Arbeitsprozess

  • Da wir jetzt so quasi in den Nachwehen des letzten Schreibwettbewerbes liegen, lasse ich euch an meinem ersten spontanen Annäherungsversuch an Groupies Thema "Verrückt" teilhaben :chen und hoffe, dass ihr, die ihr euch traut das Machwerk zu lesen, ohne gekräuselte Zehennägel aus der Teilhabe an meinen Gedanken wieder auftaucht. Das "Ver-Rückt-Werden" dieser Arbeit besteht im Switchen zwischen kognitiv und intuitiv gesteuerten Anteilen während eines kreativen Arbeitsprozesses.


    Arbeitsprozess


    Gedanken schweifen über Aufgeräumtes
    Schichten stapeln sich auf Schichten
    Kategorien kunstvoll beschriftet
    Thesen widerlegt durch Antithesen


    Überschriften fett gedruckt
    Zitate kursiv gesetzt
    Nummeriert am Seitenrand
    Der Garagen für Gedanken
    Geradeaus eingeordnet geparkt


    Vorgärten des Verstandes
    Zieren unkrautfreie Trittsteine
    Schweigen vibriert
    Auf dem klaren See des Bewusstseins
    Täuschende Kontrollhoheit
    Blendend wie ein Spiegel


    Tief taucht Intuition
    Durchbricht die unversehrte Wasserwand
    Hält ihren Atem an so lange sie kann
    Gleitet in unerforschte Winkel geheimnisvoller Tiefen
    Des Königreichs nie endender Möglichkeiten


    Perspektiven ändern Formen wie Gestaltwandler
    Klänge steigen auf
    Tanzen im Brennpunkt flüchtiger Aufmerksamkeit
    Farben überschreiten Spektrumsgrenzen
    Eindrücke kleiden sich in uralte Kostüme


    Und das traumverrückte Ich sucht die Quelle der Schöpfung
    Will in das Chaos ihres Segens eintauchen
    Reiche Beute an lebendiges Bewusstsein heften
    Ungezähmtes Leben in das Land der Oberfläche bringen

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

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  • Es reizt diesen Text zu beurteilen; es juckt geradezu in den Fingern. Aber ich lasse besser - sonst bekomme ich hier gleich wieder Ärger.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ach, leg doch einfach los :-) ich hätte die Arbeit ja auch weiter im Archiv verrotten lassen können, wenn ich keinen Kommentar dulden würde, und wenn du noch mal so was Cooles schreibst, wie im letzten Wettbewerb, bekommst du trotzdem wieder drei Punkte. :keks

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

  • Vielleicht schreibe ich morgen was dazu - heute schaffe ich es nicht mehr. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Uuups, das hört sich nach richtiger Arbeit an... ich hatte jetzt eher mit nem Rundumschlag gerechnet :schlaeger Mach dir keinen Stress, Voltaire, sonst kann ich heute Nacht schlecht schlafen.

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

  • Mich hat dieses Gedicht (lassen wir diesen Text einfach mal unter dem Arbeitstitel „Gedicht“ laufen) aufrichtig begeistert. Geradezu euphorisch habe ich auf die Lektüre dieses Textes reagiert. Ist es doch ein perfektes Musterbeispiel für die Abteilung „Auf gar keinen Fall sollte man es so machen!“.


    Natürlich wird niemand der Autorin ihr ehrliches Bemühen absprechen hier etwas Sinnhaftes zu Papier zu bringen. Doch liebe Holle, Bemühen allein reicht nicht. Da muss schon ein wenig mehr, genaugenommen sogar viel mehr kommen. Das was hier angeboten wird ist einfach zu wenig. Es ist quasi ein Nichts.


    Dieses Gedicht ist eine weitere Orgie der Sinnlosigkeit. Da wird mit pseudo-philosophischen Satzfetzen versucht den Leser in die Irre zu führen – da wird dem Leser eine Sinnhaftigkeit vorgegaukelt, die einfach nicht vorhanden ist.


    Ich habe den Verdacht, dass dieses Gedicht im Verlaufe einer sehr feuchtfröhlichen Feier entstanden ist und dass alle Teilnehmer an der Feier eine Menge Spaß hatten – und wie man sieht, wurden dann auch offenbar alle Hemmungen fallengelassen. Und was wäre das Leben ohne ein bisschen Spaß?


    Und wenn ich dann diese Zeile lese:


    „Und das traumverrückte Ich sucht die Quelle der Schöpfung“


    dann machen sich meine Zehnägel bereit sich aufzudrehen. Okay, eine solche Zeile muss man sich erst einmal einfallen lassen. Und wer sagt denn, dass auch inhaltlich etwas geboten werden muss.


