Josef Haslinger - Jachymov

  • Kurzbeschreibung:


    Sie begegnen sich zufällig: der Verleger und die Tänzerin. Er sucht Heilung im alten Kurhotel von Jáchymov und stößt dabei auf das Grauen dieses Ortes. Die Tänzerin beginnt ihm eine Geschichte zu erzählen, die sie ihr Leben lang begleitet hat. Es ist die Tragödie ihres Vaters. Als Eishockeytorwart der tschechoslowakischen Nationalmannschaft seit den 1930er Jahren ein Star, glaubte er, seine Erfolge würden ihn vor der Willkürherrschaft des kommunistischen Regimes schützen. Dann wurde er verhaftet. Man deportierte ihn unter anderem in die Arbeitslager von Jáchymov, einem Uranbergwerk in einem Tal des Erzgebirges. Nach fünf Jahren wird er amnestiert und als Todkranker entlassen. Seiner Familie bleibt nichts, als ihm beim langsamen Sterben zuzusehen. Die Tochter wird zur Chronistin einer ungewissen Erinnerung, der sie nicht mehr entkommen kann.


    Meine Meinung:


    Der Kurzbeschreibung möchte ich gar nichts hinzufügen, sie gibt ein getreuliches Abbild des Inhalts. Vorneweg zu erwähnen ist sicherlich, daß – bei allen Freiheiten, die sich ein Autor bei einem Roman nun einmal nimmt – vieles auf wahren Begebenheiten beruht.


    Haslinger versteht es gekonnt, nach und nach die Geschichte von Bohumil Modry durch das Manuskript seiner Tochter vor dem Leser auszubreiten. In einer glasklaren, nüchternen Sprache verfolgt man den Aufstieg und den tiefen Fall des Eishockeystars, der unter die Räder des kommunistischen Regimes gerät und unter unmenschlichen Bedingungen Jahre in einem Arbeitslager zubringt. Als er schließlich amnestiert wird, ist seine Gesundheit so weit angeschlagen, daß sein Ende absehbar ist.


    Ein wenig Interesse am Eishockeysport sollte man vielleicht mitbringen, da doch immer wieder auf Ergebnisse bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen Bezug genommen wird. Schade fand ich nur, daß der Roman so kurz ausfällt (270 Seiten in der gebundenen Ausgabe), gerade die schreckliche Lagerzeit und die schwierige Wiedereingliederung nach der Entlassung wird in meinen Augen zu kurz thematisiert.


    Fazit: Josef Haslinger ist und bleibt einer der besten zeitgenössischen österreichischen Autoren, der mich auch mit „Jachymov“ einmal mehr von seinem Können und seiner Themenwahl überzeugen konnte.

  • Jachymov - Josef Haslinger


    Mein Eindruck:
    Diesen Roman habe ich auch gelesen und jetzt anlässlich mankells Rezension, dessen Einschätzungen ich teile, wieder aus dem Regal gezogen und passagenweise noch einmal gelesen.


    Ich war ziemlich beeindruckt, dass Josef Haslinger einen angemessenen Rahmen wählt, um diesem schrecklichen Ereignis auf die Spur zu kommen.
    Es ist ein Stoff, an dem ein unbedarfter Autor leicht scheitern könnte. Haslinger hat seinen Stil mit Bedacht ausgewählt, er kann zudem geschickt formulieren und formt aus biographischen Fakten eine erzählerisch faszinierende Form .


    Der Verleger Anselm Findeisen (ein Alter Ego des Autors) kommt mit Rückenproblem zur Erholung nach Jächymov in Tschechien und trifft dort aus Zufall die Tochter eines der Opfer aus dem ehemaligen kommunistischen Arbeitslager, einem Uranbergwerk, dass den langsamen Tod der Gefangenen bedeutete.
    Aufgrund dieser Begegnung, weiteren Aufzeichnungen und Reflektionen entsteht ein Bild der Vergangenheit, ohne die Gegenwart auszublenden.
    Diese verschachtelte Erzählweise kann verwirrend sein, wenn man nicht aufmerksam liest. Aber sie lohnt sich auch, denn Haslinger filtert den Stoff so und entzieht den Schilderungen jegliche Banalität. Er führt den Leser an die Figuren, nicht zu nah, aber auch nicht mit großer Distanz und erzeugt Anteilnahme. Natürlich bemerkt man dadurch auch etwas zu sehr die Intensität der Recherche, die Haslinger offensichtlich betrieben hat und die eine gewisse Gelehrtheit auszustrahlen vermag und das dokumentarische am Roman betont..


    Man darf gespannt sein, was von Josef Haslinger, der inzwischen sogar Präsident des PEN-Zentrums Deutschland geworden ist, als nächster Roman erscheint.