Thommie Bayer - Die kurzen und die langen Jahre

  • 1964 wünschte sich der 12-jährige Simon nichts mehr als den Tod des Vaters, doch an dessen Stelle starb die Mutter. 10 Jahre später wurde der Vater Opfer eines Doppelmordes. Das Motiv der Tat konnte zunächst nicht ermittelt werden, es kam erst nach Jahrzehnten durch einen Zufall ans Licht. Als Simon einige Zeit nach der Tat die Hütte im Wald, in der der Vater ermordet wurde, aufsuchte, lernte er die 8 Jahre ältere Sylvie, Witwe des zweiten Opfers, kennen. Sylvie wird Simons Traumfrau, die Frau seines Lebens, die alles Überstrahlende. Ein Paar werden beide jedoch nicht. Sie sind Seelenverwandte. Lange Zeit schreiben sie sich Briefe, verlieren sich aber irgendwann aus den Augen, jeder lebt sein eigenes Leben. Als Simon nach Jahren des Schweigens wieder Post von Sylvie erhält, schließt sich ein Kreis.


    Thommie Bayer hat einen neuen Roman geschrieben. Wer bereits andere von ihm kennt, wird nicht verwundert sein, er schreibt wieder über die Liebe, ein, wie er selbst sagt, weltbewegendes Thema. Er schildert sie in vielen Facetten. Brillant erzählt Thommie Bayer vom ungestümen Begehren und der alles in den Schatten stellenden Liebe seines Protagonisten zu Sylvie, die ihn wie einen kleinen Bruder liebt, innig, voller Vertrauen – aber platonisch. So bleibt Simons große Liebe unerfüllt, andere Partnerinnen müssen diese Lücke schließen - mehr schlecht als recht. Neben der Liebe schlängelt sich wie ein alles verbindender roter Faden die Musik durch die Handlung und Simons Leben, Melodien, die man kennt und sofort im Ohr hat.


    Die Geschichte wird von Simon rückblickend aus der Gegenwart in der Ich-Form erzählt. Dabei spielt der Briefwechsel mit Sylvie eine bedeutende Rolle. Durch Sylvies Briefe werden sowohl der weibliche Aspekt als auch eine Art Außensicht auf Simon dargestellt. Im immer sporadischer werdenden Blick auf einzelne Jahre nimmt man am Leben der Hauptfiguren teil, lernt sie kennen, versteht ihr Handeln mal mehr oder mal weniger und bekommt ein Gespür für die Zeit, als Telefone noch Wahlscheiben hatten und das Schreiben von Briefen Normalität war und kann die Entwicklung der Personen und ihrem Umfeld bis in die Gegenwart verfolgen.


    Wer bei diesem Roman eine herkömmliche seichte Liebesgeschichte erhofft, wird wohl enttäuscht werden. Auch einen Krimi hat der Leser trotz des Mordfalles nicht zu erwarten. „Die kurzen und die langen Jahre“ ist ein sehr gefühlvoller Roman über eine unerwiderte Liebe und das sich selbst Fremdsein in „Ersatzpartnerschaften“. Der Schreibstil Thommie Bayers ist beeindruckend, gefällig und sehr angenehm zu lesen. Mit 202 Seiten verteilt auf 50 Jahre Handlung ist dieser Roman eher kurz, hält aber einiges Potential zum Nachdenken und sich selbst Erkennen bereit. Ich empfehle ihn sehr gern weiter.


    Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm »Die gefährliche Frau«, »Singvogel«, der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück« und zuletzt »Vier Arten, die Liebe zu vergessen«. (Quelle: Piper Verlag)

  • Auf Thommie Bayer als Autor wurde ich erst vor einem Jahr aufmerksam. Ich kannte den Musiker Thommie Bayer und fand ihn auch gut. Allerdings war ich nicht so ein Fan, dass ich da eine Verknüpfung erstellt habe. Bis jetzt habe ich 3 Bücher von ihm gelesen, ein paar habe ich ja noch vor mir, er schreibt ja recht fleißig. ;-)

  • Titel: Die kurzen und die langen Jahre
    Autor: Thommie Bayer
    Verlag: Piper
    Erschienen: März 2014
    Seitenzahl: 202
    ISBN-10: 3492054811
    ISBN-13: 978-3492054812
    Preis: 17.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Liebe kann geheimnisvoll sein, abgründig und intensiv. Vor allem dann, wenn sie unerfüllt bleibt. Aber ist das wirklich die Bestimmung von Simon und Sylvie, die zwei unerklärliche Todesfälle zusammenführen? Silvie hat ihren Mann verloren, Simon seinen Vater. Und nicht nur die Trauer verbindet die beiden, vor allem Simon empfindet eine große Seelenverwandtschaft für die um Einiges ältere Silvie. Er ist sich schnell sicher, dass es Liebe ist. Doch er glaubt warten zu müssen, auch weil Silvie zu sehr vom Tod ihres Partners verwirrt ist. Er wartet, bis der richtige Moment verstrichen ist, bis zuviel geschehen ist, das sich so leicht nicht mehr rückgängig machen lässt. Aber das Schicksal und die gegenseitige Zuneigung führen die beiden immer wieder zusammen.


    Der Autor:
    Thommie Bayer, geb. 1953 in Esslingen, war Maler und Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte, Drehbücher und Romane zu schreiben. All seine Bücher entwickeln einen erzählerischen Sog, wie man ihn sonst vor allem aus angelsächsischen Romanen kennt.


    Meine Meinung:
    Ein sehr gefühlvoller und intensiver Roman. Auch dieses Buch durchzieht eine leichte Traurigkeit, wie man sie eigentlich bei allen Thommie-Bayer-Büchern findet. Aber diese Traurigkeit ist nicht störend oder weinerlich. Es ist vielmehr eine melancholische Traurigkeit, die aber der Hoffnungslosigkeit nicht das Wort redet. Es ist immer wieder ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Der grösste Teil des Romans spielt in der Mitte der Siebziger des letzten Jahrhunderts. Und Leser die in dieser Zeit ein ähnliches Lebensalter wie die Protagonisten hatten, werden sicher auch sich selbst in einigen Szenen wiedererkennen und sich nostalgisch zurückerinnern. Das Buch reicht aber bis in das Jahr 2014. Und im letzten Teil des Buches geht es rasant durch die vergangenen Jahre. In diesem Buch stehen die Menschen mit ihren Gefühlen, mit ihren Ängsten und mit ihrem Alltag im Mittelpunkt. Menschen die sich zutiefst menschlich verhalten. Menschen die mit ihren Irrtümern und Fehlern leben müssen, die eben auch einsehen müssen, dass sich Fehler und falsches Verhalten nicht so ohne weiteres korrigieren lassen. Dieser Roman ist sehr lesenswert, ein Reise in das Gefühlsleben von ganz normalen Menschen, ein Buch das das Leben so beschreibt wie das Leben so spielt. 8 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.