Marjana Gaponenko – Wer ist Martha?
• Taschenbuch: 237 Seiten
• Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 2 (9. Dezember 2013)
• ISBN-13: 978-3518464847
• Preis: 19,95 Euro (HC), 8,99 Euro (TB), 8,99 Euro (ebook)
Klappentext:
Viel Zeit bleibt nicht mehr, sagt der Arzt. Und die will gut genutzt sein, sagt sich Lewadski, der tattrige Ornithologe aus der Ukraine. Also reist er nach Wien, steigt im noblen Hotel Imperial ab und lernt im Fahrstuhl einen Altersgenossen kennen, dem der Lebensfaden auch schon reichlich kurz geworden ist. Wie die beiden Alten aus der Muppet Show in ihrer Loge sitzen die zwei beim Früchte-Wodka in der Hotelbar, kommentieren die Frisuren der Damen, rekapitulieren das mörderische vergangene Jahrhundert und träumen von der Revolution. Und langsam wird Lewadski das Geld zum Sterben knapp. »Wer ist Martha?« ist ein wunderbar kühner Roman, eine hymnische Feier des Lebens. Es geht um das Geheimnis unserer Existenz, die Freude am Dasein bis zum Schluss, die Würde des Menschen, die Liebe zur Schöpfung. Ein Roman über die letzten Dinge, in Frack und Fummel, so phantastisch und originell, so lebendig und frech, dass selbst der Tod nicht mehr aus dem Leben herauskommt.
Zur Autorin:
Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa (Ukraine) geboren. Sie nahm privaten Sprachunterricht und schreibt seit ihrem sechzehnten Lebensjahr auf Deutsch. Nach Aufenthalten in Krakau und Dublin lebt sie heute in Mainz und Wien. Ihr Romandebüt Annuschka Blume erschien 2010. Wer ist Martha? ist ihr erstes Buch im Suhrkamp Verlag.
Meine Meinung:
Der 96-jährige Ornithologe Luka Lewadski erfährt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Statt sich einer belastenden Chemotherapie auszusetzten, beschließt er, seine letzten Tage in einem Luxushotel zu verbringen.
So traurig sich die Grundlage dieses Buches anhört, so luftig leicht ist dieser Text geraten. Nicht das Sterben, sondern das Leben ist Thema dieses Romans. Der Leser erfährt vieles, was Luka in 96 Lebensjahren widerfahren ist.
Trotzdem ist es nicht die Geschichte, die dieses Buch trägt, es ist ihre Art zu Schreiben, mit der mich die Autorin gefangen genommen hat. Schon lange nicht mehr habe ich derart viele, gelungene Sprachbilder in einem Roman versammelt gesehen. Präsentiert mit einem lustvollen Humor, der mich amüsiert, bereichert und köstlich unterhalten hat. Im Grunde ist eine Rezension überflüssig. Man sollte die Autorin selbst zu Wort kommen und ihre Qualität beweisen lassen. Was ich hier mit ein paar Zitaten tun möchte:
S. 81
Er freute sich über seinen Hut und den Trinkstock, der sich wie ein hagerer Windhund an Lewadskis dünnes Bein lehnte.
S. 95
Ein weißer Pappbecher wurde in regelmäßigen Abständen vom unsichtbaren Fuß des Windes getreten. Ruhe, unfassbare Ruhe wie nach einem Donnerschlag breitete sich in Lewadskis schmächtigem Körper aus. Bitter und beängstigend. Schwindelerregend. Eine transparente Zwiebelschale in der dünn gewordenen Suppe von Lewadskis Leben.
S. 100
Der Aufzug ließ nicht lange auf sich warten und öffnete seine goldene Brust.
S. 110
Mürrisch gießt sich Lewadski Tee ein, dabei fällt es der Teekanne ein, sich ihren Deckel vom Kopf zu reißen und auf den Teppichboden zu schleudern.
S. 158
… seine Stimme wird immer zärtlicher, als schmelze eine scharfkantige Bonbonscheibe unter seiner Zunge.
S. 165
Lewadskis Augenbraue kriecht als magere Raupe auf sein Schädelplateau, wo nichts wächst, was sie allerdings noch nicht weiß.
Ich gebe 8 von 10 Eulenpunkten.