Schreibwettbewerb Mai/Juni 2013 - Thema: "Drunter und drüber"

  • Thema Mai 2013:


    "Drunter und drüber"


    Vom 01. bis 31. Mai 2013 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Mai 2013 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Juni eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Johanna



    Eines schönen Sommertags, es war fast Abend,
    saß Kuno dort mit Hildegard, am Nektarshake sich labend.


    „Ich bräuchte mal ein Abenteuer,
    magst mittkom´? Dann wärs mir mehr geheuer“


    „So geht’s mir auch, auch ich muß raus,
    aus diesem stet´gen Tag ein, Tag aus.
    Mein Freund, da hast Du wirklich Recht
    Auf mit uns, ins große Gefecht.“


    So hüpften sie vom Blatt, marschierten los
    Und wollten sehn obs stimmt, ist diese Welt auch wirklich groß?


    Am Waldrand angekommen, war´s plötzlich laut und furchtbar hell
    Es donnerte und zischte, so viele Riesenmonster, laut und grell.
    Ganz groß war dann ihr Schreck.
    „Oh nein, ich will hier weg“


    Schnell griff sie dann nach Kunos Hand,
    rannt´ nach links, ein Weg sich wand,
    Hier war es herrlich ruhig und still,
    Welch liebliches Gefühl.


    Bis plötzlich riss ein lautes Krächzen,
    sie aus dem Rhythmus, voll Entsetzen.
    Sie entkamen nur durch einen Riesensatz,
    mit knapper Not dem Spatz.


    „Ich mag nicht mehr, ich will nach Haus,
    ich geh nicht weiter, Schluss und aus.“
    Sie wendeten und kehrten um.
    Zwar kurz das Abenteuer – ach egal, dann sei es drum.



    Kurz vor der Heimat hörten sie, ein schnaufen, kriechen durch den Wald,
    Der Hildegard wurds eisig kalt.


    Och nö, das war jetzt aber gar nicht fair,
    Dem Wald entstieg …. ein Ameisenbär.
    „Keine Angst, mein Schatz, das ist keine Schlaue,
    das ist doch nur Elise, die blaue.“


    Sie rannten los im Zickzackschritt
    Elsie sah nur blöd und kam nicht mit.
    Aus der Puste und mit Schnaufen,
    Erreichten sie den Haufen.
    „Endlich sind wir wieder da,
    zu Haus ist´s einfach wunderbar“.


    So saßen sie dann frisch gestärkt und pappensatt,
    auf ihrer beidem Lieblingsblatt
    „Das war eine Abenteuer, was mein Schatz?“
    Stolz schwellte er die Brust und macht nen Satz.


    Ein wenig hektisch und zu munter,
    er taumelte und fiel herunter,
    auf eine absolut und so total verdrehte Weise.
    Das war´s dann wohl mit Kuno, der kleinen stolzen Ameise.

  • von arter



    „Du sollst nicht immer übertreiben, sondern bei der Realität bleiben“, das musste er sich regelmäßig von Elke anhören. Eine Traumtour durch die afrikanische Savanne hat er seiner Familie versprochen. Natürlich ist das Taktik gewesen, denn er hatte keine Lust auf den ebenso teuren wie anstrengenden Trip durch Europas Hauptstädte, der ihr vorschwebte. Nein, ein paar Tage relaxen auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide mit Ausflügen zu den Attraktionen der Gegend war das Maximum, was er dem überstrapazierten Familienbudget in diesem Sommer zumuten wollte. Der nagelneue Mondeo hatte schon genug gekostet.


    Durch die Aussicht auf den Heidepark hatte er die Kids in der Auseinandersetzung mit Elke auf seine Seite gebracht, aber die konterte mit Disneyland Paris. Mit dem Vogelpark Walsrode brauchte er gar nicht kommen. Und so redete er von Afrika mitten in Deutschland, von endloser Steppe und großen Tieren, von Zebras, Löwen und Elefanten in freier Wildbahn, die man in einer echten Safari-Tour beobachten konnte, viel besser als im Zoo. Elke hatte die leuchtenden Augen, der beiden Kleinen registriert und nichts mehr zu entgegenzusetzen gehabt. Warum musste er übertreiben? Es war doch klar, dass die Wahrheit ans Licht kommen würde.