    Das Gedicht ist in jedem Falle ein Beweis für die Subsidiarität des Sinnhaften. Und es ist ein Beweis dafür, wie verdrechselt Sprache doch verwendet werden kann, wie küchenphilosophisches Gestammel sich doch unglaublich gelehrt und bedeutungsschwanger anhören kann. Denn das muss man der Autorin ohne Frage bescheinigen: Ihre Aneinanderreihung irgendwelcher Wörter ist schon bewundernswert.


    Dieses Gedicht ist leider nichts weiter als eine Aufzählung sinnloser Zeilen, die offenbar in keinem auch wie immer gearteten Verhältnis zueinander stehen…..


    ….kann natürlich aber auch sein, dass ich mal wieder nichts begriffen habe und dass dieses Gedicht von anderen in den Rang eines „genialen Werkes“ befördert wird.


    Für mich aber ist dieses Gedicht - um meinen Eindruck in zwei Worten zusammenzufassen - ein "bedeutungsschwangeres Nichts".


    In diesem Sinne bitte weiter so......oder auch nicht. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Au Mann Voltaire:
    da hast du dir aber richtig Mühe gegeben, das „bedeutungsschwangere Nichts“ genüsslich in seine nicht vorhandenen Nanopartikel zu zerlegen! Der Löwe hat das Lamm zerlegt und diesem bleibt nichts weiter übrig, als mit versagendem Atem ein letztes „Hurz!“ als Dankeschön zu blöken.

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

  • Zitat

    Original von Holle
    Au Mann Voltaire:
    da hast du dir aber richtig Mühe gegeben, das „bedeutungsschwangere Nichts“ genüsslich in seine nicht vorhandenen Nanopartikel zu zerlegen! Der Löwe hat das Lamm zerlegt und diesem bleibt nichts weiter übrig, als mit versagendem Atem ein letztes „Hurz!“ als Dankeschön zu blöken.


    :rofl Dieses Posting, liebe Holle, ist ein absolut gelungener Text! :anbet


    Was den "Arbeitsprozess" anbelangt: Damit hast du mich nicht erreicht. Ich glaube, das, was während des Arbeitsprozesses mit dir passiert, bedarf einer prosaischen Aufarbeitung. Die Gedichtform scheint mir ungenügend.


    Grundsätzlich bin ich sehr daran interessiert, zu erfahren, wie es anderen Schreibenden bei ihrer einsamen Arbeit am Schreibtisch ergeht. Darüber würde ich mich gerne mit dir austauschen. :wave

  • Ich fühle mich in meine Schulzeit versetzt. Deutsch-Grundkurs, Gedichtinterpretation. Schon damals saß ich oft da und Koreanisch hätte ich nicht weniger verstehen können. Sagen wir mal so, es überfordert mich. Aber das Thema war ja verrückt. Vielleicht muss ich es deshalb auch nicht verstehen ...

  • Zitat

    Original von Rosha


    :rofl Dieses Posting, liebe Holle, ist ein absolut gelungener Text! :anbet


    Ersetzen wir den Löwen durch den Wolf (man sollte schon quellentreu bleiben ;-) ) dann gibt es von mir dafür drei Punkte. ;-)


    Was den Arbeitsprozess anbetrifft, kann ich dich, liebe Holle, nur beglückwünschen, dass du dann doch die "Druckentlastung" abgeliefert hast. Diese Geschichte war wenigstens etwas, womit ich etwas anfangen konnte, wenn sie auch einige Fragezeichen offen gelassen hat, sicherlich eine der etwas besseren in einer insgesmt doch recht bescheidenen Wettbewerbsrunde.


    Ich stelle mir vor, wir hätten "Arbeitsprozess" und "Bonomalität" gleichzeitig dargeboten bekommen. Vielleicht wäre dann bei mir die Idee einer erneuten Kooperationsarbeit gekommen. Um es in der oben skizzierten Metapher fortzuführen: Das Lamm stellt sich mit "Arbeitsprozess" auf die grüne Wiese, blökt kurz "Hurz", um dann genussvoll durch den Wolf, die Persiflage "Bonomalität" zerlegt zu werden. Als Gesamtkonzept eine ziemlich interessante Idee.


    Aber offenbar sollte die Geschichte oder das Gedicht, dem Leser tatsächlich und ernsthaft die inneren Widersprüche des schöpferisch Tätigen in einer künstlerischen Form transportieren.


    Aber die Fragezeichen beginnen schon bei der Form. Was soll das sein ein Gedicht oder ein Prosatext? Als Gedicht fällt es durch, weil es keine Metrik hat, keine Sprachmelodie, keine Struktur. Metaphorisches und Konkretes wird wild aneinandergereiht, ohne erkennbares Schema. Als Prosatext fällt es erst recht durch, weil es mir nichts erzählt. Das einzige Konzept, das man erkennt, ist das Weglassen von Interpunktionszeichen.


