Im Schatten des Banyanbaums - Vaddey Ratner

  • Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
    Verlag: Unionsverlag; Auflage: 1., Aufl. (24. Februar 2014)
    ISBN-13: 978-3293004702
    Originaltitel: In the Shadow of the Banyan
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 21.95


    Autorin


    Vaddey Ratner, geboren 1970 in Kambodscha, war fünf Jahre alt, als die Roten Khmer an die Macht kamen. 1982 gelangte sie als Flüchtlingskind ohne Englischkenntnisse in die USA, 1990 schloss sie die Highschool als Jahrgangsbeste ab und studierte Südostasiatische Geschichte und Kunst. Ihr Debütroman Im Schatten des Banyanbaums war unter anderem unter den Finalisten des PEN/Hemingway Foundation Awards. Sie lebt in Potomac, Maryland.


    Kurzbeschreibung / Klappentext


    Die Kindheit der siebenjährigen Raami endet jäh, als die Roten Khmer in Kambodscha die Macht übernehmen und sämtliche Bewohner aus der Hauptstadt vertreiben. Die behütete Welt der Adelsfamilie bricht zusammen. Das Mädchen und ihre Angehörigen erleben die Grausamkeit der neuen Machthaber, aber auch die unermessliche Großzügigkeit der Menschen draußen auf dem weiten Land. Aus der Perspektive eines fantasiebegabten Mädchens, das unbeirrbar und mutig an seinen Träumen festhält, erzählt Vaddey Ratner eine unfassbare Lebensgeschichte, die auch die ihre ist.


    Meine Meinung


    Kambodscha – Ein Land von dem ich bloss zwei Dinge weiss. Eines verkörpert das Gute, nämlich das UNESCO-Weltkulturerbe der riesigen Tempelbauten von Angkor Wat, und eines das pure Böse, die Schreckensherrschaft der Roten Khmer Mitte bis Ende der 70er Jahre von welchen ich als kleiner Bub in den Nachrichten gehört habe. Ansonsten weiss ich nichts über dieses faszinierende Land und seine Bewohner. Dieses Buch ist einer meiner wenigen Spontan- und/oder Zufallskäufe die ich tätige, normalerweise informiere ich mich vor vorher über ein Buch und wähle sorgfältig aus. Als ich es in der Hand hielt und den Klappentext las hatte ich einfach ein gutes Bauchgefühl – und nach der Lektüre kann ich sagen das es mich nicht getäuscht hat.


    Im Nachwort ganz am Schluss des Romans erklärt die Schriftstellerin Vaddey Ratner, dass die Geschichte der Hauptfigur Raami im wesentlichen ihre eigene Lebensgeschichte ist. Quasi eine Autobiografie in Romanform verfasst, wenn auch mit ein paar Abweichungen, Auslassungen und Ergänzungen. Geschrieben in der Ich-Form aus der Sicht eines siebenjährigen Mädchens beginnend im Jahre 1975 als die Roten Khmer mit brutaler Gewalt die Macht an sich rissen und Millionen Menschen vertrieben und ebenso viele getötet haben. Aus dem Blickwinkel eines Kindes zu erzählen ist schwierig, fehlen den Kindern doch die Reife und Lebenserfahrung um Ereignisse einschätzen zu können, andererseits muss es für die erwachsene Leserschaft so geschrieben sein, dass sie über knapp 380 Seiten interessiert das Geschehen mitverfolgen. Ein sprachlicher Spagat, eine Herausforderung bei dem es auf beiden Seiten Zugeständnisse braucht, sei es aus stilistischen, sprachlichen oder inhaltlichen Überlegungen. Wie und was nimmt ein Kind von den Gräueltaten des Terrorregimes wahr? Wie ordnet es die Deportationen und Massenmord ein? Wie versuchen die Erwachsenen die fragile Kinderseele zu schützen, welche Geschichten erzählen sie? Irgendwann schafft die Psyche einen imaginären Zufluchtsort um sich vom Schrecken um sich herum ins Innere zurückzuziehen zu können.


    Die unglaublich schönen Beschreibungen von Land und Leuten Kambodschas, Religion, Brauchtum, Kultur sowie Flora und Fauna werden laufend in den Text mit eingeflochten und bilden den schönen Widerpart zum Grauen das um sie herum geschieht. Dabei wirkt der Erzählstil immer wieder etwas idyllisch und poetisch und will so gar nicht zur Hölle der Geschehnisse passen. Ein Zugeständnis an die kindliche Hauptfigur? Ein stilistischer Kontrapunkt zum real existierenden Bösen? Jedenfalls unterlegt er die Geschichte mit einem warmen Grundton


    Ein gelungenes Buch, gewiss nicht perfekt, aber eines das beim Lesen Gefühle weckt, zum Denken anregt und mich beschäftigt hat. Ein symbolisches Papierboot welches die Geschichten der Leidgeplagten und Opfern in einer ruchlosen Zeit transportiert und ihnen eine Stimme gibt. Wertung: 8 Eulenpunkte