Blaubeeren und Vanilleeis - Gudrun Helgadottir (7-9 J.)

  • Tumi, Vildis und Vala leben mit Mutter Lolla und den Großeltern auf einem ehemaligen Bauernhof in einer eigentlich rund um glücklichen Familie. Nur der Vater fehlt, er hat die Familie für eine andere Frau verlassen und das Geld ist ein wenig, wenn auch lange nicht dramatisch, knapp.


    Die Mutter bringt die Familie als Töpferin über die Runden, Oma verwöhnt mit Zimtschnecken, Pferdewurst und anderen isländischen Köstlichkeiten und der Großvater hält den Hof in Schuss. Eine Kindheit wie auf Bullerbü.
    Trotzdem will der achtjährige Tumi einen Mann für seine Mutter, da kommt der alleinerziehende neue Bankdirektor mit dem schicken Jeep gerade recht. Nur leider kennt den Lolla noch gar nicht, geschweige denn will sie ihn heiraten, und so muss sich Tumi so manchen Trick einfallen lassen und auch so manche peinliche Niederlage verkraften, bis die beiden sich zumindest kennenlernen.


    Obwohl die Geschichte offenbar in einer modernen Stadt spielt, in Reykjavik oder in einer der umgebenden Städte des Speckgürtels, mutet der Schauplatz lindgrensch altmodisch an: Kindervergnügen findet nicht auf den Straßen der Stadt statt, sondern im großen Garten, auf Bäumen, in Lavahöhlen, zwar nicht in den Wäldern Smalands, wohl aber als Oase inmitten der Stadt. Die Bank, in der Tumis Wunschpapa arbeitet, ist nicht etwa der Arbeitsplatz der berühmt-berüchtigten Finanzwikinger, sondern ein altmodisches Institut, in dem Kinder ihr Erspartes aufs Sparbuch einzahlen oder Bauern sich Geld für einen neuen Pflug leihen können.


    Hier gibt es ihn noch, den Traum vom ursprünglichen Leben auf dem Lande, ohne dass freilich auf Segnungen der Moderne wie Mikrowelle oder Geländewagen verzichtet werden muss.


    Auch andere Werte werden vermittelt, eine Floskel, die die Sache in diesem Fall sehr gut trifft. Denn die Kinder im Buch (und somit auch die jungen Leser) bekommen von Erwachsenen gesagt, was gut ist und was schlecht. Naturschutz ist gut (sagt Mama), aber sich beim Schützen der Natur mit der Polizei anzulegen schon wieder nicht (sagt Oma). Auch Ehrlichkeit ist gut (sagt der Wunschpapa), sollte sich dann aber auch materiell lohnen, in diesem Fall durch einen großzügigen Finderlohn. Freundschaft ist wichtiger als so manch materielles Gut, aber selbst diese Tatsache, die Kinder doch eigentlich intuitiv erfassen, muss die Großmutter ihrer siebenjährigen Enkelin erst erklären.


    Davon abgesehen, ist Blaubeeren und Vanilleeis ein wohltuend unaufgeregtes Kinderbuch. Die Charaktere sind sind glaubwürdig und ihr Handeln nachvollziehbar. Das Besondere der isländischen Natur, die von diesem ganz speziellen Moos bedeckten Lavafelsen, mit diesen herrlichen schwarzen Krähenbeeren, die doch so enttäuschend schmecken (Opa: „Krähenbeeren sind was für Vögel“): Ich bekam ein wenig Heimweh, wage aber zu behaupten, dass das von den meisten deutschen Lesern gar nicht wahrgenommen wird.


    Noch zwei Bemerkungen:
    Ich las irgendwo, die sei ein richtiges Mädchenbuch. Mag sein, aber angesichts dieser Tatsache freu ich mich umso mehr, dass der Verlag so konsequent war, auch die Mädchen auch inder deutschen Übersetzung mit großem Appetit Pferdewurst essen zu lassen
    Der deutsche Titel wirft auch einige Fragen auf. Bara gaman, den Originaltitel, würde ich mit „reines Vergnügen“ übersetzen. Dass das Vanilleeis, das im Buch gar nicht vorkommt, in den deutschen Titel geraten konnte, kann ich mir nur damit erklären, dass ein isländisches Buch, und sei es eines für Kinder, ohne „Eis“ im Titel einfach nicht auskommt.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

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  • Aaaah, Island, Kindernuch UND Altersangabe.


    Danke :anbet.