    Der Urlaub ist ein Reinfall geworden. Dauerregen, quengelnde Kinder, eine gelangweilte Elke und von den Ausflügen war lediglich der Vogelpark halbwegs akzeptabel.


    Der Serengeti-Park entpuppt sich jetzt als die absolute Katastrophe. Endlose Schlangen, statt Savanne matschige Nicht-Landschaft, in der genervte Mitarbeiter genervte Urlauber auf genervte Wildtiere loslassen. Es ist nicht niedlich, wie die Giraffe aggressiv gegen die Scheibe klopft. Auch nicht, wie ein Nashorn Kollisionskurs auf das Auto nimmt, um im letzten Moment auszuweichen. Und schon gar nicht, wie der afrikanische Elefant auf der Suche nach etwas Essbarem durch die geöffnete Seitenscheibe Elkes Frisur auf Rüsselfestigkeit testet. Sie und die Kinder kreischen. Mit Mühe gelingt es ihm, das aufdringliche Dickhäuterorgan aus dem Innenbereich zu bugsieren.


    Das Tier ist beleidigt, trottet vor das Fahrzeug und platziert das Hinterteil mit mächtigem Gehänge stur vor der Frontscheibe. Als er noch sinniert, wie passend es ist, dass dieser Park bei einem Ort namens Hodenhagen liegt, setzt sich das Viech in Zirkuselefantenmanier auf die Motorhaube. Begleitet von einem böse knirschenden Geräusch.


    Am Abend in der Dorfkneipe gibt er sich die Dröhnung. Der Wagen fährt noch, aber die Vorderfront ist komplett demoliert. Neuwagen? Ex-Neuwagen! Bezahlt die Versicherung eigentlich Elefantenschäden? Prost, noch einen Whisky bitte!


    Am Morgen dreht sich ihm der Kopf. Er hat noch jede Menge Restalkohol intus, aber sie müssen nach Hause. Der Alltag ruft und er muss sich um den Schaden kümmern. Bei Hannover sieht er plötzlich hektische rote Bremslichter vor sich aufleuchten, er tritt mit aller Kraft auf die Bremse. Vor ihm kracht es. Das Auto kommt zum Stehen, kurz bevor es in die Blechlawine rast.


    Ein Polizist befragt ihn nach dem Unfallhergang. Ich werde künftig bei der Wahrheit bleiben, hat er Elke geschworen.


    Zwei Minuten später pustet er ins Röhrchen. Anschließend macht sie ihm eine Szene, wie blöd er sei. Kann er es ihr überhaupt jemals recht machen?


    Frauen!

  • von Groupie



    Als mein Wecker um 6 Uhr klingelte, war es noch stockdunkel. Mit halbgeöffneten Augen tastete ich mich durch den Flur und stolperte prompt über ein Barbie-Mobil. „Verdammt, Mia! Solltest du nicht aufräumen?“ Sie schlief noch ganz fest. Nach dem Duschen musste ich sie – wie jeden Morgen – mit Gewalt aus dem Bett zerren. Bis wir beide fertig waren, war es schon wieder viel zu spät. Frühstücken mussten wir also unterwegs. Am Kindergarten angekommen bemerkte ich, dass Mia noch ihre Pantoffeln trug. Heute lief also wieder mal alles nach Plan. Ich umarmte sie zum Abschied und während ich sie schon jetzt vermisste, hatte sie mich längst beim Spielen mit ihren Freunden vergessen.


    Ich fuhr schnell – vermutlich zu schnell - zur Arbeit. Mein Kollege wartete bereits in meinem Büro, denn ich war spät dran. Es gab einen neuen Auftrag. Wir mussten im Mordfall eines 7-jährigen Jungen ermitteln. Er war kaum älter gewesen als Mia, als ihn jemand getötet hatte. Doch über so etwas durfte ich während der Arbeit nicht nachdenken. Dann hätte ich den Job nach Mias Geburt nicht behalten dürfen.


