Josef Haslinger - Zugvögel

  • Kurzbeschreibung:


    Josef Haslinger, berühmt geworden durch seine Romane'Opernball'und'Das Vaterspiel', schickt in seinem neuen Buch einen Ich-Erzähler auf Reisen: nach Ostdeutschland, ins österreichische Waldviertel, nach Rovinj an der kroatischen Küste, nach Amerika. Die Ziele aber sind nur vordergründig Städte, Landschaften, Sehenswürdigkeiten, im Mittelpunkt stehen die Menschen, denen der Reisende begegnet. In den Gesprächen am Strand, an der Hotelbar oder im Flugzeug zeichnen sich erstaunliche Schicksale ab, und die Geschichte eines ganzen Lebens wird greifbar. In Wien begibt sich Haslingers Held auf die Suche nach einem Obdachlosen, in der Nähe von Leipzig will er dem letzten echten Rockmusiker einen Besuch abstatten. Ein Jahr lang fliegt er mit einem gefälschten Ausweis als Entdecker des wahren Amerika kreuz und quer durch die USA, oder er versucht einen Streit zu schlichten, der ein österreichisches Dorf spaltet. An einer Tankstelle nahe der Grenze zu New Jersey werden ihm Handschellen angelegt, ohne ersichtlichen Grund, von einem Polizisten mit Cowboyhut, Pistole und Funkgerät. Immer wieder wird in diesen brillant geschriebenen Erzählungen spürbar, wie das Leben eines jeden Einzelnen von der Vergangenheit geprägt ist, was die Geschichte aus den Menschen gemacht hat und was Menschen aus ihrer Geschichte machen.


    Meine Meinung:


    ACHTUNG! Diese Kurzgeschichtensammlung ist konsequent in Kleinschreibung abgedruckt – hätte ich das vor dem Kauf gewußt, wäre dieser nicht erfolgt.


    Da das Buch aber nun einmal schon gekauft war, habe ich es auch gelesen und wurde dank des Inhalts doch ein wenig versöhnt. Josef Haslinger kann ganz einfach schreiben, bislang ist mir nichts Schlechtes von ihm untergekommen, ganz im Gegenteil.


    In „Zugvögel“ finden sich 7 Erzählungen, allen gemein ist ein namenloser Ich-Erzähler. Stilistisch sind die Texte – wie nicht anders zu erwarten – mehr als grundsolide. Inhaltlich finden sich immer wieder überraschende Volten, genaue Blicke auf das Verhalten von Menschen und auf Zwischenmenschliches und ein großer Einfallsreichtum.


    „Zugvögel“ ist nicht Haslingers stärkstes Werk, er ist für mich in erster Linie ein Romancier, aber auch die kleine Form scheint ihm zu liegen. Besonders interessant fand ich den „rap“ in der abschließenden Erzählung „Amerika“, mit solch einem Stilmittel hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.


    Punkteabzug für die penetrante Kleinschreibung, aber ansonsten ein solides Leseerlebnis!

  • Danke für die Rezi!


    Zitat

    Original von mankell


    ACHTUNG! Diese Kurzgeschichtensammlung ist konsequent in Kleinschreibung abgedruckt – hätte ich das vor dem Kauf gewußt, wäre dieser nicht erfolgt.


    Die konsequente Kleinschreibung hat ihren Grund, nämlich war Haslinger mitsamt seiner Familie auf Phi Phi Island und zwar Weihnachten 2004. Bei dem Tsunami verletzte er sich schwer an der Hand; als diese wirklich (und nicht nur quasi provisorisch, was allerdings bei den Gegebenheiten kein Wunder war) operativ versorgt werden konnte, waren die Schäden schon zu gravierend. Soweit ich es verstanden habe, schreibt er seitdem seine Texte ohne Gebrauch der Hochstelltaste.

  • Bei "Phi Phi Island" wußte ich von der Kleinschreibung, ich glaube, im Rezi-Thread hier bei den Eulen wird das mit der Fingerverletzung erwähnt. Allerdings ist das 2011 erschienene "Jachymov" "normal" abgedruckt, ich hoffe also, dies wird auch bei folgenden Romanen so sein.
    Aber danke für deinen Erklärungsansatz, Lipperin! :wave