    So bleibt mir nur, wenn ich mich wohlmeinend mit dem Text auseinandersetzen möchte, diese Gedankenfetzen herzunehmen, ihnen eine Interpretation zu geben und das ganze dann in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Bei mir scheitert es vielfach schon an ersterem. Das heißt, was mich eigentlich stört ist diese Diskontinuität. Zum einen stehen da ganz klare Aussagen wie


    Überschriften fett gedruckt
    Zitate kursiv gesetzt
    Nummeriert am Seitenrand


    und anschließend ereilt uns ein Hammer wie


    Der Garagen für Gedanken
    Geradeaus eingeordnet geparkt


    ich kann mit etwas gutem Willen den geradeaus eingeparkten Gedankengaragen eine Interpretation entnehmen, die unter dem Obertitel "Arbeitsprozess" steht und mit den vorangegangen Zeilen irgendwie einen Sinn ergibt. Aber sollte selbst Verklausuliertes nicht auch in einer nachvollziehbaren Grammatik verfasst sein? Ich verstehe den Dativ in der ersten Zeile nicht, wenn ich jetzt mal die Gedanken mit Autos gleichsetze möchte ich sofort umformulieren: "In Garagen für Gedanken, geradeaus eingeparkt..." Aber was und wie? Es fehlt eine sprachliche Brücke zwischen dem ersten Teil dieser "Strophe" und dem Rest.


    Ich habe das jetzt nur mal als Beispiel hergenommen, aber das zieht sich durch den gesamten Text. Die Bilder und Metaphern sind mir dann auch auch viel zu großspurig ("Des Königreichs nie endender Möglichkeiten") , physikalisch ("Farben überschreiten Spektrumsgrenzen"), schwammig ("Perspektiven ändern Formen wie Gestaltwandler"), esoterisch ("Und das traumverrückte Ich sucht die Quelle der Schöpfung") oder bonomalistisch ("das Chaos ihres Segens") um von mir geteilt zu werden.


    Aber trotzdem schönen Dank Holle, dass du uns Einblick in deinen Arbeitsprozess gegeben hast. Es war ja wohl auch nur ein Ideen-Entwurf. :wave


    Edit: Rechtschreibung

  • Dankeschön, ihr lieben Eulen, für eure Anteilnahme und euer Spiegeln!


    Groupie : Es gab mal ein Buch mit dem Titel "Dass (k)einer des anderen Sprache verstehe". Ich weiß nicht, worum es dabei ging, aber der Titel war für mich sehr einprägsam und taucht immer mal wieder in meinem Gedächtnis auf. Dir ist sicherlich nichts entgangen, wenn du diesen Text nicht nachvollziehen kannst. Für mich war er ein Schritt in Richtung deines Themas (ganz ohne Alk ;-) ), eine verbalisierte Bilderfolge, die sich beim Nachdenken ergab, nicht glattgebügelt, kaum an allgemein anerkannte Gedichts-Kriterien angepasst. Motivation zum Weiter-Arbeiten sozusagen.


    Dreamchen und rienchen: Eure Wolpertinger sind herzerwärmend.


    Rosha @Austausch: Kommunikation finde ich persönlich immer wichtig, ob Bedarf besteht unter "echten" Autoren hier auf dem Board kann ich nicht sagen.
    Deine "Drebbles" sind ein wirklicher Gewinn dieses Tages! Kindersprache ist sowieso immer wieder ein Anlass, nicht neu auf Worte einzulassen:
    Ein Fünfjähriger wurde von seiner Mutter morgens vor dem Kindergarten ins Badezimmer geschickt, er ging aber dran vorbei in sein Zimmer. Mutter: „Hm, wo willst du hin?“ Er drehte sich um und grinste: „Oh, ich habe mich verreist!“
    [SIZE=7]edit: Rechtschreibung[/SIZE]

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison

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  • arter: das, was du schreibst, ist richtig informativ. Ich hab jetzt nicht mehr viel Zeit, aber kurz noch zu diesem Satz:

    Zitat

    Ich stelle mir vor, wir hätten "Arbeitsprozess" und "Bonomalität" gleichzeitig dargeboten bekommen.

    Genau dies war u.a. ein Impuls für mein Posting. Du errätst meine Gedanken von ferne ;-) . Sogar Voltaire hat sich - evtl. unbewusst - ähnlich geäußert, zumindest, was den Konsum spiritueller Getränke angeht^^.


    Und natürlich hast du recht Wolf ... da ist mir das Löwenreferat meines Nachwuchses in die Quere gekommen.

    Wissen Sie, Intelligenz ist ein Rasiermesser: Man kann sie sinnvoll nutzen, sich damit aber ebenso gut auch die Gurgel durchschneiden. Im Grunde ihres Wesens ist sie ungesund. Lem


    The farther one travels, the less one knows. George Harrison