    Um 16 Uhr hätte ich sie vom Kindergarten abholen sollen, aber da waren wir noch bei der Vernehmung. Ich konnte beim besten Willen nicht weg. Also bat ich zähneknirschend meine Mutter um Hilfe. Das passierte leider ab und zu, seit Markus uns verlassen hatte. Irgendwann waren wir ihm zu viel geworden.


    Als ich um 20 Uhr nach Hause kam, saß meine Mutter noch in der Küche. Sie hatte Essen gekocht und offensichtlich auch aufgeräumt, gespült und das Bügelbrett stand noch ausgeklappt da. Das schlechte Gewissen meldete sich sofort. „Luisa, du solltest dir dringend eine Hilfe nehmen. So geht es doch nicht weiter. Wenn du mal Besuch bekommst?!“ Darum bat ich meine Mutter so ungern um Hilfe. Die gab es nämlich immer nur zusammen mit gutgemeinten Ratschlägen und einem Du-bist-eine-Rabenmutter-Gesicht.


    Aber Mia und ich kamen meistens gut allein klar. Bei uns war es eben nur nicht immer so aufgeräumt und geregelt wie bei anderen Familien. Manchmal hatte ich keine Zeit, meine Hosen zu bügeln oder das Kinderzimmer aufzuräumen. Aber meiner Tochter hatte es noch niemals an irgendwas gefehlt. In jeder Woche hatte ich einen ganzen Nachmittag frei und da unternahmen nur wir zwei irgendwas Verrücktes. Mia liebte diese Tage. Und ich auch.


    Meine Mutter und ich stritten lautstark darüber, ob meine Tochter ein gutes Zuhause hatte. Sie warf mir alles Mögliche an den Kopf und mir kamen die Tränen. Da ging plötzlich die Tür auf. Mia stand völlig verschlafen da und rieb sich die Augen. Sie kam zu mir und kletterte auf meinen Schoß. „Oma, willst du nicht, dass Mami die bösen Männer fängt, damit sie mir nichts tun können?“ Sie umarmte mich ganz fest. Dann brachte ich sie zurück ins Bett und las ihr noch eine Geschichte vor. „Ich hab dich lieb, Mami“, hörte ich sie nuscheln, als ich die Tür schloss. Lächelnd ging ich zurück in die Küche – und stolperte zum zweiten Mal an diesem Tag über das Barbie-Mobil.

  • von Inkslinger



    Ich öffnete die Augen und atmete tief durch. Aufgeregt nestelte ich an meinem Blazer und strich nochmal den Rock glatt. Heute war ein wichtiger Tag, denn in den nächsten Minuten würde sich alles für mich entscheiden. Es war aufregend und erschreckend zugleich. Unruhig ging ich auf und ab.


    Ich zuckte leicht zusammen als plötzlich eine junge Frau auf den Gang trat und meinen Namen rief. Wie eine nervöse Erstklässlerin hob ich meine Hand und meldete mich anwesend. Die Dame zog bei meinem Anblick die Augenbrauen hoch und nickte widerwillig.
    „Sehr schön. Ich hoffe, Sie haben nicht zu lange warten müssen.“
    Ich schüttelte den Kopf, aber sie beachtete mich nicht weiter. Mit einer Handbewegung deutete sie mir an, ihr zu folgen. Zusammen gingen wir durch mehrere verwinkelte Flure, bis sie schließlich vor einem Eckbüro stehen blieb.
    „Die Herren sind gleich bei Ihnen. Nehmen Sie doch schon einmal Platz.“
    Sie öffnete die Tür und lotste mich zu einem Sofa, wo ich mich, den Anweisungen folgend, niederließ.


