So einen unverzeihlichen Patzer durfte man sich einfach nicht leisten, nicht bei M..


    Nach stundenlanger vergeblicher Suche wollte Jenny sich ihrem Schicksal schon ergeben und aufgeben, als sie in einer dunklen Ecke doch noch ihr Glück fand. Selbstverständlich verlangte der Händler ein Vermögen für diese Rarität, aber Geld spielt in so einem Moment keine Rolle. M. durfte nicht enttäuscht werden.


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    Nach ihrem langen Kindergartentag lief Mara sofort in ihr Zimmer, zum geliebten Stoffhasen Hasi. Julia kam ängstlich lächelnd hinterher.
    "Mara-Mausi, Mami hat dein Zimmerchen aufgeräumt. Und den Schmusi-Hasi hat Mami auch waschi-waschi gemacht, der riecht jetzt supi eiei!", flötete Jenny.


    Mara nahm den Stoffhasen und sah ihn mit ihren großen blauen Augen an.
    "Das ist nicht Hasi", urteilte sie und zeigte auf das gestreifte Oberteil des Hasen. Das Hasenhemd hatte verräterische Streifen statt den geforderten kleinen Punkten! Wie hatte Jenny das nur übersehen können? Mara nahm tief Luft und brüllte aus Leibeskräften los. Jenny hatte versagt.

  • von n8eulchen



    Herr Dr. Acula, auch in diesem Jahrhundert eine Koryphäe auf dem Gebiet der Bluttransfusion, hatte die Trommel seiner Pistole geöffnet und überlegte, ob er eine zweite Patrone hineinstecken sollte. Er war ein gebildetes sowie einsiedlerisches Wesen. Der Jungfrauen Blut raubte er nur zum Stillen seines Hungers und als Forschungsobjekt zur Befriedigung seines Wissensdurstes. Ein Vampir könnte meinen, dass es ihm durchaus wohl erginge.

    Dr. Acula jedoch fühlte sich nutzlos, gelangweilt und einsam. Der Todestag seiner einzig wahren Liebe hatte sich vor wenigen Tagen gejährt, wie viele Hundert Jahre es schon waren, versuchte er zu verdrängen. Und so war es dazu gekommen, dass es ihn immer, wenn der erste Streifen sanftes Tageslicht über den Horizont fiel, auf den höchsten der Türme seiner Burg zog, er die Pistole an seine Schläfe hielt und abdrückte. Würde die in der Trommel versteckte Kugel ihn treffen, stürbe er zwar nicht direkt, aber es gelänge ihm nicht, sich zurück in die Burg zu schleppen und das Sonnenlicht würde ihn langsam und gnadenlos verbrennen.

    Die letzten fünf Tagesanbrüche, seit er dieses perfide Spiel begonnen hatte, war Herr Dr. Acula stets wohlbehalten aber mit gemischten Gefühlen in seine Burg zurückgekehrt. Den Moment vor dem Abdrücken hatte er in einem rauschähnlichen Zustand zelebriert, doch als nur ein sachtes Klicken und keine Kugel in seinen Kopf drang, schwankte er zwischen Verzweiflung und Glück, eine weitere Nacht erleben zu müssen.

    Wieder stand er ganz oben auf dem verhassten Turm und wartete auf die leichte Morgenröte, die sogleich als schmaler Streifen, dann immer breiter werdend, am Horizont erscheinen würde. Dr. Acula atmete noch einmal tief durch, der Form halber, nicht weil er wie dieses menschliche Gewürm auf lächerlichen Sauerstoff angewiesen wäre, und spannte den Hahn.

    Seine Gedanken rasten. Was hatte er noch auf dieser Welt verloren, die er kaum noch erkannte? Was konnte er noch leisten? Schrieb man überhaupt noch das Jahr 1873, oder war es doch schon vergangen? Ist das nicht feige?, schoss es ihm plötzlich in den Kopf. Seine Erhabenheit, die er immer schon gerne demonstrierte, wäre dahin, wäre aber tausendfach vergrößert, wenn er kämpfen und weiterleben würde. Er wog ab, entschied, verwarf.

    Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen auf die Erde. Ein feiner Lichtstreifen blendete seine Augen wie tausend gleißende Sonnen. Er hob die Hand zum Kopf empor. An seiner kalten Schläfe spürte er nur den Druck des Eisens, nicht aber deren Kühle.

    Dracula drückte ab. Sein Handgelenk wurde vom Rückstoß heftig nach hinten gedrückt. Ein lauter Knall ließ die friedliche Stille erbeben. Der Schmetterling, das erste Geschöpf dieser Art, das er seit Jahrhunderten erblickt hatte, war verschwunden. Von der Kugel davongetragen, die seine Existenz hätte forttragen sollen.

    Dracula war zurück. Er würde den Menschen das Fürchten lehren. Die Morgensonne brannte angenehm auf seiner Haut. Eine Nacht noch schlafen, aber dann würde er sich abermals einen Namen machen. Dracula wollte zum Mythos werden, zum Exempel von Macht und Stärke und Grausamkeit, ganz sowie er es früher gewesen ist. Eine neue Ära sollte anbrechen. Er lachte auf. Seine Ära.