    Sehr verlockende Kombination. Gleich mal stöbern.


    Edit sagt, das ist eher zum Vorlesen... sehr viel Text...
    siehst Du das auch so, Draper?

  • Hm, wie gut liest denn deine Tochter?
    Die Kapitel sind recht kurz, mit einprägsamen Überschriften, der Text ist mit Illustrationen aufgelockert und die Sprache "kindgerecht". Lediglich die Namen könnten Probleme bereiten, die Kinder heißen zwar nicht Hrafnhildur oder Saemundur, aber halt doch Vildis und Tumi.
    Ich würde einfach ein, zwei Kapitel vor- oder gemeinsam lesen und gucken, ob das Kind vom Lesefieber gepackt wird. Falls du es ganz vorlesen musst: es gibt Schlimmeres :wave

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von DraperDoyle: Davon abgesehen, ist Blaubeeren und Vanilleeis ein wohltuend unaufgeregtes Kinderbuch. Die Charaktere sind sind glaubwürdig und ihr Handeln nachvollziehbar. Das Besondere der isländischen Natur, die von diesem ganz speziellen Moos bedeckten Lavafelsen, mit diesen herrlichen schwarzen Krähenbeeren, die doch so enttäuschend schmecken (Opa: „Krähenbeeren sind was für Vögel“): Ich bekam ein wenig Heimweh, wage aber zu behaupten, dass das von den meisten deutschen Lesern gar nicht wahrgenommen wird.


    Island ohne Krähenbeeren, die ich nur als Moosbeeren kannte, kann ich mir gar nicht vorstellen. Keine Werbung, die nicht ohne diese Köstlichkeit auskommt. Im Käsekuchen fand ich sie besonders toll.

  • Moosbeeren sind aber gar keine Krähenbeeren :gruebel

    Moosbeeren (Vaccinium oxycoccus) sind rötlich, wachsen in Mooren und schmecken tatsächlich einigermaßen, Krähenbeeren (Empetrum nigrum) kenne ich eher aus so trockenen Heidelandschaften und ich finde, den Aufwand, diese Minidinger zu sammeln, um sie zu essen, kann man sich eigentlich ersparen : nur Haut und Kerne, die eigentlich hauptsächlich bitter schmecken.
    Aber ich muss zugeben, ich habe die Dinger auch noch nie im Käsekuchen gesehen, geschweige denn gegessen

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • http://de.m.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%A4henbeeren


    Draper, ich weiß wirklich nicht, wie ich auf Moosbeeren komme, aber die Beeren im Link sind gemeint (2.Bild).
    Als wir in Island waren hing an jeder Ecke eine riesige Werbung für Jogurt mit diesen Beeren.
    Jetzt ärgere ich mich fast, den Pflanzenführer in deutscher Sprache nicht gekauft zu haben.


    Übrigens, ein Bekannter ist gerade aus Island zurückgekommen und hat auf meine Bitte Lakritz mitgebracht.
    Als der Rest der Busgruppe ihn mit den Paketen auf dem Arm sah, haben sie den kleinen Laden gestürmt. Das Zeug muss gut sein :grin.

  • Genau, diese Krähenbeere meine ich auch :uebel
    Als ich 1990 auf dem Bauernhof im Skagarfjord arbeitete, meinte die Bäuerin Stefanía jedenfalls, dass mit den Dingern nicht viel anzufangen sei. Dem habe ich damals uneingeschränkt zugestimmt, obwohl ich gewillt war, alles was in Island wächst einfach großartig zu finden.


    Den Pflanzenführer gibt es hier zu kaufen, allerdings nicht ganz billig: Hördur Kristinsson
    Wie du dir denken kannst, habe ich den hier im Bestand, kann ihn dir also gerne mal ausleihen.


    Lakritz allerdings finde ich furchtbar, der Lakritzlikör "Opal" ist das einzige alkoholische Getränk, dass hier seit Jahren unbeachtet im Küchenschrank vor sich hingammelt. Ich hätte ja Lammwurst, Islandbutter und Reykja-Wodka bestellt :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hallo Draper Doyle,


    ja, den Pflanzenführer meine ich. Bei Gelegenheit komme ich darauf zurück, da ich hier noch ein Foto einer Pflanze habe, die ich nicht zuordnen konnte. Vielleicht kannst Du sie identifizieren. Bis ich das Foto gefunden habe, kann es allerdings noch dauern, da ich im Moment etwas arg verpeilt bin.