    Nach zwanzig Minuten ging die Tür erneut auf und zwei Männer traten ein. Beide waren groß und breitschultrig. Der eine hatte lange blonde Haare, die er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug. Sein Begleiter war brünett und hatte einen Bürstenhaarschnitt. Ich stand auf und ging mit ausgestreckter Hand auf die Herren zu.
    „Ilka Vogt, guten Tag.“
    Sie erwiderten die Geste und der Blonde sagte:
    „Guten Tag, Frau Vogt. Ich bin Fimbultyr und das hier ist mein geschätzter Konkurrent Beliar.“


    Zusammen gingen wir zu dem runden Konferenztisch und setzten uns. Beliar ergriff als Erster das Wort.
    „Frau Vogt, wie Sie sich denken können, haben wir nicht oft so eine Situation wie die Ihre. Fimbultyr und ich sind beide an Ihnen interessiert. Sie haben wahrlich viel geleistet in Ihrem Leben.“
    Er blätterte in den Unterlagen, die er anscheinend vorher für das Gespräch zurechtgelegt hatte.
    „Ich finde besonders Ihre vier Kinder bemerkenswert. Sind sie alle unehelich?“
    Ich nickte und er fuhr erfreut fort.
    „Dann die üblichen Lügen und Müßigkeiten...“
    Sein Tischnachbar unterbrach ihn.
    „Aber Sie haben auch viel Gutes geleistet. Ehrenamtliche Hilfe bei verschiedenen sozialen Einrichtungen sowie der Schule Ihrer Sprösslinge. Außerdem haben sie nie betrogen oder gestohlen.“
    Ich lächelte nervös und musste meine volle Konzentration aufwenden um nicht mit den Gedanken abzuschweifen. Was wurde jetzt von mir erwartet?


    Meine Unsicherheit schien aufzufallen, denn Beliar sagte:
    „Alles in allem steht's fünfzig/fünfzig. Sie haben die Wahl, bei wem von uns beiden Sie zukünftig tätig werden möchten.“
    Fimbultyr setzte gleich sein Angebot nach.
    „Bei uns gibt es eine herrliche Aussicht. Und darüber hinaus können Sie Ihre Erfahrungen im Sozialen einbringen und noch weiter ausbauen.“
    Beliar schnaubte.
    „Immer das Gleiche bei dir, Tyr. Nichts als Arbeit! Bei mir gibt’s unterhaltsame Gesellschaft. Es ist immer was los. Und Sie müssen nur tun, wozu Sie auch Lust haben. Na, wie entscheiden Sie sich?“
    Ich grübelte lange und wog ab. Der einzige klare Gedanke, der dabei raus kam, war:
    „Hoffentlich habe ich wenigstens einen Grund hinterlassen, vermisst zu werden.“

  • von Voltaire



    Es war alles bereit.
    Bereit für einen erbaulichen Hausmusikabend. Die ausgewählten und illustren Gäste schauten gespannt auf die vier Musiker des Chouette-Quartetts.
    Gertrud – Erste Violine
    Carl Heinrich (genannt Heiner) – Zweite Violine
    Ernst – Bratsche
    Guntram – Cello


    Es war eine erwartungsvolle, fast greifbare Stille die sich ausgebreitet hatte, eine Stille die man meinte hören zu können. Eine sinnbildlich fast ohrenbetäubende Stille.


    Auf dem Programm stand das Quartett Nr. 28 in Es-Dur von Joseph Haydn.


    Die Musiker hoben ihre Instrumente (mit Ausnahme von Guntram, dessen Cello natürlich zu schwer zum Heben war) und setzen ihre Bogen auf die Saiten.
    Schon nach dem ersten Ton des Allegro moderato machte sich Entsetzen unter den Zuhörern breit. Die Musiker schauten sich völlig ratlos an.


    Ein grausamer Misston hatte sich eingeschlichen.


    „Ich kann mir nicht erklären wie das passieren konnte“, meinte Ernst. „Aber mir muss wohl eine Note heruntergefallen sein. Tut mir leid Leute. Wirklich!“
    Ernst wirkte über alle Maßen zerknirscht.
    „Das ist bereits das zweite Mal das dir so etwas passiert.“ Carl Heinrich (genannt Heiner) war mehr als ungehalten.
    „Nicht lange reden! Suchen!“ Wie üblich war es die energische Gertrud die die Richtung vorgab.
    „Einen Moment bitte meine Damen und Herren. Es geht gleich weiter. Ein kleines Missgeschick. Eine Note ist heruntergefallen.“ Gertrud wandte sich lächelnd an den illustren Zuhörerkreis (ach ja – das der Zuhörerkreis illustrer war, das hatten wir ja schon beschrieben).
    Die vier Musiker gingen auf die Knie und begannen den Boden abzutasten. Eine solche Note war meist nicht größer als eine Kontaktlinse und so mussten sie beim Suchen größte Vorsicht walten lassen. Wie schnell konnte eine solche Note zerstört werden; mit verheerenden Folgen für das gesamte Musikstück.


    Vorsichtig wurde der Boden abgetastet. Nur Carl Heinrich (genannt Heiner) war abgelenkt und beteiligte sich kaum an der Suche. Denn direkt vor ihm breitete sich das stoffumspannte, voluminöse Gesäß Gertruds aus. Wo die sich einmal hinsetze, da wuchs kein Gras mehr. Carl Heinrich (genannt Heiner) schämte sich insgeheim seiner frauenfeindlichen Gedanken; nichtsdestotrotz genoss er jeden Augenblick dieses Anblicks. Seine Lenden jubilierten ein wenig.


    Und dann sah er die Note. Kaum sichtbar hatte sie es sich auf Gertruds rechter Gesäßhälfte bequem gemacht. Carl Heinrich (genannt Heiner) überlegte wie die Note da wohl hingekommen sein mochte. Egal, jetzt galt es wie ein Mann zu handeln.


    Vorsichtig näherte er sich mit seiner ausgestreckten Hand der Note, berührte dabei nicht so sanft wie er eigentlich wollte Gertruds rechte Gesäßhälfte und hatte die Note fast schon gepackt als es passierte…..


    Gertrud vermutete einen hinterhältigen Angriff auf ihre Sittsamkeit und der damit einhergehenden Jungfräulichkeit, drehte sich um versetze dem vermeintlichen Sittenstrolch eine schallende Ohrfeige, die diesen in die erste Sitzreihe des Publikums katapultierte. Stühle kippten um, Abendkleider und Smokings wurden geradezu zerfetzt. Hilfeschreie und im Chaos rudernden Gliedmaßen rundeten das Bild dieses Hausmusikabends der besonderen Art dann dante-infernalisch noch ab.


    Der Chronist notierte dann nur lapidar: Das Quartett Nr. 28 in Es-Dur von Joseph Haydn wurde an diesem Abend übrigens nicht mehr zur Aufführung gebracht. Den Anwesenden war nicht mehr danach.

  • von churchill



    Wer sie sieht, wird gleich erfassen:
    Mark und Hanna sind ein Paar.
    Dass sie zueinander passen,
    ist wohl jedem sonnenklar.


    Gleiche Hobbies, gleiches Essen,
    (davon ganz besonders viel),
    keine Kochshow wird vergessen,
    keine Soap, kein Fußballspiel.


    Keine Kinder, keine Sorgen,
    ach, den beiden geht es gut,
    fehlt mal Bier, geht sie es borgen,
    während er ein bisschen ruht.


    Ja, das ist die große Liebe.
    Und da sind wir beim Problem:
    Melden sich gewisse Triebe,
    gibt’s ne Störung im System.


    Spürt der Liebsten zarte Hand er,
    wird der Mark hysterisch fast,
    denn es passt nicht ineinander,
    was doch zueinander passt.


    Lang schon sah er nicht mehr jenen
    alten Freund dort unterm Bauch,
    es ist müßig, zu erwähnen:
    So ne Wampe hat sie auch.


    Wenn sie’s heute nun versuchen
    mit dem guten Missionar,
    rächt sich bitter mancher Kuchen,
    der so schrecklich lecker war.


    Denn der Mark trifft nicht die Stelle.
    Bäuche sind zwar rund und weich,
    aber störend auf die Schnelle:
    Und der Mark erschlafft sogleich.


    So probieren sie’s mit Reiten.
    Und das nimmt dem Mark die Luft.
    Schwabbelt Speck an allen Seiten,
    ist die Lust ganz rasch verpufft.


    Beugt sich Hanna vorne rüber,
    dass sich Mark von hinten naht,
    bleibt ihr, das ist ihr auch lieber,
    Markens Anblick ja erspart,


    Aber Mark ist ganz betroffen,
    und so wird er etwas barsch:
    Seine Augen sind ja offen.
    Was er sieht, ist alles Arsch.


    Zwar versucht er zu besteigen
    jenen Weg ins große Glück,
    ach wie gern würd sie’s ihm zeigen,
    aber ständig fehlt ein Stück.


    In den Pornos, die sie schauen,
    ist stets alles schlank und groß,
    stark die Schwänze, geil die Frauen,
    Mensch, wie machen die das bloß?


    Und so schimpfen Mark und Hanna
    auf die Pornoindustrie,
    kuscheln sich zart aneinanna,
    sind sich einig wie sonst nie:


    So was kann ja gar nicht klappen.
    Das ist alles nur gespielt.
    Komm, wir wollen weiterzappen.
    Prost. Das Bier ist gut gekühlt …

  • von Lese-Rina



    „Ökotussi“ schrie jemand aus den hinteren Reihen des überfüllten Saals, als sich Sylvia Randtke erhob, um ans Rednerpult zu treten. Pfiffe ertönten, aber auch beipflichtendes Gemurmel. Werner Morgenbroth, erster Bürgermeister der Kleinstadt, seufzte innerlich. Was sollte diese erneute Bürgerversammlung bringen? Die Argumente waren mehr als einmal ausgetauscht, diskutiert, überlegt und zerpflückt worden, ohne sich auf eine Variante einigen zu können. Jetzt lag es an ihm, eine Entscheidung herbeizuführen, doch Werner wusste, eine Verwirklichung eines Vorschlags, ohne die Gegenseite mit einzubeziehen, würde großen Ärger bei einem Teil der Einwohner hervorrufen. Vor einer Spaltung seiner Stadt hatte er die allergrößte Angst.


    Sylvia Randtke wartete mittlerweile geduldig ab, bis sich die Zuhörer wieder beruhigt hatten, zumindest einigermaßen. „Wir brauchen eine schnelle Verbindung über den Fluss – aber eine Brücke würde das ökologische Gleichgewicht in den Flussauen zerstören. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sind betroffen, unser Naherholungsgebiet wird ruiniert. Deshalb sind wir“ sie machte eine kurze Pause und holte tief Luft „für eine Tunnellösung! Wir kommen auf die andere Flussseite, aber der Verkehr ist weg von den Auen und dem Fluss!“ Werner Morgenbroth hörte bereits den Stadtkämmerer zu seiner Rechten zum Widerspruch ansetzen, doch da sprang schon Ulrich Wihland, Sylvia Randtkes erbittertster Gegner, auf. „Das sind doch unerfüllbare Utopien, das mag eine perfekte Lösung sein, doch wir können sie uns nicht leisten“ rief er aufgebracht in die Menge. „Wollen wir wirklich so kleinlich sein und unseren Kindern eine zerstörte Umwelt hinterlassen, nur um ein paar Euro zu sparen?“ „Ein paar Euro – du weißt genau, dass ein Tunnel Milliarden kostet!“ Das Wortgefecht ging hin und her, doch Werner Morgenbroth klinkte sich gedanklich aus. Er kannte die Aussagen der beiden „jungen Wilden“, wie sie von der Presse bereits bezeichnet wurden. Was konnte er tun, um seine Stadt aus diesem Dilemma zu holen?


    Morgenbroth dachte intensiv nach und bekam so nicht mit, wie die Situation langsam eskaliert. Erst als er von einem matschigen Gegenstand am Kopf getroffen wurde, kehrte der Bürgermeister gedanklich in die Gegenwart zurück. Das gibt’s doch nicht – erbost sprang Werner Morgenbroth auf! Da warf doch jemand tatsächlich Tomaten auf die Bühne. „So geht’s nicht weiter!“ polterte er los „entweder wir einigen uns auf eine Lösung, oder das Projekt wird gestrichen.“ Er schaute in entsetzte Gesichter – das wollte wohl niemand. „Ihr beide kommt morgen in mein Büro,“ raunte Morgenbroth den beiden Kontrahenten zu, bevor er von der Bühne stürmte.


    Zwei Jahre später dachte Werner Morgenbroth schmunzelnd an diesen turbulenten Abend zurück, als er inmitten vieler Ehrengäste am Ufer des Flusses stand. Niemand hätte damals an eine so schnelle und zufriedenstellende Lösung geglaubt. Mit Stolz blickte der Bürgermeister zu den beiden ehemaligen Streithähnen, die nun einträchtig nebeneinanderstanden. Natürlich war die Zusammenarbeit zunächst von kleineren und größeren Reibereien geprägt, doch letztlich waren gerade die beiden die Initiatoren des Kompromissvorschlages. So hatte er ihnen die Ehre der Eröffnung der ersten vollautomatische Fährverbindung gerne überlassen und sah sich das Spektakel lieber als Zuschauer an. Sein Tag war es ohnehin.

  • von Fay



    Draußen hatte es zu schneien begonnen. Ich hatte dieses Jahr keinen Tannenbaum gekauft. Lediglich ein mehr oder weniger vertrocknetes Gesteck mit einer flackernden Kerze stand auf dem Tisch. Die Kuscheldeckel eng um meine Schultern gezogen, saß ich vor dem Fernseher und sah einen dieser immer wiederkehrenden, kitschigen Weihnachtsfilme an. Das mir Tränen über die Wangen liefen, ignorierte ich erfolgreich. Im Verdrängen hatte ich neuerdings reichlich Übung. Ist doch gar nicht schwer, redete ich mir ein und goss reichlich Whiskey in das noch halbvolle Glas nach. Mittlerweile trank ich ihn pur, damit die Wirkung schneller einsetzte. Krampfhaft hielt ich mich senkrecht, damit ich nicht einschlief. Sollte ich die Kerze besser ausblasen? Ein kurzweiliger klarer Gedanke, der mit dem Nebel im meinem Kopf wieder verschwand.


    Irgendwie war mir damals schon klar, dass du mich verlässt. Schon als ich die ersten verdächtigen Streifen auf deinem Rücken entdecken konnte. Aber wenn man nichts sagt, dann ist auch nichts geschehen oder? Einfach die Augen verschließen, auch eine meiner leichteren Übungen. Ich war nicht bereit dich, gehen zu lassen. So viele gemeinsame Jahre. So viele schöne Erinnerungen.


    Und irgendwann kam dann doch der Tag X, an dem du mir deine Affäre gestanden hast. Wie ein reumütiger Schuljunge hast du mich angeschaut und am liebsten hätte ich dir über die zerzausten Haare gestrichen und dir die Hand auf den Mund gelegt. Nichts sagen bedeutet doch, es ist gar nichts geschehen, richtig? Du warst bis über beide Ohren in sie verliebt. Dein Blick war so entschlossen. Als du mir von ihr vorgeschwärmt hast, war ich gedanklich ganz weit weg. An einem fernen Ort, an dem mich deine Worte nicht erreichen konnten. Dein Koffer stand bereits gepackt im Flur.


    Wie lange war das her? Eine Woche? Ein Jahr oder bereits ein ganzes Leben? Ich sollte wirklich besser schlafen gehen, … so schrecklich müde.



    Auch zwei Tage nach dem verheerenden Brand glich der Schauplatz einem heillosen Durcheinander. Die Leichen des Ehepaars hatte man auf dem verkohlten Sofa sichergestellt. Eng aneinander gekuschelt waren sie im Schlaf vom Feuer überrascht worden.